Fundsachen
Neuzeit
Manchmal kommt es vor, dass ich etwas Vertrautes plötzlich ganz neu sehe – so auch vor wenigen Tagen, als mein Blick auf die etwa 60 × 34 mm kleinen Karten des Spiels „RATE FIX“1 fiel.
Bei all dem heute zumindest nach außen hin Perfekten tun mir die kleinen Mängel und Gebrauchsspuren gut, doch die Schrift gefällt mir am besten. Es ist die Neuzeit Grotesk2, hier im fetten (oder gar extrafetten) Schnitt, entworfen 1929 von Wilhelm Pischner und gegossen von der D. Stempel AG in Frankfurt/Main. Da galt „form follows function“ – eine konstruierte Schrift ohne besondere Merkmale, die in meinen Augen jedoch gerade dadurch ihren Reiz hat.
Es gibt sie auch in digitaler Form, aber die Black-Variante von URW weicht leider vom Original ab3; die Schnitte Light und Bold Condensed sind wohl die beiden einzigen mit dem ursprünglichen Charakter.
- Unsere ist eine alte, vielleicht sogar die Originalausgabe, und manchmal denke ich, wir hätten diese schon immer gehabt.↩
- Danke an die Teilnehmer des Forums von Typografie.info für die rasche Identifizierung!↩
- Man beachte z. B. das a.↩
Untergrund
Als Hobby-Messie genieße ich den Vorzug, zuweilen etwas finden zu dürfen, ohne es zu suchen1. Heutiges Fundstück ist ein Linienplan der Londoner U-Bahn aus den Siebzigen.
Dieser Plan ist ein Klassiker des Corporate Design und zudem ein Augenschmaus für viele Typoholiker wie mich, steht doch die berühmte, von Edward Johnston für die „Tube“ entworfene und 1916 veröffentlichte Schrift Johnston Sans im Mittelpunkt (auch wenn die hier zu sehende Variante bereits eine überarbeitete ist).
Die für mich beste Darstellung dieser Schrift mit Details zu ihrem Schöpfer findet sich übrigens in dem sehr lesenswerten Buch „Just My Type“ von Simon Garfield, erschienen 2010 bei Profile Books, das hiermit allen an Typografie Interessierten wärmstens empfohlen sei.
- Den umgekehrten Fall gibt es natürlich auch, doch dieser ist weniger vorzüglich und heute nicht das Thema.↩
Handband
Manikel1 als Meterware: 260 cm lang, 5,5 cm breit und für mich unwiderstehlich ist dieses Stoffband, das ich bei Etsy erspäht und umgehend erworben habe.
Noch weiß ich nicht, was ich daraus machen werde, doch irgendetwas wird mir sicher einfallen. Vielleicht ein Etui für Stifte?
- Das ist mein Übersetzungsvorschlag für den englischen Begriff „manicule“, der die kleine Hand bezeichnet.↩
Danke, Herr Opel!
Werter Herr Opel,
als passioniertem Bedienungsanleitungsgernleser war es mir heute früh ein außerordentliches Vergnügen, mich der Dokumentation Ihres „Infotainment System OPEL CD 70 NAVI / OPEL DVD 90 NAVI“ (deutsch/englisch, 01/2005, Art.-Nr. 09 952 841) eingehend widmen zu dürfen. Das beschriebene Gerät und mein Interesse am bestimmungsgemäßen Gebrauch desselben rückten jedoch plötzlich in den Hintergrund, als ich auf Seite 13 mit dem mir bis dato unbekannten Begriff der „Verweilseite“ bekannt gemacht wurde.
Ich danke Ihnen recht herzlich für die Bereicherung meines Wortschatzes um diesen wunderschönen Terminus, der ab sofort fester Bestandteil meines mündlichen und schriftlichen Wortguts sowohl im privaten als auch beruflichen Alltag sein wird.
Hochachtungsvoll,
Ihr Lexikaliker
Restgraphittonne
Entdecke die Entsorgungs-Möglichkeiten: Wer aus Unkenntnis, Versehen oder Übermut zu einem IKEA-Schreiber gegriffen hat, kann sich dessen nun auch ordentlich an der Kasse entledigen. – Ob daraus Möbel werden, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.
Zufallsfund
„Sie suchten nichts Besonderes, doch sie fanden einiges“, hieß es 1557 in „Die Reise der drei Prinzen von Serendip“. Zweihundert Jahre später führte diese Geschichte zum englischen Wort „serendipity“ und dieses dann zum deutschen „Serendipität“, dem Begriff für den zufälligen Fund von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem.
Ebenfalls auf der Suche und überraschter als die drei Prinzen zusammen war ich, als mir auf Seite 297 des Buches „Christian Morgensterns Leben und Werk“ von Michael Bauer1 der Spitzname auffiel, den mir ein guter Freund, der zonebattler aus Fürth, vor Jahren gegeben hat.
Ich mag sowohl den zonebattler als auch den Morgenstern und ihrer beider Neologismen und finde es klasse, dass beide auf die gleiche Wortschöpfung kamen! Welchen Gedanken jedoch Morgenstern dabei hatte, wird wohl für immer verborgen bleiben, ebenso der hinter „Der bleistiftwachsende Westentasche“ – eine sonderbare Formulierung, die den Bleistift vorwegnehmend in die Nähe des Lexikalikers rückt. Sachen gibt’s …
- Verlag R. Piper & Co., 2. Auflage 1937↩