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Empire of the Sum

Vor­hin ein­ge­trof­fen und sofort ganz oben auf dem Sta­pel mei­ner zu lesen­den Bücher: „Empire of the Sum – The Rise and Reign of the Pocket Cal­cu­la­tor“, das neue Buch von Keith Hous­ton.

Empire of the Sum

Ich hatte bereits große Freude an sei­nen Titeln „Shady Cha­rac­ters“ und „The Book“, und so bin ich auf „Empire of the Sum“ sehr gespannt. – Dane­ben der HP-32S aus dem Jahr 1988, der heute noch so gut funk­tio­niert wie am ers­ten Tag1.

  1. Ledig­lich etwas Staub kam hin­ter das Glas des Dis­plays; die Strei­fen und die dunk­len Spu­ren sind Refle­xio­nen.

Kurz notiert

  1. Auf die Ori­en­tal San­gyo Co., Ltd., Teil der Tokai Car­bon Co., Ltd., bin ich zum ers­ten Mal bei mei­ner Recher­che zum Pen­tel Black Poly­mer 999 gesto­ßen.
  2. Im Text heißt es „This is the only com­pany in Japan to make pen­cil leads and other car­bon gra­phite items“, doch das wage ich zu bezwei­feln (ver­mut­lich ist es eine Fehl­in­ter­pre­ta­tion der Ein­blen­dung).
  3. Die­ses Video kommt mir jedoch bekannt vor; gut mög­lich, dass es schon älter ist.

Das Messerbett

Es lohnt sich, Patent­do­ku­mente zu lesen. Indem sie jeden Aspekt einer Erfin­dung prä­zise dar­stel­len, schär­fen sie den Blick für kleinste Details. Sie zei­gen auch, wann und wie Dinge, die heute all­täg­lich sind, in die Welt gekom­men sind, und bei man­chen kann man sich nur schwer vor­stel­len, dass sie einst völ­lig neu waren.

Zu letz­te­ren gehört der heu­tige Hand­spit­zer1. Sein Auf­bau wirkt so ein­fach und nahe­lie­gend, dass man sich dar­über wun­dert, wie spät er kam und wie viele aus heu­ti­ger Sicht umständ­li­che Vor­rich­tun­gen zum Spit­zen von Blei­stif­ten ange­bo­ten und benutzt wur­den. Seine Bestand­teile wur­den jedoch getrennt erdacht und fan­den mit gro­ßem zeit­li­chen Abstand zuein­an­der; um einen davon geht es in die­sem Beitrag.

Das Messerbett

Am 20. Juni 1892 mel­dete Jonas R. Fos­ter aus Stone­ham (USA) seine Erfin­dung „Pencil-Sharpener“ beim United Sta­tes Patent Office an und am 28. Februar 1893 wurde sein Patent Nr. 492669 ver­öf­fent­licht2.

Das Messerbett

Hier fällt sofort das „Granate“-Design des abge­bil­de­ten Spit­zers3 auf, doch es geht nicht um die­ses, son­dern um die Befes­ti­gung des Mes­sers. Waren es bei der „Gra­nate“ (1891) und der US-amerikanischen Kopie „Peer­less“ (1892) zwei Schrau­ben, die das Mes­ser hiel­ten4, so hatte Fos­ter die Idee, es zu klem­men5. Dazu nutzte er zwei kleine Plat­ten, die ange­schraubt wur­den, wobei die erste (c) das Mes­ser in Posi­tion hielt und die zweite (d) es an den Spit­zer­kor­pus drückte. Bemer­kens­wert sind seine Anmer­kun­gen zur ers­ten Platte:

It is fur­ther obvious that ins­tead of forming the abut­ment on the plate c, against which the end of said blade abuts, such abut­ment may be for­med on the body a, but such slight varia­tion while coming within the spi­rit and scope of this inven­tion would increase the cost of manu­fac­ture, so that the con­s­truc­tion her­ein pro­vi­ded is I con­sider preferable.

(Her­vor­he­bung von mir.) Was Fos­ter hier vor­schlägt, sollte sich erst einige Jahr­zehnte spä­ter durch­set­zen, näm­lich die fla­che Aus­frä­sung im Spit­zer­kor­pus, die das Mes­ser auf­nimmt, durch Form­schluss am Ver­dre­hen hin­dert und heute als „Mes­ser­bett“ bezeich­net wird6.

Das Messerbett

Damals erschien es ihm jedoch zu teuer in der Fer­ti­gung, so dass er es bei der Erwäh­nung beließ7. – Ob Fos­ters Erfin­dung ver­mark­tet wurde und es andere Patente gab, die sich mit dem Mes­ser­bett befass­ten, bleibt zu klären.

Das Mes­ser­bett ist inzwi­schen üblich, aber es wäre inter­es­sant zu wis­sen, bei wel­chem Hand­spit­zer es zum ers­ten Mal genutzt wurde (die „Gra­nate“ bekam ihres erst in der zwei­ten Hälfte der 1970er Jahre).

Eine Son­der­form ist das kon­kave Mes­ser­bett. In die­sem wird das Mes­ser durch Anzie­hen der Schraube gekrümmt, was der Blei­stift­spitze eine unge­wöhn­li­che Form gibt. Es kam erst­mals 1935 mit dem A.W. Faber Janus 4046 auf den Markt und war etwa zur glei­chen Zeit auch beim Johann Faber Helios 5078 anzu­tref­fen; der 1965 ein­ge­führte Faber-Castell Janus 4048 (im Bild) hatte es ebenfalls.

Das Messerbett

Alle drei Modelle ver­füg­ten ein zwei­schnei­di­ges Mes­ser, doch nur der Janus 4048 bot eine Aus­spa­rung an der Kante des Mes­ser­betts, an dem das Mes­ser anlag, um Schä­den an der Schneide beim Befes­ti­gen des Mes­sers zu ver­mei­den. – Heute ist das kon­kave Mes­ser­bett nur noch beim M+R Pol­lux zu finden.

Nach­trag vom 18.8.23: Es gibt zur­zeit noch einen zwei­ten Hand­spit­zer mit kon­ka­vem Mes­ser­bett, und zwar den Black­wing One-Step Long Point Shar­pe­ner. Die­ser in China gefer­tige Behäl­ter­spit­zer hat einen Spritzguss-Einsatzspitzer mit ver­schraub­tem Mes­ser, das etwas weni­ger stark gekrümmt ist als das des Pol­lux. – Danke an Herrn Ehr­mann für den Hinweis!

  1. Es gibt natür­lich nicht den einen Hand­spit­zer; gemeint ist hier die prin­zi­pi­elle Bau­form mit kegel­för­mi­ger Boh­rung und voll­stän­dig auf­lie­gen­dem, ver­schraub­tem Mes­ser.
  2. Auf die­ses Patent hat mich mein Leser Wow­ter bereits 2016 auf­merk­sam gemacht.
  3. Ver­mut­lich hat Fos­ter die­sen Spit­zer des­halb gezeigt, weil es zu die­ser Zeit kei­nen ande­ren gab, an dem seine Erfin­dung hätte ange­wandt wer­den kön­nen.
  4. Das Patent zur Press­schraube und zwei Stif­ten von Möl­ler & Breit­scheid sollte erst am 30. Novem­ber 1892 – also gut fünf Monate spä­ter – ver­öf­fent­licht wer­den, so dass Fos­ter es noch nicht ken­nen konnte.
  5. Nach Anga­ben Fos­ters ist diese Klem­mung selbst­jus­tie­rend, doch da man das Mes­ser auch schief ein­klem­men kann, habe ich Zwei­fel daran. – Er erwähnt zudem, dass seine Erfin­dung dem Nut­zer die Jus­tage des Mes­sers erspart. War diese wirk­lich nötig?
  6. Man­che der heu­ti­gen Mes­ser­bet­ten sind aller­dings gerad­li­nige Anschläge und nicht so weit umschlie­ßend wie das der „Gra­nate“.
  7. Auf eine mög­li­che Ein­spa­rung bei der Her­stel­lung des Mes­sers, das durch die Klem­mung klei­ner sein konnte und keine Löcher brauchte, ging Fos­ter nicht ein, ebenso wenig auf die Mög­lich­keit der Nach­rüs­tung.

Die Pressschraube

Ein cha­rak­te­ris­ti­sches Merk­mal des als „Gra­nate“ bekann­ten Hand­spit­zers habe ich bis­her nur neben­bei erwähnt, näm­lich die Befes­ti­gung des Mes­sers mit einer Rän­del­schraube und zwei Stif­ten. Diese war – wenn auch nicht von Anfang an – viele Jahr­zehnte üblich, zeich­net die meis­ten der heute noch anti­qua­risch erhält­li­chen Exem­plare aus und ist mei­nes Wis­sens bei kei­nem ande­ren Spit­zer zu fin­den. Doch wann und durch wen kam es dazu? Ant­wor­ten dar­auf lie­fert die­ser Beitrag.

Mit sei­nem am 15. April 1891 ver­öf­fent­lich­ten Patent „Neue­rung an Blei­stift­spit­zern“ erfand Ewald Breit­scheid den Spit­zer, der ab 1901 „Gra­nate“ hei­ßen sollte. Die­ser hatte eine koni­sche Boh­rung und – das war neu – ein voll­stän­dig auf­lie­gen­des Mes­ser, das sich bei Gebrauch nicht abhob, gegen Ver­dre­hen gesi­chert war und zum Schlei­fen oder Aus­tausch leicht abge­nom­men wer­den konnte. Damit kann die „Gra­nate“ als Urform des moder­nen Hand­spit­zers gese­hen werden.

Ein­ein­halb Jahre nach dem Patent Ewald Breit­scheids folgte ein wei­te­res zum Spit­zer, dies­mal unter dem Namen des Unter­neh­mens, das er und Wil­helm Möl­ler 1869, also 23 Jahre zuvor, in Köln gegrün­det hat­ten. Am 22. Juli 1892 mel­de­ten sie beim Schwei­ze­ri­schen Eid­ge­nös­si­schen Amt für geis­ti­ges Eigen­tum ihre Erfin­dung „Blei­stift­spit­zer mit aus­wech­sel­ba­rem durch Press­schraube und Stell­stifte gehal­te­nem Mes­ser“ an und am 30. Novem­ber 1892 wurde ihr Patent Nr. 5335 veröffentlicht.

Die Pressschraube

In der Patent­schrift wird die Erfin­dung wie folgt beschrie­ben1:

Der in der Zeich­nung dar­ge­stellte Blei­stift­spit­zer, Fig. 1, besteht aus einem mit Län­gen­aus­schnitt a ver­se­he­nen Dreh­kör­per b, bei wel­chem auf der einen Seite des Aus­schnit­tes ein Mes­ser c ange­ord­net ist, wel­ches durch eine Press­schraube d fest auf die Auf­la­ge­flä­che gedrückt und durch zwei Stell­stifte e in sei­ner Lage gesi­chert wird. Das Mes­ser kann bei die­ser Anord­nung nach Stumpf­wer­den, resp. nach dem bei wie­der­hol­tem Schlei­fen ein­tre­ten­den Schmä­ler­wer­den nach Ablö­sung der Press­schraube d ent­fernt und gegen ein neues Mes­ser, Fig. 2, aus­ge­wech­selt wer­den, wobei die­ses dann mit­telst der Stell­stifte e ohne jede Regu­li­rung sofort die rich­tige Schneid­lage erhält.

Die Pressschraube

Beim Blick auf die Zeich­nung über­ra­schen die Pro­por­tio­nen; ich denke nicht, dass sie der Rea­li­tät ent­spra­chen. – Die bei­den Schrau­ben wur­den also durch eine Press­schraube2 und zwei Stell­stifte ersetzt. Der Patent­an­spruch fasst es zusammen:

Ein Blei­stift­spit­zer, bei wel­chem in dem Aus­schnitt a des durch einen Dreh­kör­per b gebil­de­ten Gehäu­ses ein aus­wech­sel­ba­res Mes­ser c ange­ord­net ist, wel­ches durch eine Press­schraube d gegen Abhe­ben und durch einen oder meh­rere Stell­stifte e gegen Sei­ten­be­we­gun­gen gesi­chert ist.

Hat­ten vor­her zwei Schrau­ben sowohl für den Kraft- als auch den Form­schluss gesorgt, so über­nah­men die bei­den Stifte letz­te­ren und die Press­schraube drückte nur das Mes­ser an. Zudem ließ sich das Mes­ser leich­ter abneh­men, da statt zwei Schrau­ben nur noch eine gelöst wer­den musste und für diese oben­drein kein Werk­zeug nötig war3.

Und wie pas­sen die­ses Patent und die Mel­dung vom 17. Novem­ber 1892 zusam­men, nach der die Boyd & Abbot Com­pany den in den USA als „Car­tridge“ bekann­ten Spit­zer ver­bes­sert und mit einer „thumb­s­crew“ – also ver­mut­lich Rän­del­schraube – aus­ge­stat­tet hat? Sie erschien keine zwei Wochen vor der Ver­öf­fent­li­chung des Patents von Möl­ler & Breit­scheid, und so hatte man offen­bar unab­hän­gig von­ein­an­der die glei­che Idee (für einen Ver­gleich müsste man natür­lich die Details der Ände­rung durch Boyd & Abbot kennen.)

Die Presschraube

Der Umstand, dass bei die­ser „Gra­nate“4 die Boh­run­gen im Mes­ser deut­lich grö­ßer sind als die Stifte, könnte Zwei­fel am Form­schluss auf­kom­men las­sen. Wich­tig ist aber nur, dass das Mes­ser daran gehin­dert wird, der beim Spit­zen wir­ken­den Kraft aus­zu­wei­chen, sich also vom Blei­stift radial weg­zu­be­we­gen, und das ist gewähr­leis­tet. – Inter­es­sant zu wis­sen wäre, ob man das Mes­ser dadurch etwas dicker machen musste, weil es nur noch in der Mitte gehal­ten wurde und prin­zi­pi­ell die Mög­lich­keit bestand, dass es sich an den Enden zumin­dest leicht anhob.

Die Funk­tion der Stifte über­nahm spä­ter das Mes­ser­bett, was auch die Her­stel­lung des Mes­sers ver­ein­fachte. Die Schraube aber ist geblie­ben5, und so lebt in jedem heu­ti­gen Hand­spit­zer mit ver­schraub­tem Mes­ser die Press­schraube von Möl­ler & Breit­scheid aus dem Jahr 1892 weiter.

  1. Die Schrei­bung ent­spricht der im Patent­do­ku­ment.
  2. Ich benutze die Begriffe „Press­schraube“ und „Rän­del­schraube“ syn­onym. Der erste beschreibt die Funk­tion und der zweite die Form, und auch wenn „Press­schraube“ heute nicht mehr üblich ist, bleibe ich im Zusam­men­hang mit dem Patent dabei.
  3. Ich habe auch schon Exem­plare der „Gra­nate“ gese­hen, deren Schraube gerän­delt und geschlitzt war.
  4. Sie trägt die Kenn­zeich­nung „W.Z. № 507558“, die auf das 1939 ein­ge­tra­gene Waren­zei­chen von Möl­ler & Breit­scheid hin­weist. – Sehr ähn­lich war das Modell 14/I von Möbius+Ruppert aus dem Jahr 1938.
  5. Ihre Form hat sich jedoch über die Jahr­zehnte geän­dert, denn nach der Rändel- kam zunächst eine Schlitz- und dann eine Kreuz­schlitz­schraube (siehe „Gene­ra­tio­nen­tref­fen).

Der Ursprung der „Granate“

Ein neuer und in mehr­fa­cher Hin­sicht bemer­kens­wer­ter Fund zur Geschichte des Hand­spit­zers „Gra­nate“ führt in das Jahr 1890 und damit noch wei­ter zurück als bisher.

Am 6. Okto­ber 1890 mel­dete Ewald Breit­scheid aus Köln beim Schwei­ze­ri­schen Eid­ge­nös­si­schen Amt für geis­ti­ges Eigen­tum seine Erfin­dung „Neue­rung an Blei­stift­spit­zern“ an und am 15. April 1891 wurde sein Patent Nr. 2894 veröffentlicht.

Der Ursprung der „Granate“

Darin heißt es ein­lei­tend1:

Der nach­fol­gend beschrie­bene neue Blei­stift­an­spit­zer ist dadurch cha­rak­te­ri­sirt, dass er dem Mes­ser, wel­ches zum Zwe­cke des Schlei­fens leicht abge­nom­men und wie­der ange­setzt wer­den kann, eine voll­stän­dig feste Auf­la­ge­flä­che bie­tet, so dass das Mes­ser beim Schnei­den nicht vibri­ren kann und eine schöne glatte Flä­che herstellt.

Das Doku­ment schließt mit dem Patentanspruch:

Ein Blei­stift­an­spit­zer, bestehend aus dem mit koni­scher Boh­rung k und Sei­ten­aus­schnitt e, d ver­se­he­nen Gehäu­se­man­tel a, des­sen Aus­schnitt so ange­ord­net ist, dass der­selbe eine zur Boh­rung des Konus k nahezu tan­gen­tial ver­lau­fende Flä­che d besitzt, auf wel­cher das Mes­ser f durch Schrau­ben g, h befes­tigt ist.

Der paten­tierte Spit­zer ist also der erste, der über ein voll­stän­dig auf­lie­gen­des Mes­ser ver­fügt. Die koni­sche Boh­rung wird zwar nicht als für die Erfin­dung cha­rak­te­ris­tisch auf­ge­führt, aber im Patent­an­spruch erwähnt (ob der Schutz auch für diese galt, bezweifle ich, denn mei­nes Wis­sens gab es sie bereits 1852 beim „Pen­cil Cut­ter and Shar­pe­ner“ von A. Marion & Co.2). Damit hat Ewald Breit­scheid den moder­nen Hand­spit­zer erfun­den3.

Die Beschrei­bung des Spitz­vor­gang könnte – abge­se­hen von der Schreib­weise – heute ver­fasst wor­den sein:

Beim Ein­füh­ren eines neuen Blei­stifts in die Boh­rung i gelangt das­selbe zuerst an den unte­ren Theil der Schneid­kante des Mes­sers f und wird nun durch Dre­hen und Hin­ein­drü­cken in den Konus k ver­jüngt und zuge­spitzt, so dass es immer tie­fer in den Konus k hin­ein­dringt und von einem immer grö­ße­ren Theil des Mes­sers bear­bei­tet wird.
Nach­dem das Holz des Bleis dann in die­ser Weise den gan­zen Konus durch­lau­fen hat, gelangt die Blei­ein­lage allein in die Durch­boh­rung l und wird nun hier von dem obers­ten Theil der Schneid­kante völ­lig zuge­spitzt, womit die ganze Ope­ra­tion been­det ist.

Und wie sah der Spit­zer aus? Diese Zeich­nung gibt Aufschluss.

Der Ursprung der „Granate“

Das ist die Geburts­ur­kunde des Spit­zers, der gut zehn Jahre spä­ter den Mar­ken­na­men „Gra­nate“4 bekom­men und unter die­sem bekannt wer­den sollte.

Moment, wer­den jetzt einige sagen, das Patent stammt doch aus der Schweiz, und Ewald Breit­scheid kam aus Deutsch­land. Gab es kein deut­sches Patent? Nein, das gab es nicht, denn die Jahre von 1884 bis 1894 waren eine patent­amts­lose Zeit in Deutsch­land, und so wichen Erfin­der auf benach­barte Län­der aus. Beliebt waren die Schweiz und Däne­mark, und so kam Ewald Breit­scheid zu einem Schwei­zer Patent (der Schutz bestand dann auch nur in der Schweiz).

Für die Posi­tio­nen und die voll­stän­dige Beschrei­bung ver­weise ich auf das Patent­do­ku­ment, doch zwei Punkte seien her­vor­ge­ho­ben, da diese schon recht bald nach Ertei­lung des Patents geän­dert wurden:

  • Der Aus­schnitt im Kör­per des Spit­zers ist recht­wink­lig, wobei die eine Flä­che bei­nahe senk­recht und die andere nahezu tan­gen­tial zur koni­schen Boh­rung verläuft.
  • Zu den bei­den Schrau­ben, mit denen das Mes­ser befes­tigt ist, wird vor­ge­schla­gen, dass man sie „zweck­mä­ßig etwas groß macht und an der Seite des Kop­fes mit klei­nen Rie­fen oder Ril­len ver­sieht, damit man sie und somit auch das Mes­ser ein­fach durch Hand lösen und ent­fer­nen kann“.

Gegen Ende geht es um die Gestal­tung für eine sichere Hand­ha­bung des Spitzers:

Um den Blei­stift­an­spit­zer beim Arbei­ten gut hal­ten zu kön­nen, ist der­selbe auf der äus­se­ren Flä­che mit Hohl­keh­len und kreuz­weise ange­ord­ne­ten Rie­fen oder Ril­len ver­se­hen, wie diess Fig. 1 und 2 zeigt; doch kann natür­lich für die­sen Zweck auch jede belie­bige andere Methode gewählt werden.

Damit kam – eigent­lich neben­bei – ein typi­sches Merk­mal der „Gra­nate“ in die Welt, das seit­dem unver­än­dert ist, näm­lich die vier Rän­de­lun­gen5. Auch die für die Funk­tion des Spit­zers eben­falls nicht not­wen­dige Ver­jün­gung am Ende blieb erhalten.

Wäh­rend also der zen­trale Aspekt des paten­tier­ten Spit­zers – das voll­stän­dig auf­lie­gende Mes­ser – zum Stan­dard wurde, ist sein Design, das nicht zum Patent­an­spruch gehörte, auch heute noch etwas Einzigartiges.

Han­delt es sich bei der unter „Reise ins 19. Jahr­hun­dert“ gezeig­ten „Gra­nate“ um das ursprüng­li­che Modell? Vie­les spricht dafür.

Der Ursprung der „Granate“

Es fällt jedoch sofort auf, dass das Mes­ser und die Schrau­ben­köpfe etwas anders geformt sind. Ich kann mir vor­stel­len, dass die untere Ecke des Mes­sers stö­rend über die Rän­de­lung her­aus­ge­ragt hat und und daher schon früh abge­run­det wurde6. Bei den Schrau­ben wird man schnell erkannt haben, dass sie auf­grund ihrer Größe selbst mit Ril­len nicht gut von Hand zu betä­ti­gen sind, und hat sie ein­fa­cher ausgeführt.

Der Ursprung der „Granate“

Beim Blick auf den Stift­ein­lass in der Zeich­nung über­rascht des­sen gerin­ger Durch­mes­ser. Mich würde nicht wun­dern, wenn er zu klein gera­ten wäre, denn der gra­fisch ermit­telte Spitz­win­kel beträgt gerade ein­mal 14°7. Alle ande­ren Maße stim­men pro­por­tio­nal weit­ge­hend mit denen der alten „Gra­nate“ überein.

Und wie unter­schei­det sich die aktu­elle von der Ur-„Granate“?

Der Ursprung der „Granate“

Die moderne „Gra­nate“, heute von Möbius+Ruppert in Erlan­gen gefer­tigt, ist mit 15 mm genau so dick wie die alte, aber bei fast gleich­lan­gem Mes­ser 5 mm kür­zer und etwa 20% leich­ter. Das Mes­ser liegt in einem Bett8, so dass es durch Form­schluss vor dem Ver­dre­hen geschützt ist und eine Schraube aus­reicht. Der Aus­schnitt ist 120° statt 90° groß, wodurch die Späne bes­ser abflie­ßen kön­nen, und durch die drei­mal so große Aus­tritts­öff­nung las­sen sich Holz- und Minen­reste leich­ter ent­fer­nen. Die Rän­de­lun­gen sind etwas fei­ner und die Nuten schma­ler und fla­cher, so dass der Spit­zer gefäl­li­ger ist; dazu trägt auch das bün­dig abschlie­ßende Mes­ser bei. Doch trotz die­ser Ver­bes­se­run­gen ist ihr Cha­rak­ter geblie­ben, und so hätte man die neue „Gra­nate“ auch 1891 sofort erkannt9.

Wie so oft blei­ben Fra­gen. Wer hat den Spit­zer von Ewald Breit­scheid damals her­ge­stellt?10 Gibt es deutsch­spra­chige Ver­öf­fent­li­chun­gen aus der dama­li­gen Zeit, in der für ihn gewor­ben wurde? Wel­che Erfah­run­gen und Über­le­gun­gen führ­ten wann zu den kon­struk­ti­ven Ände­run­gen?11

Auch wenn die zen­trale Frage zur Geschichte der „Gra­nate“ jetzt beant­wor­tet sein dürfte12, so bleibt es doch interessant!

  1. Die Schrei­bung ent­spricht der im Patent­do­ku­ment.
  2. Damit ist die Behaup­tung im Stadt­le­xi­kon des Stadt­ar­chivs Erlan­gen wider­legt, Theo­dor Paul Möbius (1868–1953) habe im Jahr 1908 den kegel­för­mig gebohr­ten Blei­stift­spit­zer erfun­den.
  3. Zuwei­len wird Wal­ter Kitt­redge Fos­ter aus Ban­gor, Maine (USA) als Erfin­der des Hand­spit­zers bezeich­net, doch sein an einen Ker­zen­lö­scher erin­nern­des Gerät aus dem Jahr 1855 (man­chen Quel­len zufolge 1851) hatte keine koni­sche Boh­rung und ein ein­ge­gos­se­nes Mes­ser.
  4. Eine zweite Anmel­dung des Namens erfolgte 1939.
  5. Oder die Rän­de­lung mit drei Nuten (der Begriff „Hohl­kehle“ passt mei­ner Ansicht nach hier nicht). – Spä­tere Vari­an­ten der „Gra­nate“ für dickere Stifte hat­ten nur drei Rän­de­lun­gen.
  6. Viel­leicht geschah dies auch erst durch den Benut­zer; die etwas unsau­bere Ver­run­dung könnte dafür spre­chen.
  7. Zum Ver­gleich: Der Spit­zer mit dem zur­zeit kleins­ten Win­kel, der KUM Mas­ter­piece, kommt auf 16°.
  8. Auf­grund der durch das Bett geän­der­ten Lage des Mes­sers sitzt der Stift­ein­lass, der immer noch einen Durch­mes­ser von 8 mm hat, außer­mit­tig.
  9. Die hel­len Stel­len las­sen ver­mu­ten, dass die alte „Gra­nate“ eben­falls aus Mes­sing ist (die Patina werde ich nicht ent­fer­nen). – Hin und wie­der liest man, die alte „Gra­nate“ wäre aus Muni­tion gefer­tigt wor­den, doch das ist natür­lich Unsinn.
  10. Man kann davon aus­ge­hen, dass Möl­ler & Breit­scheid den Spit­zer nur ver­trie­ben, aber nicht pro­du­ziert hat, denn das von Wolf­gang Möl­ler und Ewald Breit­scheid 1869 gegrün­dete und 1975 auf­ge­löste Unter­neh­men lief als Schreibwaren-Großhandel und hatte keine eigene Fer­ti­gung.
  11. Hat man den Aus­schnitt ver­grö­ßert, um die Späne leich­ter abflie­ßen zu las­sen oder um die spä­ter genutzte Rän­del­schraube bes­ser grei­fen zu kön­nen? Warum sind jetzt beide Sei­ten des Aus­schnitts geneigt? Wurde der Stift­ein­lass und dadurch der ganze Spit­zer ver­kürzt, weil man fest­ge­stellt hat, dass der Blei­stift auch so aus­rei­chend geführt wird und man damit Mate­rial spa­ren konnte? Warum hat man die Aus­tritts­öff­nung grö­ßer gemacht?
  12. Damit ist mein Bei­trag zur „Gra­nate“ im Buch Sta­tio­nery Fever“/„Schreibwaren“ (2016) in Tei­len über­holt.

Der sprechende Bleistift

Einen Blei­stift der beson­de­ren, näm­lich der spre­chen­den Art bewar­ben die Gebrü­der Rich­ter aus Leip­zig im Jahr 19251 mit die­ser Anzeige.

Der sprechende Bleistift

Der als „ein­zige Über­ra­schung auf dem Weih­nachts­tisch“ ange­prie­sene Füll­blei­stift2 hatte einen inte­grier­ten Radio­em­pfän­ger, für den man nur einen Kopf­hö­rer, aber nicht das „Bei­werk der sonst übli­chen Zube­hör­teile“ brauchte. Ich gehe davon aus, dass im „Radio­pen“ ein Detek­tor­emp­fän­ger steckte, denn die­ser benö­tigte keine eigene Strom­ver­sor­gung und ließ sich gut minia­tu­ri­sie­ren; „Gas-, Wasser- und Klin­gel­lei­tung, Bal­kon­ge­län­der, Kla­vier usw.“ dien­ten als Antenne und Erdung. Aller­dings bezweifle ich, dass man ihn auf­grund der Anschlüsse gleich­zei­tig und kom­for­ta­bel als Schreib­ge­rät und als Radio nut­zen konnte (und ver­mut­lich zeigte man in der Anzeige letz­te­res, weil man dabei eine wesent­lich gemüt­li­chere Posi­tion ein­neh­men konnte).

  1. Angabe das Anbie­ters.
  2. Wohl ein Dreh­blei­stift.

Kurz notiert

  • Die kürz­lich ver­öf­fent­lich­ten Patente „Mecha­ni­cal Pen­cil“ und „Mecha­ni­cal Pen­cil“ (ja, die hei­ßen beide so) zei­gen Details zum Druck­blei­stift Kuru Toga Dive von Mitsubishi/uni Japan. – Danke an Wow­ter für den Hinweis!
  • Für mich eine über­aus erfreu­li­che Ent­de­ckung ist das sehr lesens­werte Buch „Akten­kunde“ von Harald Rös­ler, erschie­nen 2015 bei Redi­roma1. Neben zahl­rei­chen Details zur Arbeit mit Akten ent­hält es umfang­rei­che Infor­ma­tio­nen zu Büro­ge­rä­ten und -mate­rial zum Lochen, Hef­ten, Bin­den und Orga­ni­sie­ren, aber auch zu Schreib­stof­fen und zur Ver­viel­fäl­ti­gung; dar­über hin­aus bie­tet es viele Abbil­dun­gen his­to­ri­scher und aktu­el­ler Büro­tech­nik. – Von die­sem Buch erfah­ren habe ich durch den Arti­kel „Akten sind bunt: Farb­stifte und ihr Wert für die Archiv­ar­beit“ im Web­log „Akten­kunde“. Danke an Kind7 für die Erwäh­nung des Arti­kels sowie an Jörg für seine Hin­weise auf die Rezen­sion die­ses Buchs und die Lese­probe!
  • Ganz neben­bei habe ich erfah­ren, dass Faber-Castell bereits 2017 die Pro­duk­tion sei­nes grü­nen Kopier­stifts ein­ge­stellt hat (der gelbe wurde schon lange davor aus dem Sor­ti­ment genom­men). Damit sind der rote, der blaue und der rot-blaue die letz­ten in Deutsch­land her­ge­stell­ten Ver­tre­ter die­ser Gat­tung2. – Von LYRA gibt es noch den Blei-Kopierstift 334 und den Ganz­ko­pier­stift 334 S, doch bei die­sen han­delt es sich um Zim­mer­manns­blei­stifte3.
  • Hin und wie­der schaue ich nach, ob es ältere Pro­dukte noch gibt. So war ich über­rascht, dass der Langkonus-Spitzer KUM 400-5L noch ange­bo­ten wird, aber die Mitte 2019 vor­ge­stell­ten Mes­sing­spit­zer 300-1 und 300-2 offen­bar nicht mehr. Ich habe wegen letz­te­rer auch bei KUM ange­fragt, aber lei­der keine Ant­wort bekommen.
  1. Ich hatte zunächst das Taschen­buch, fand das aber wegen des arg schma­len Bund­stegs nicht so gut les­bar und habe dann zur gebun­de­nen Aus­gabe gegrif­fen.
  2. Kopier­stifte gel­ten wegen der zuge­setz­ten Farb­stoffe als gif­tig. Faber-Castell hat jedoch bereits 1992 die Rezep­tu­ren sei­ner Kopier­stifte geän­dert und ver­wen­det seit­dem nur noch Farb­stoffe, die auch in der Lebensmittel- und Kos­me­tik­in­dus­trie ein­ge­setzt wer­den, so dass die Stifte unbe­denk­lich sind. Diese neuen Kopier­stifte las­sen sich leicht iden­ti­fi­zie­ren, denn 1993 hat sich Faber-Castell von der Waage als Bild­marke getrennt; Kopier­stifte ohne diese haben also eine Mine nach neuer Rezep­tur. – Inter­es­sant zu wis­sen wäre, ob (und wenn ja, wie) sich dadurch die Gebrauchs­ei­gen­schaf­ten ver­än­dert haben.
  3. Ich weiß auch nicht, ob diese noch hier gefer­tigt wer­den, denn seit der Über­nahme von LYRA durch FILA im Jahr 2008 kom­men viele LYRA-Stifte aus China.

Bleistifthölzer (5)

Unter dem Namen „ModSharp“ betrei­ben Caran d’Ache und die Höhere Fach­schule für Holz in Biel (Schweiz) seit Anfang 2019 ein Pro­jekt mit dem Ziel, ein in der Schweiz hei­mi­sches Holz nebst Ver­ar­bei­tungs­pro­zess zu fin­den, das für Blei­stifte geeig­net ist. Das Pro­jekt soll im Juni die­ses Jah­res abge­schlos­sen sein. Wei­tere Details lie­fert der ver­linkte Arti­kel „ModSharp bringt mehr Schweiz in den Blei­stift“, erschie­nen im Bie­ler Tag­blatt vom 27.11.20. – Laut „Die Caran d’Ache Saga – Von Genf in die Welt“ von Ralph Brüh­wi­ler will Caran d’Ache bis 2028 20% sei­ner Stifte aus Schwei­zer Holz herstellen.


Das Holz die­ses Wer­be­blei­stifts („Durch-die-Bank-gut.de RUNGE®“) kann ich nicht iden­ti­fi­zie­ren. Es ist ver­gleichs­weise hart, hat kein für mich erkenn­ba­res Aroma und lässt sich in der Gra­nate recht gut spitzen.

Bleistifthölzer (5)

Die Angabe „Zert.-Nr. SGS-COS-1579“ auf dem Stift hilft mir auch nicht wei­ter (gut mög­lich, dass hier ein Feh­ler vor­liegt, denn „COC“ – Chain of Cus­t­ody, Pro­dukt­kette – würde bes­ser pas­sen). Kann meine geschätzte Leser­schaft etwas zum Holz und der Kenn­zeich­nung sagen? – Danke an Jean für die­sen Bleistift!


Der Arti­kel „What Wood are Pen­cils Made of?“ bei Pen Vibe schaut auf 14 Höl­zer und deren Eig­nung für Bleistifte.

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