Vor wenigen Tagen habe ich das vierte Set aus der Reihe „Les Crayons de la Maison Caran d’Ache“ vorgestellt. Dabei sind mir ein paar Dinge aufgefallen:
- Das Sternchen in „Aussergewöhnliche Holzarten* für eine exklusive Kollektion“ im Faltblatt verweist auf Pressholz.
- Die Bleistifte haben kein für mich wahrnehmbares Aroma.
- Das Gewicht der Bleistifte schwankt nicht in dem Maß, wie es die Dichten der aufgeführten Hölzer erwarten lassen.
- Selbst mit der Lupe kann ich bei keinem der Bleistifte die für einen aus Brettchen hergestellten Bleistift typischen Trennlinien erkennen.
- Die Beziehung zwischen den im Faltblatt genannten Edelhölzern und den Bleistiften ist mir unklar.
Während ich geduldig und zuversichtlich auf eine Nachricht von Caran d’Ache warte – ich hatte um einen Kommentar zu meinen Beobachtungen gebeten –, habe ich mich weiter mit den Stiften befasst. Heute früh war ich in meinem Labor, in dem ich zuweilen auch kleine Mahlzeiten zubereite, um das Exemplar „Silberpappel“ aus dem zweiten Set einer eingehenden hydrothermischen Behandlung zu unterziehen1.
Nach gut zehn Minuten auf großer Flamme habe ich den Bleistift herausgenommen und im noch warmen bis heißen Zustand leicht gekrümmt. Dabei entstand an der Spitze ein Spalt, von dem aus ich den Stift in zwei Hälften zerlegen konnte. Ich fand es bemerkenswert, wie stark sich diese Hälften biegen ließen, ohne dass sie brachen.
Ich konnte feststellen, dass das Schaftmaterial schichtförmig aufgebaut ist. Beim Trennen der Schichten, deren Flächen silbrig glänzten, fielen mir zudem Fäden ähnlich denen eines Klebstoffs auf.
Beim Zerkleinern der einen Hälfte kochte die andere weiter vor sich hin. Als ich letztere aus dem Wasser nahm, war sie al dente und sehr biegsam, und die etwa 0,6 bis 0,9 mm dicken Schichten ließen sich nun noch leichter voneinander trennen. Nach dem Erkalten war das Material wieder steifer. – Doch was soll diese Albernheit?
Caran d’Ache spricht in den Faltblättern der „Les Crayons de la Maison“-Sets von „aussergewöhnliche[n] Holzarten“ und nennt jeweils vier. Daraus haben ein paar Bekannte und ich geschlossen, die Bleistifte wären aus den genannten Hölzern gefertigt worden, und auch so mancher Händler scheint sich dessen sicher zu sein:
- „Die Bleistifte sind aus folgenden Hölzern hergestellt worden: Azobe aus Afrika […]“ (Bürowelt Schiff)
- „Bleistifte aus 4 aussergewöhnlichen Holzarten: Graupappel […]“ (Zumstein)
- „Nur ausgewählte Holzarten mit FSC- und OLB-Zertifikat kommen hier zum Einsatz: Graupappel […]“ (Bethge Hamburg)
- „Set aus 4 Bleistiften aus verschiedenen feinen Edel-Hölzern: Afrikanisches Ayous […]“ (Trixie Gronau)
- „Gefertigt werden die vier Bleistifte aus Amerikanischer Walnuss, […]“ (Bethge Hamburg)
- „Les Crayons de la Maison Caran d’Ache is an exotic pencil set featuring four individual pencils crafted out of four rare species of wood […] The woods used in this set are Macassar Ebony […]“ (pencils.com)
- „This fourth edition contains pencils made from the following rare and precious woods: Indian Poplar […]“ (pencils.com)
- „This, the third set in the range, is a set of 4 pencils and includes one each of the following woods: Grey Poplar […]“ (CultPens)
Inzwischen zweifle ich jedoch daran, vor allem aufgrund des Hinweises auf Pressholz in den Faltblättern des zweiten und vierten Sets. Doch welches Material ist es dann? Im Faltblatt des ersten Sets – und nur dort – steht:
Die Bleistifte von Caran d’Ache verdanken ihre Besonderheit einer passionierten Suche nach feinen Edelhölzern und sind das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen der Genfer Manufaktur und dem italienischen Spezialisten für Holzbearbeitung.
(Darüber, dass dieser Satz später nicht mehr auftaucht, will ich nicht spekulieren.) Ich bin schon damals in den Artikelbeschreibungen einiger Anbieter auf den Namen ALPI gestoßen2, habe dieses Detail aber erst jetzt verfolgt. Ist ALPI dieser Spezialist? Zum ALPI-Produkt ALPIlignum heißt es:
ALPIlignum is ALPI’s reconstituted wood […] A family of products made from composite wood. ALPIlignum can reproduce naturally-occurring species and maintain their patterning through changes in colour and the creation of imaginative designs. ALPIlignum may be applied to any surface and can be manufactured to different thicknesses depending upon intended use.
Die Design-Vielfalt ist beeindruckend: Wer auf die „Wood Collection“ und dort über „Did not find your wood?“ zur „Design Collection“ geht, findet bemerkenswerte Muster. Auch die Beschreibung von ALPIkord klingt interessant:
ALPIkord is a line of new generation pre-finished woods, created to enhance and bring out the natural character of wood by offering natural textures and aesthetic impact to a previously unprecedented degree.
Die ALPIkord-Broschüre führt übrigens drei der vier Holzbezeichnungen des ersten Sets auf. – Ebenfalls aufschlussreich sind die Details zum Produktionsprozess bei ALPI.
Die Angaben von ALPI und die Schichten des gekochten Stifts könnten dem Satz „Aussergewöhnliche Holzarten* für eine exklusive Kollektion“ und erst recht dem englischen „An exclusive collection made with essences* of noble woods“ eine ganz andere Bedeutung geben. Hätte ich mich auch hier an die Regel gehalten, dass man auch auf das achten soll, was nicht gesagt wird, wären mir die Ungereimtheiten schon früher aufgefallen.
Wenn Caran d’Ache tatsächlich ALPIlignum verwendet hat, so haben die Stifte der „Les Crayons de la Maison“-Sets einen Schaft aus gefärbten und verleimten Schichten von Pappel oder Ayous3, und das würde meiner Ansicht nach weder zur Aufmachung noch zum Preis des Produkts passen.
- Le Bouillon de la Maison Lexikaliker.↩
- Siehe z. B. Skripta Paris, Kadmium und Embelezzia.↩
- Auch als Abachi bekannt.↩
Incredible work Gunther!
In my mind’s eye I’m picturing the executives meeting to decide whether to use this „woodstuff“ and hope no one notices the wording in the product literature, or just to use the natural wood. Everyone votes to use the woodstuff, but someone is in the back of the room shaking his head and saying to himself: „you know if we do this then there’s going to be some guy, with one of these blogs, who’s going to start boiling the pencils or something and take them apart…then figure out what they’re really made of…“ :)
Eine tolle Untersuchung. Vielen Dank.
Was passiert denn wenn man sich ein Zedernsüppchen kocht? Trennt sich das Holz bei ähnlicher Behandlung bei den Jahresringen auf oder bleibt es (vermutlich) bei einer Aufspaltung in zwei Hälften?
Split pencil soup?
While the chef deserves accolades, the base ingredients are lacking in quality.
Thank you for a great investigation.
Tolle Untersuchung! Was da alles herauskommt. Die Bleistifte aus „Schichtholz“ finde ich sehr schön. In ihnen steckt wohl mehr Innovation,Technologie und Aufwand als in Bleistiften, die meinetwegen in luxuriösem Mahagoni oder Wüsteneisenholz gebettet sind. Dass die Hersteller zögern dies alles in der Produktebeschreibung daszulegen verstehe ich. Trotzdem bin ich gespannt wie die Untersuchung weitergeht!
Sean: Thank you! – I hope that there was at least one at Caran d’Ache who felt uneasy with the marketing of these pencils. Maybe there have even been two sides, one voting for the current marketing and the other voting for a transparent marketing, i. e. disclosing the manufacturing method, its innovative aspects and its potential. Maybe someone has suggested the creation of fantasy woods (how about „Psychedelic Zebrano“?) or colour combinations which resemble e. g. flags (like red and white for Switzerland). However, I am not so sure if they have really thought about one who boils one of these pencils ;-)
Matthias: Danke! Ich habe heute einen knapp 8 cm langen STAEDTLER Mars Lumograph 2B eine halbe Stunde gekocht. Der Lack hat dabei Blasen geworfen und an der Minen gab es eine graue Schicht (vermutlich ist das zur Imprägnierung genutzte Paraffin ausgetreten), aber die Hälften haben sich nicht voneinander gelöst.
Stephen: Thank you! However, I think that the base ingredients are lacking in quality only if one draws the wrong conclusions. The ALPI products seem to be of good quality and offer impressive uses so a pencil made from these doesn’t need to be of inferior quality.
Waltraut: Danke! Ich sehe das ähnlich. Schichtholz birgt zudem ein größeres Gestaltungspotential als klassische Bleistifthölzer. Sollte tatsächlich Material von ALPI verwendet worden sein, so wäre es auch mir ein Rätsel, warum man das nicht offen nennt, ja sogar bewirbt, und dessen Möglichkeiten auch für anderes nutzt. Man könnte z. B. Phantasiehölzer erfinden (ich schlage „Psychedelic Zebrano“ vor) oder Bleistifte in Nationalfarben produzieren (wie Rot und Weiß für die Schweiz).
Ja, gut mal zu wissen, daß so ein Lumograph in die Kochwäsche kann. Einige Kugelschreiber bekommt man derweil schon bei 30° tot. Die Stifthersteller sind ja immer etwas sparsam mit Waschanleitungen, alles muß sich der lonesome blogger mühsam selbst erarbeiten. Da könnten sie von der Textilindustrie noch viel lernen. Bin schon gespannt auf die Bügel- und Trockner-Testreihen.
Bravo Gunther! I would never have dared! And the results are so interesting. I wonder what happens when „normal“ pencils are boiled enough – do I understand correctly that the Lumograph did not come apart even after 30 minutes, whereas the Caran d’Ache did after 10 minutes? Will even regular wood come apart in strips if they are left to boil longer?
Drainspotter: Nicht nur als „Held der Hausarbeit“, wie mich meine Familie gerne und zutreffend bezeichnet, habe ich mich über diesen Erkenntnisgewinn ebenfalls sehr gefreut, auch wenn ich angesichts der wenig attraktiven Veränderung des Lacks wohl von einer derartigen Pflege meiner Schreibgeräte absehe. Ja, die Pflegeanleitungen auf den Bleistiften sind in der Tat recht knapp (manche Hinweise wie z. B. „Nass in Form ziehen“ halte ich allerdings für entbehrlich).
Sola: Thank you! You are asking an interesting question. Although I am sure that regular wood won’t come apart in strips like the Caran d’Ache pencil I wouldn’t be surprised if a log would be separated at the annual rings if it is exposed to heat and moisture. However, I am no wood expert so I can only guess. – To me there is strong evidence that the Caran d’Ache pencils are made from laminated wood. This wood is made from thin sheets glued together, and if the glue is destroyed the sheets come apart.
Maybe you could e-mail them and ask for a replacement? I mean, there is nothing on the packaging that says you shouldn’t boil the pencils; fair is fair. :)
You’re right! I have just inspected the packaging again and haven’t found any warnings. They should have included at least this laundry symbol:
It is to be feared that they may object to my request for a replacement with reference to the intended use of the pencil ;-) However, I don’t think that they will refer to common sense after looking at the first photo :-Þ
Der gekochte Lumograph schaut aber noch gut aus. Danke für diese interessante Recherche.
Bitte, gerne! Ja, der Lumograph hat sich gut gehalten. Zwar hat sich der Lack gelöst – man kann ihn jetzt mit dem Fingernagel abkratzen –, aber das Holz, die Mine und die Verleimung haben die Behandlung gut überstanden.
Excellent research. What better approach to this mystery than cooking these fascinating pencils to recover their true identity. Gunther, I nominate you for a global prize for creative, mindblowing research!
By the way: For all you wood lovers. There are rings made out of real wood to celebrate life (your love or whatever). Made from old furniture (real wood). See: http://timberring.nl/collectie/trouwringen/ . Zebrano (sorry not the psychedelic version) is among the possibilities!
Thank you for your kind words, Wowter! Thank you also for making me aware of the wood rings – they look really beautiful.
Ich finde das bemerkenswert ehrlich: „Die Bleistifte von Caran d’Ache verdanken ihre Besonderheit einer passionierten Suche nach feinen Edelhölzern“.
Den nächsten Satz „Wir haben keine gefunden und dann etwas ganz anderes verwendet“ haben sie halt vergessen, kann doch passieren.
So kann man das allerdings auch sehen!
Vielen Dank für die viele Mühe!
Ich habe vor dem Kauf offensichtlich nicht das (eingeschweisste) Kleingedruckte gelesen und dachte, aussergewöhnliche Holzarten zu erwerben. Schade, dass CdA nicht den Mut aufbringt, die Käufer über das Produkt zu unterrichten. Sowohl der Hersteller als auch der („Fach-„) Händler haben mein Vertrauen verlorern. Das ist für mich die einzige Möglichkeit, mich zu wehren.
Bitte, gerne! Auch wenn das Ergebnis nicht sonderlich erfreulich war, so hat es doch Freude gemacht, eine mögliche Erklärung für die Unstimmigkeiten gefunden zu haben. – Ich denke auch, dass Caran d’Ache hier ganz anders hätte auftreten können, und wäre nicht überrascht, wenn dieses Vorgehen innerhalb des Unternehmes kontrovers diskutiert worden wäre. Den Händler würde ich hier allerdings in Schutz nehmen, ist er doch ebenso Leidtragender wie der Kunde.
http://www.lexikaliker.de/2014/11/nach-art-des-hauses/#identifier_1_1545
translated to English using
http://www.bing.com/translator/?ref=MSTToolbar
Greetings from Canada!
Excellent searching Gunther! Thank you for illuminating this play on words.
The evidence is so interesting.
It’s true „The ALPI products seem to be of good quality and offer impressive uses so a pencil made from these doesn’t need to be of inferior quality.“ And „Plywood also poses a greater potential of design as a classic pencil woods. Should in fact material from ALPI have been used, it would also me a puzzle, why they are not openly called that, …“
And AndreasP November 28, 2014, 12:45 is right “ „I think it’s remarkably honest: „Pencils Caran d‘ Ache owe their peculiarity a passionate search for fine woods“. They have forgotten the next set „We found none and then used something else“ just may yet happen. “
The irony is found at Caran d’Ache From Wikipedia, where the origin of this satire is explained.
„Caran d’Ache was the pseudonym of the 19th century French satirist and political cartoonist Emmanuel Poiré … . „Caran d’Ache“ comes from the Russian word karandash, meaning pencil … “
Still, they are beautiful woodcase pencils, unique design that are like nothing done before, aren’t they?
Irvine, thank you for your comment and your kind words. Yes, they are still beautiful woodcase pencils with unique designs, but the declaration (or the lack of it) leaves a rather unpleasant aftertaste (at least to me). They could have marketed these pencils totally different, namely selling them as what they really are, and pointing out the many benefits of this technology and its possible uses (e. g. pencils in the colours of a corporate design or of flags). – I am eager to see Caran d’Ache stand at the Paperworld and what they say about these pencils.
Hallo.
Ah, I see that exhibition runs January 31 -February 3. Yes, we’ll all be interested in their response to what they say about the materials used in these pencils. Best wishes for success. Looking forward to your report here.
Mach’s gut.
Danke
I will ask them but I don’t think that I will meet someone from the development department. – I hope to be able to write something about the Paperworld!
Das fünfte Set ist das erste, auf dessen Karton Pressholz erwähnt wird (zum Vergrößern anklicken):
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