Deadline

Als man im ame­ri­ka­ni­schen Bür­ger­krieg (1861–1865) mehr Gefan­gene machte als man unter­brin­gen konnte, trieb man sie auf freiem Feld zusam­men und zog eine in die Erde geritzte Linie um sie. Die Bewa­cher pos­tierte man so, dass sie die Linie im Blick hat­ten, und wer sie über­schritt, wurde erschos­sen. Diese „dead­line“, also Todes­li­nie, ist als Begriff seit 1864 in den Kongress-Akten ver­bürgt1. Spä­ter hat sie es nicht nur vom Raum in die Zeit und als Syn­onym für den aller­letz­ten Ter­min auch in die deut­sche Spra­che geschafft, son­dern sogar auf einen Blei­stift von J.S. STAEDTLER, Inc., USA.

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Der runde, im Dut­zend mit einer Karton-Banderole ver­packte „Dead­line“ ist gelb­orange lackiert; sein Alter schätze ich auf etwa 70 Jahre2. Alle Stifte sind noch gerade und bis auf kleine, ver­mut­lich durch die Lage­rung und den Trans­port bedingte Schä­den sehr gut erhalten.

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Die schwarze Bedruckung spricht mich sehr an, beschränkt sie sich doch auf das Wesent­li­che und ist typo­gra­fisch gelun­gen. Es fällt auf, dass der „Dead­line“ ent­ge­gen dem heute Übli­chen eine soge­nannte Links­hän­der­be­schrif­tung3 hat, seine Schrift also zur Spitze läuft. Die Angabe des Här­te­grads fehlt, und auch eine Blind­prä­gung gibt es nicht.

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Der Vier­tel­mond ist natür­lich mit von der Partie.

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Der in den USA her­ge­stellte „Dead­line“ ist nicht werk­sei­tig gespitzt. Die Schnitt­flä­chen wur­den von dem in der Fer­ti­gung über­ge­tre­te­nen Lack gesäu­bert und geben den Blick auf die bei allen Exem­pla­ren zen­trisch sit­zende Mine frei.

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Die Mine des 7,8 mm dicken Stifts ist beein­dru­ckende 3,8 mm stark und damit fast dop­pelt so dick wie die der meis­ten heu­ti­gen Blei­stifte. Dies lässt ver­mu­ten, dass man eine beson­dere Ziel­gruppe anspre­chen wollte; inter­es­sant zu wis­sen wäre, wel­cher Ein­satz­zweck bewor­ben wurde und warum man den Namen „Dead­line“ gewählt hat.

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Beim Spit­zen (hier mit dem Kur­bel­spit­zer Carl Decade DE-100) zeigt sich, dass der Lack min­des­tens drei­mal auf­ge­tra­gen wurde. Zudem ist eine Rot­fär­bung an der Ver­lei­mung zu sehen, die jedoch kei­nen Ein­fluss auf den Halt der Mine hat. Farbe und Mase­rung des Hol­zes spre­chen für Zeder. – Die bruch­sta­bile Mine, die ich als so weich emp­finde wie die des STAEDTLER Mars Lumo­graph 2B, schreibt recht leicht, ver­gleichs­weise spar­sam und mit sehr sau­be­rer Abgabe, aber ein biss­chen wach­sig. Ihr Abstrich schwärzt gut, ist mäßig wisch­fest, glänzt gering­fü­gig weni­ger als der des Lumo­graph 2B und lässt sich selbst bei fes­tem Andruck noch gut radie­ren4. Da der „Dead­line“ beim Schrei­ben ein klein wenig am Papier haf­tet, halte ich es für mög­lich, dass seine Minen­mi­schung Ruß ent­hält5.

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Die Rück­seite der Ban­de­role hat lei­der einen Preisabriss.

Auch im Gebrauch bemerkt man die hohe Material- und Ver­ar­bei­tungs­qua­li­tät des „Dead­line“, und so freue ich mich über die­sen beson­de­ren Fund6.

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  1. Quelle: Rolf-Bernhard Essig, Wie die Kuh aufs Eis kam – Wun­der­sa­mes aus der Welt der Worte (Gus­tav Kie­pen­heuer 2007).
  2. Die Nie­der­las­sung in New York wurde 1922 gegrün­det.
  3. STAEDTLER Deutsch­land kehrte 1963 die Beschrif­tung um.
  4. Getes­tet mit STAEDTLER Mars pla­s­tic, SEED Radar und Pilot Foam.
  5. Ähn­li­ches kann man beim STAEDTLER Mars Lumo­graph 7B und 8B beob­ach­ten, deren Minen eben­falls Ruß ent­hal­ten.
  6. eBay.com, gut 10 Euro.

4 Kommentare zu „Deadline“

  1. Ein sehr schö­ner Blei­stift. Der Name und die runde Form las­sen ver­mu­ten, dass es ein Blei­stift für Leute ist, die viel Schrei­ben müs­sen und beruf­lich mit Dead­lines arbei­ten (Jour­na­lis­ten, Wer­be­tex­ter, …), aber wäre dann eine dicke Mine nötig gewe­sen? Viel­leicht war es ja auch ein Blei­stift zum Markieren…

  2. This is very inte­res­t­ing Gun­ther, because I was just plan­ning to post about the Eber­hard Faber „Edi­tor“ pen­cil. Based on your descrip­tion and the pho­tos it seems like they may have been direct com­pe­ti­tors: the names „Dead­line“ and „Edi­tor“ cer­tainly can be thought of as being invol­ved in simi­lar activities.

    THe Edi­tor pen­cil is also round and also has a very thick lead (howe­ver it is labe­led No. 1). It is smooth but not very waxy. I would say it per­forms almost iden­ti­cally to the Eagle Draught­ing 314 pencil.

  3. Mat­thias: Mit Dei­ner Ver­mu­tung liegst Du sicher rich­tig, und die dicke Mine könnte auch pas­sen – viel­leicht sollte man die­sen Blei­stift für Anmer­kun­gen und Kor­rek­tu­ren benut­zen, die auf­fal­len müssen.

    Sean: You’re very pro­ba­bly right – this ad for the Ste­no­gra­phic 596 and the Edi­tor sug­gests a simi­lar pur­pose too. Your descrip­tion of the Edi­tor sounds very inte­res­t­ing, and I am loo­king for­ward to rea­ding your post about it!

  4. Pingback: Letters from the Editor | Contrapuntalism

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