Ausgrabungen

Ebenso wie sicher noch viele andere, die sich ein­ge­hen­der mit der Geschichte des Blei­stifts beschäf­ti­gen, ging auch die öster­rei­chi­sche Zeit­schrift „Der Papier­händ­ler“1 in ihrer 58. Aus­gabe vom 15. Dezem­ber 1950 davon aus, dass Fried­rich Staedt­ler 1662 erst­mals als Blei­stift­ma­cher erwähnt wurde und damit als der älteste sei­ner Zunft gilt. Kurz dar­auf erhielt das Blatt eine Zuschrift mit äußerst bemer­kens­wer­ten his­to­ri­schen Details, die diese Annahme wider­le­gen, und ver­öf­fent­lichte in der 61. Aus­gabe vom 1. Februar 1951 eine Rich­tig­stel­lung. Dank mei­nes sehr kun­di­gen Lesers Her­bert R., der mir freund­li­cher­weise eine Kopie des betref­fen­den Arti­kels hat zukom­men las­sen, kann ich diese inter­es­san­ten Aspekte mit mei­nen Lesern tei­len. Ich zitiere:

Daß ein gewis­ser Fried­rich Staedt­ler, der als Vater eines Täuf­lings im Jahre 1662 im Tauf­buch von St. Lorenz in Nürn­berg genannt ist, der erste Blei­stift­ma­cher war, ist nicht rich­tig, denn es fin­det sich unter dem 7. Februar 1659 im Kirchen­buch von St. Lorenz eine Auf­zeich­nung, nach der Hans Bau­mann auf dem Johannis-Friedhof beer­digt wurde, der gele­gent­lich der Ver­hei­ra­tung sei­nes Soh­nes als „Schrei­ner dann Wei­ßer­bei­ter und Bley­stefft­ma­cher“ bezeich­net ist. Auch sein Sohn Hans, gebo­ren 1642, übte den Beruf des Bley­stefft­ma­chers aus. Zur Zeit ist somit Hans Bau­mann d. Ä. der erste in Nürn­berg nament­lich erwähnte Blei­stift­ma­cher, bei dem es noch dazu durch seine Her­kunft aus dem Schrei­ner­ge­werbe unzwei­fel­haft ist, dass er Blei­stifte mit Holz­hülle herstellte.

Der Ver­fas­ser der Ein­wen­dung hält jedoch auch Hans Bau­mann nicht für den Erfin­der des Blei­stifts und ver­mu­tet, dass die Erfin­dung wahr­schein­lich viel frü­her und in einer ganz ande­ren Gegend gemacht wurde. Dabei ver­weist er auf einen Kup­fer­stich eines Köl­ner Stra­ßen­händ­lers aus dem Jahr 1589, der Bün­del von Stif­ten ver­kauft; als Quelle nennt er die His­to­ri­ker Johan­nes Bisch­off und Franz Feld­haus. – Wei­ter­hin heißt es:

Die unun­ter­bro­chene Rei­hen­folge der Ver­er­bung des Blei­stift­ma­cher­ge­wer­bes von Fried­rich Staedt­ler auf Pau­lus Staedt­ler ist his­to­risch nicht nach­zu­wei­sen. Die Firma J.S. STAEDTLER wurde erst 1835 gegrün­det. Die Behaup­tung, daß Pau­lus Staedt­ler der erste Nürn­ber­ger Blei­stift­fa­bri­kant gewe­sen ist, ist inso­ferne falsch, als viel frü­her, näm­lich um die Mitte des 18. Jahr­hun­derts, die jet­zige Firma A.W. Faber-Castell am Rande Nürn­bergs gegrün­det wurde und im Jahre 1806 Johann Froesch­eis die jet­zige Johann Froesch­eis LYRA-Bleistiftfabrik grün­dete. Auch die angeb­li­che Erfin­dung der heu­ti­gen Oel­krei­de­stifte durch J.S. STAEDTLER im Jahre 1834 läßt sich widerlegen.

Einer Bewer­tung möchte ich mich ent­hal­ten, da ich nicht das dazu not­wen­dige Wis­sen ha­be. Seit die­ser Rich­tig­stel­lung, deren Autor lei­der nicht ange­ge­ben wurde, sind jedoch fast sechs Jahr­zehnte ver­gan­gen, und ich weiß nicht, ob es inzwi­schen neue Erkennt­nisse gibt, die sie wider­le­gen oder bestätigen.

Danke an Her­bert R. für den Artikel!

  1. „Der Papier­händ­ler“ war eine Halb­mo­nats­schrift für die Inter­es­sen des öster­rei­chi­schen Papier- und Schreib­wa­ren­han­dels, her­aus­ge­ge­ben von Franz Bondi; gedruckt und ver­legt hat sie Johann L. Bondi & Sohn in Wien-Perchtoldsdorf.

4 Kommentare zu „Ausgrabungen“

  1. Für den „Zeu­gen“ Feld­haus kommt evtl. die­ser Bei­trag als Quelle in Frage:
    Feld­haus, Franz Maria, 1926, Der Blei­stift, Bd. 2 von Deut­sche Arbeit, Reichs­bund deut­sche Arbeit, Berlin.

    Die ‚Samm­lung Feld­haus‘ von ca. 11.000 tech­nik­his­to­ri­schen Schrif­ten wurde übri­gens in den 1990ern kata­lo­gi­siert und ist seit 2005 an der Lan­des­bi­blio­thek Kas­sel im Lese­saal einsehbar.

  2. Danke für den Hin­weis auf den Text von Franz Feldhaus!

    Vom jet­zi­gen Stand­ort der Feldhaus-Sammlung habe ich schon vor eini­ger Zeit gehört und spon­tan an einen Aus­flug dort­hin gedacht …

  3. ANGELA FUCHS GEB. FELDHAUS

    ALS TOCHTER VON FRANZ MARIA FELDHAUS geb. 1874, möchte ich auf sein LEXIKON HINWEISEN:
    Die Tech­nik der Vor­zeit, der geschicht­li­chen Zeit und der Natur­völ­ker: ein Hand­buch für Archäo­lo­gen und His­to­ri­ker, Museen und Samm­ler, Kunst­händ­ler und Anti­quare. 1400 Spal­ten Text, 873 Abbil­dun­gen, Ver­lag von Wil­helm Engel­mann, Leip­zig 1914

    2. ver­mehrte Auf­lage Heinz Moos, her­ge­stellt im Fak­si­mile Ver­fah­ren unter Hin­zu­fü­gung von spä­te­ren Ori­gi­nal­bei­trä­gen des Ver­fas­sers, Anhang I mit 52 Sei­ten, Anhang II mit 6 Sei­ten, Moos Ver­lag Mün­chen 1965

    3. Auf­lage, unver­än­dert, R.Löwit Wies­ba­den, (Lizenz des Moos­ver­la­ges, Mün­chen) 1970/1980

    4. Seit dem 09.08.2005 Raub­di­gi­tal­ko­pie von 1914 im Inter­net, Uni Breslau

    5.Digitaler Text der Biblio­thek des Semi­nars für Wirtschafts- und Sozi­al­ge­schichte Hoch­schul­bi­blio­theks­zen­trum NRW
    
(alle Dateien sind im PDF-Format und kön­nen mit Adobe Acrobat-Reader gele­sen wer­den) (www.digitalis.uni-koeln.de)
    HERZLICHE GRÜßE, AUS HEIDELBERG

  4. Sehr geehrte Frau Fuchs, danke für Ihren Kom­men­tar, den Hin­weis auf das Lexi­kons Ihres Vaters und die Details zu den Auf­la­gen – ich freue mich, dass die­ses beson­dere Werk nun auch digi­tal vorliegt!

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