Das Messerbett

Es lohnt sich, Patent­do­ku­mente zu lesen. Indem sie jeden Aspekt einer Erfin­dung prä­zise dar­stel­len, schär­fen sie den Blick für kleinste Details. Sie zei­gen auch, wann und wie Dinge, die heute all­täg­lich sind, in die Welt gekom­men sind, und bei man­chen kann man sich nur schwer vor­stel­len, dass sie einst völ­lig neu waren.

Zu letz­te­ren gehört der heu­tige Hand­spit­zer1. Sein Auf­bau wirkt so ein­fach und nahe­lie­gend, dass man sich dar­über wun­dert, wie spät er kam und wie viele aus heu­ti­ger Sicht umständ­li­che Vor­rich­tun­gen zum Spit­zen von Blei­stif­ten ange­bo­ten und benutzt wur­den. Seine Bestand­teile wur­den jedoch getrennt erdacht und fan­den mit gro­ßem zeit­li­chen Abstand zuein­an­der; um einen davon geht es in die­sem Beitrag.

Das Messerbett

Am 20. Juni 1892 mel­dete Jonas R. Fos­ter aus Stone­ham (USA) seine Erfin­dung „Pencil-Sharpener“ beim United Sta­tes Patent Office an und am 28. Februar 1893 wurde sein Patent Nr. 492669 ver­öf­fent­licht2.

Das Messerbett

Hier fällt sofort das „Granate“-Design des abge­bil­de­ten Spit­zers3 auf, doch es geht nicht um die­ses, son­dern um die Befes­ti­gung des Mes­sers. Waren es bei der „Gra­nate“ (1891) und der US-amerikanischen Kopie „Peer­less“ (1892) zwei Schrau­ben, die das Mes­ser hiel­ten4, so hatte Fos­ter die Idee, es zu klem­men5. Dazu nutzte er zwei kleine Plat­ten, die ange­schraubt wur­den, wobei die erste (c) das Mes­ser in Posi­tion hielt und die zweite (d) es an den Spit­zer­kor­pus drückte. Bemer­kens­wert sind seine Anmer­kun­gen zur ers­ten Platte:

It is fur­ther obvious that ins­tead of forming the abut­ment on the plate c, against which the end of said blade abuts, such abut­ment may be for­med on the body a, but such slight varia­tion while coming within the spi­rit and scope of this inven­tion would increase the cost of manu­fac­ture, so that the con­s­truc­tion her­ein pro­vi­ded is I con­sider preferable.

(Her­vor­he­bung von mir.) Was Fos­ter hier vor­schlägt, sollte sich erst einige Jahr­zehnte spä­ter durch­set­zen, näm­lich die fla­che Aus­frä­sung im Spit­zer­kor­pus, die das Mes­ser auf­nimmt, durch Form­schluss am Ver­dre­hen hin­dert und heute als „Mes­ser­bett“ bezeich­net wird6.

Das Messerbett

Damals erschien es ihm jedoch zu teuer in der Fer­ti­gung, so dass er es bei der Erwäh­nung beließ7. – Ob Fos­ters Erfin­dung ver­mark­tet wurde und es andere Patente gab, die sich mit dem Mes­ser­bett befass­ten, bleibt zu klären.

Das Mes­ser­bett ist inzwi­schen üblich, aber es wäre inter­es­sant zu wis­sen, bei wel­chem Hand­spit­zer es zum ers­ten Mal genutzt wurde (die „Gra­nate“ bekam ihres erst in der zwei­ten Hälfte der 1970er Jahre).

Eine Son­der­form ist das kon­kave Mes­ser­bett. In die­sem wird das Mes­ser durch Anzie­hen der Schraube gekrümmt, was der Blei­stift­spitze eine unge­wöhn­li­che Form gibt. Es kam erst­mals 1935 mit dem A.W. Faber Janus 4046 auf den Markt und war etwa zur glei­chen Zeit auch beim Johann Faber Helios 5078 anzu­tref­fen; der 1965 ein­ge­führte Faber-Castell Janus 4048 (im Bild) hatte es ebenfalls.

Das Messerbett

Alle drei Modelle ver­füg­ten ein zwei­schnei­di­ges Mes­ser, doch nur der Janus 4048 bot eine Aus­spa­rung an der Kante des Mes­ser­betts, an dem das Mes­ser anlag, um Schä­den an der Schneide beim Befes­ti­gen des Mes­sers zu ver­mei­den. – Heute ist das kon­kave Mes­ser­bett nur noch beim M+R Pol­lux zu finden.

Nach­trag vom 18.8.23: Es gibt zur­zeit noch einen zwei­ten Hand­spit­zer mit kon­ka­vem Mes­ser­bett, und zwar den Black­wing One-Step Long Point Shar­pe­ner. Die­ser in China gefer­tige Behäl­ter­spit­zer hat einen Spritzguss-Einsatzspitzer mit ver­schraub­tem Mes­ser, das etwas weni­ger stark gekrümmt ist als das des Pol­lux. – Danke an Herrn Ehr­mann für den Hinweis!

  1. Es gibt natür­lich nicht den einen Hand­spit­zer; gemeint ist hier die prin­zi­pi­elle Bau­form mit kegel­för­mi­ger Boh­rung und voll­stän­dig auf­lie­gen­dem, ver­schraub­tem Mes­ser.
  2. Auf die­ses Patent hat mich mein Leser Wow­ter bereits 2016 auf­merk­sam gemacht.
  3. Ver­mut­lich hat Fos­ter die­sen Spit­zer des­halb gezeigt, weil es zu die­ser Zeit kei­nen ande­ren gab, an dem seine Erfin­dung hätte ange­wandt wer­den kön­nen.
  4. Das Patent zur Press­schraube und zwei Stif­ten von Möl­ler & Breit­scheid sollte erst am 30. Novem­ber 1892 – also gut fünf Monate spä­ter – ver­öf­fent­licht wer­den, so dass Fos­ter es noch nicht ken­nen konnte.
  5. Nach Anga­ben Fos­ters ist diese Klem­mung selbst­jus­tie­rend, doch da man das Mes­ser auch schief ein­klem­men kann, habe ich Zwei­fel daran. – Er erwähnt zudem, dass seine Erfin­dung dem Nut­zer die Jus­tage des Mes­sers erspart. War diese wirk­lich nötig?
  6. Man­che der heu­ti­gen Mes­ser­bet­ten sind aller­dings gerad­li­nige Anschläge und nicht so weit umschlie­ßend wie das der „Gra­nate“.
  7. Auf eine mög­li­che Ein­spa­rung bei der Her­stel­lung des Mes­sers, das durch die Klem­mung klei­ner sein konnte und keine Löcher brauchte, ging Fos­ter nicht ein, ebenso wenig auf die Mög­lich­keit der Nach­rüs­tung.

4 Kommentare zu „Das Messerbett“

  1. What an inte­res­t­ing find! Though I spot­ted this patent a long time ago, I didn’t read it. I just stu­died the dra­wings and noti­ced the simi­la­rity with Gra­nate. These early patent publi­ca­ti­ons often have a short text decrib­ing the inven­tion. How won­derful you noti­ced this early anti­ci­pa­tion to a mil­led mount (bed). All pie­ces of the jig­saw puz­zle come tog­e­ther. Com­pli­ments. Your 17th year of Lexi­ka­li­ker has star­ted so well!

  2. Thank you for your com­ment and your kind words, Wow­ter, and for men­tio­ning this patent at the time. I’m glad you find this niche topic inte­res­t­ing too! I have to admit that I only rea­li­sed this anti­ci­pa­tion quite late because it was actually only men­tio­ned in pas­sing (and maybe I had to get to know some other aspects first to notice this mention).

    Yes, little by little the pie­ces of the puz­zle are coming tog­e­ther. But there are still some things to find out, for exam­ple the ori­gin of the point angle. How did the 22° that is com­mon today come about? Was it a ran­dom dimen­sion that was sim­ply main­tai­ned, or were there tests? – It is even recom­mend by the ISZ (Indus­trie­ver­band Schrei­ben, Zeich­nen, Krea­ti­ves Gestal­ten e.V.) in their bro­chure “Which pen­cil shar­pe­ner for which pen­cil?” as 22° ± 1°.

  3. Thank you. How inte­res­t­ing. I remem­ber Henry Pre­tro­ski wrote in his book ‘The Pen­cil’ some­thing on the brea­king of a pen­cil tip at three times the dia­me­ter of the tip. Sci­en­ti­fi­cally sup­ported ;). There must have been exten­sive rese­arch on such an important issue as the tip angle. Simple and yiel­ding a far bet­ter pro­duct. The 22 degrees have been eit­her mathe­ma­ti­cally or by trial and error tho­roughly rese­ar­ched, no dis­cus­sion about that in my view. DIN might give more infor­ma­tion on that.

  4. Thank you for poin­ting me to Petro­ski! I dimly recall his obser­va­tion of the brea­king tip and will have a look. – I wouldn’t be sur­pri­sed if the 22° was the result of exten­sive test­ing. I have just emai­led the ISZ and hope to learn more.

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