2016
Aufregung um Bleistifte
Die Süddeutsche Zeitung schreibt: „Sänger postet Wahlzettel-Foto – und halb Italien diskutiert über Bleistifte“. Das Referendum in Italien hat zur Aufregung um Bleistifte geführt, nachdem der italienische Sänger Piero Pelù auf Facebook Fotos von seinen Wahlunterlagen und den Stiften gezeigt hat. Bei seinem Test hatte er nämlich festgestellt, dass sich das Kreuz ausradieren ließ, und so eine Diskussion über die Stifte und das Papier in den Wahllokalen ausgelöst. Schließlich meldete sich auch das Innenministerium zu Wort und teilte mit, dass seit mindestens fünf Jahren bei Wahlen Kopierstifte von Faber-Castell zum Einsatz kämen. Warum Pelù und andere das Kreuz zumindest teilweise ausradieren konnten, bleibt indes unklar.
„Die Entstehung des Bleistiftes“
Die Broschüre „Die Entstehung des Bleistiftes“ von Eberhard Faber, Neumarkt bei Nürnberg, stellt „Wissenswertes über die Herstellung von Blei-, Kopier- und Farbstiften“ in Wort und Bild dar. Ich finde sie nicht nur wegen der Titelseite sehr ansprechend.
Der zwölfseitige Druck im Format DIN A4 enthält Details, die man als Endkunde auch heute nicht so einfach erfährt; dies und einige Formulierungen sprechen dafür, dass sich Eberhard Faber damit an Händler richtete. Im Mittelpunkt stehen Stifte und Radierer der Marke VAN DYKE, die erstmals 1931 eingetragen wurde1. Angesichts der Gestaltung vermute ich, dass die Broschüre aus den 1940er Jahren stammt.
Bereits die Einleitung ist reizvoll:
Wer sieht es wohl einem Bleistift an, daß zu seiner Herstellung Hunderte von Arbeitsgänge auf sinnreich konstruierten Maschinen und eine unendliche Erfahrung notwendig sind? Welch große Bedeutung kommt doch diesem unscheinbaren Schreibgerät auf allen Gebieten des menschlichen Lebens zu! Für viele Menschen ist der Bleistift unentbehrlicher Freund und ständiger Begleiter.
Auf die Bestandteile geht man gleich zu Beginn ein. So heißt es, dass der in der Bleistiftindustrie verwendete Ton aus Unterfranken kommt; ich gehe davon aus, dass man sich hier auf das Tonwerk der Stadt Klingenberg bezieht.
Beim Graphit wird zwischen dem günstigen, amorphem aus Österreich, Korea und Mexiko und dem höherwertigen, kristallinen aus Bayern („in der Nähe von Passau”), Ceylon und Madagaskar unterschieden. – Mit dem bayerischen Graphit ist zweifellos der von Kropfmühl in Hauzenberg gemeint.
Auch beim Holz ist man recht ausführlich. Neben der Florida- oder Rot-Zeder2 und der kaliformischen Zeder führt man Erle, Linde und Föhre auf. (Linde und Nadelhölzer – vor allem die Kolorado-Tanne und die Weymouth-Kiefer – nutzt man immer noch, die Erle wegen ihrer Härte indes nicht mehr.)
Als „Politur“3 wird Zelluloselack genannt, doch von diesem ist man aufgrund gesundheitlicher Risiken bei der Verarbeitung und schwieriger Entsorgung schon vor einiger Zeit abgekommen.
Bemerkenswert sind die Materialien, mit denen die Stifte „gestempelt“ wurden: Damals waren es Echtgold-, Goldbronze- und Aluminiumbronzefolien.
Bei der Bearbeitung des Graphits ist von „chemisch zerkleinert“ und „chemisch verfeinert“ die Rede; was es damit auf sich hat, verrät die Broschüre jedoch nicht.
Auch auf Bestandteile und die Herstellung von Kopier-, Farbkopier- und Farbminen wird eingegangen. Alle enthalten u. a. das pflanzliche Verdickungsmittel Traganth, das heute hauptsächlich für Lebensmittel verwendet wird.
In der Auflistung der Spezialstifte fielen mir mattschreibende Kopierstifte auf, die bei künstlichem Licht die Augen schonen sollen.
Gegen Ende finden sich Handreichungen zum Verkauf:
Es genügt nicht, dem Kunden kurzerhand einen Stift zu reichen. Zeigen Sie ihm vielmehr alle Muster der auf Lager befindlichen Sorten auf einer hübschen Samtkarte aufgemacht!
Und:
Auch der kleine unscheinbare Bleistift muß mit Lust und Liebe verkauft werden, denn jeder Kunde freut sich, wenn er auch bei einem kleinen Einkauf vom Verkäufer aufmerksam bedient wird.
Natürlich darf der Radierer nicht unerwähnt bleiben, und so erfährt der Leser, dass man „den weltbekannten VAN-DYKE-Radiergummi von Grund auf in eigener Fabrik erzeugt“ und dass „Eberhard Faber als erster Bleistifte kombiniert mit Radiergummi herstellte“4.
Eine Übersicht der Härtegrade und der „Werdegang des Bleistifts“ schließen die Broschüre ab.
Für mich ein schönes Stück Bleistiftgeschichte!
- So ganz klar sind mir die Einträge des DPMA nicht, denn es gibt sowohl „Van Dyke“ (mit Anführungszeichen und in Gemischtschreibung, eingetragen am 9.3.26) als auch VAN DYKE (ohne Anführungszeichen und in Versalien, eingetragen 5.11.1940).↩
- Die Erwähnung der Rot-Zeder überrascht mich, denn ich dachte bisher, dass diese bereits vor etwa 100 Jahren durch die kalifornische Zeder (Weihrauch-Zeder) abgelöst wurde.↩
- Der Begriff „Politur“ geht zurück auf die Zeit vor 1900, als die Spitzenbleistifte einen Schellacküberzug mit Schwermetall-Farben erhielten und von Hand poliert wurden.↩
- Das in diesem Zusammenhang oft genannte Patent von Hyman Lipman aus dem Jahr 1858 beschrieb einen Bleistift, der auf etwa einem Drittel der Länge statt der Graphitmine einen Radierkern enthielt. Dieses Patent wurde später jedoch für ungültig erklärt mit der Begründung, dass Bleistift und Radierer bereits vorher existiert hätten und durch die Kombination von beidem nichts Neues entstanden sei. Am 11.8.1891 erhielt Eberhard Faber das Patent auf die Befestigung eines Radierers an einen Bleistift mithilfe einer Zwinge.↩
Schnell aufgetischt
Wer sich am Nachmittag des gestrigen Samstag das Fernsehprogramm des WDR zugeführt hat, sah gegen 16.55 Uhr einen Glastisch, dessen Platte auf zahlreichen STAEDTLER Noris 122 ruhte.
Man beachte den Spitzer in der Mitte. – Der Tisch steht im Museum der Designerin Rossana Orlandi in Mailand. Die Sendung „2 für 300: Tamina in Mailand“ ist noch bis zum 2.12.16 abrufbar; der Noris-Tisch hat seinen sehr kurzen Auftritt bei etwa 8:20.
Durchsage
Ab sofort sind der Pollux von Möbius+Ruppert und Ersatzmesser beim Papierlabor erhältlich. Der Spitzer kostet 23,50 Euro und das 3er-Set Messer 8,50 Euro; hinzu kommen die Versandkosten.
Der Klick aufs Bild führt zum Angebot. – Nein, ich bekomme keine Provision.
Magna-Dialer
Sola von pencils and other things hat kürzlich einen Telefonbleistift in Aktion gezeigt, der ihr in einer Folge der Serie „The Crown“ aufgefallen ist. Das hat mich an etwas Ähnliches in meinem Fundus erinnert.
Der Magna-Dialer stammt aus den 1950er Jahren, und auch er hat eine Kugel, die man statt des Fingers in die Wählscheibe stecken konnte. In einer frühen Anzeige von Eberhard Faber für holzgefasste Telefonbleistifte mit Kugel wurde betont, dass damit die Fingernägel geschont würden.
Der in den 1950er Jahren1 hergestellte und 141 mm lange Telefonstift hat einen 7 mm starken, sechsflächigen Metallschaft2 und eine 14 mm dicke, abschraubbare Kugel aus Kunststoff. Das Drehen der Spitze transportiert die 1 mm dicke Mine, die etwa den Härtegrad H hat. Ein Magnet im Stift hält ihn auf der mitgelieferten Ablage, die ursprünglich eine selbstklebende Rückseite hatte. – Weder der Stift noch der Karton, dessen Deckel fehlt, tragen eine Kennzeichnung.
Man beachte die handschriftliche Ergänzung auf dem Beileger. – Auf Flickr gibt es eine Reklame für den Magna-Dialer aus dem Jahr 1952.
Telefonbleistifte mit Kugel kenne ich nur aus den USA. Eine andere Variante des Telefonstifts hatte eine Öse oder einen Ring, damit man ihn am Apparat befestigen konnte; erhältlich war er u. a. von Eberhard Faber und J.S. STAEDTLER. – Offenbar hat man auch das Radierer-Ende zum Wählen benutzt, denn es gab Werbebleistifte, die an beiden Enden einen Radierer hatten (siehe hier)3.
- Quelle: Verkäuferin auf Etsy.com.↩
- Er glänzt goldfarben, doch es wollte mir nicht gelingen, diese Farbe im Foto festzuhalten. Der Glanz an der Spitze lässt die Farbe erahnen.↩
- Nicht zu verwechseln mit dem Null-Fehler-Bleistift.↩
M+R Minofix
Schon eine Weile im Programm des Erlanger Herstellers Möbius+Ruppert ist der Minenspitzer Minofix.
Der aus Messing1 gefertigte und bemerkenswert ausführlich gekennzeichnete Spitzer hat die klassische Blockform und zwei gegenüberliegende Messer, mit denen er 2 und 3,2 mm dicke Minen in Form bringt.
Die Messer haben das Standardformat, so dass Ersatz leicht zu bekommen ist.
Das Spitzen fällt leicht und das Spitzergebnis sehr gut aus – die Minenführung mit nur minimalem Spiel ist sehr gut, die Oberfläche sauber und die Spitze nadelfein.
Für die Detailverliebten: Der Spitzwinkel beträgt 23° bei 2 mm und 31° bei 3,2 mm. – Der Minofix hat die Artikelnummer 0614; den Ladenpreis reiche ich nach.
Danke an Möbius+Ruppert für das Muster!
- Der Minofix ist meines Wissens der einzige Messing-Minenspitzer aus aktueller Produktion.↩