Kultur

Herr Zahl

Mir ist ein klei­ner Kerl ans Herz gewach­sen. Begeg­net bin ich ihm auf Seite 72 des Buches „deco­de­u­ni­code“1, wo er sich zusam­men mit sei­nen Kol­le­gen aus aller Welt prä­sen­tierte und mir sofort ins Auge fiel. Er wurde mir schlicht als „POSTAL MARK FACE“ vor­ge­stellt (sei­ne Berufs­be­zeich­nung, wie ich spä­ter erfuhr), und wenige Sei­ten spä­ter fand ich sein hei­teres Kon­ter­fei auf dem ihm zuge­wie­se­nen Platz U+3020 im Unicode-Standard.

Herr Zahl

Sein bür­ger­li­cher Name lau­tet ナンバー 君, denn er kommt aus Japan; über­setzt man die­sen, erhält man „Number-kun“ im Eng­li­schen und „Herr Zahl“2 im Deut­schen. Herr Zahl er­blickte 1968 das Licht der Welt und wurde schlag­ar­tig berühmt – so berühmt, dass ihm die japa­ni­sche Post gleich einige Brief­mar­ken wid­mete (die im Foto stam­men aus der Zeit zwi­schen 1968 und 1973).

Herr Zahl

Doch was war der Grund für sei­nen Ruhm? Es war die ver­ant­wor­tungs­volle Auf­gabe, die er unmit­tel­bar nach sei­ner Geburt über­nahm und die auch seine unge­wöhn­li­che Kopfbede­ckung erklärt.

Bis 1968 gab es in Japan keine Post­leit­zah­len. Als diese – zunächst drei­stel­lig – ein­ge­führt wur­den, brauchte man ein Sym­bol, das die Post­kun­den an den Gebrauch der ungewohn­ten Post­leit­zah­len erin­nert. Dazu nahm man das Zei­chen 〒3 und ergänzte es zu einem Ge­sicht; damit war Herr Zahl gebo­ren. Er nahm seine Auf­gabe 30 Jahre lang wahr und ging dann in den ver­dien­ten Ruhe­stand. Sein Nach­fol­ger im Amt war ポストン, Pos­ton, der 1998 die Umstel­lung auf die sie­ben­stel­li­gen Post­leit­zah­len beglei­tete und an ihre Verwen­dung gemahnte4.

Herr Zahl

Herr Zahl aber nimmt als Stem­pel auf mei­nem Schreib­tisch wei­ter­hin einen pro­mi­nen­ten Platz ein und erfreut mich beim Deko­rie­ren von Brief­um­schlä­gen und vie­lem mehr. – Offen­bar war auch der Ver­lag Her­mann Schmidt5 in Mainz, Her­aus­ge­ber des erwähn­ten Titels „deco­de­u­ni­code“, von Herrn Zahl sehr ange­tan, denn man hat ihm einen der dazu passen­den But­tons gewidmet.

Herr Zahl

Welch eine Karriere!

Nach­trag vom 20.6.13: Im Juli 1963, also vor 50 Jah­ren, trat Mr. Zip auf den Plan, um für den Gebrauch der US-amerikanischen Post­leit­zah­len, der ZIP-Codes, zu wer­ben: „Happy 50th Mr. Zip“ (via Brown Stu­dies).

Nach­trag vom 27.9.18: Mehr zum Zei­chen 〒 unter „The Story Behind Japan’s 〒 Pos­tal Logo“.

  1. Johan­nes Ber­ger­hau­sen, Siri Poar­angan: deco­de­u­ni­code – Die Schrift­zei­chen der Welt (Ver­lag Her­mann Schmidt 2011).
  2. Die des Japa­ni­schen Kun­di­gen mögen mir nach­se­hen, dass ich hier „-kun“ und „-san“ gleich­stelle; ich mache dies, weil wir im Deut­schen kein Pen­dant zu „-kun“ haben.
  3. Die­ses Zei­chen basiert auf der Katakana-Silbe テ (te), die sich vom Wort 逓信 (teis­hin), dt. Kom­mu­ni­ka­tion, ablei­tet. 〒 (Uni­code U+3012) ist das Bild­zei­chen der japa­ni­schen Post und wird zuwei­len der Post­leit­zahl vor­an­ge­stellt.
  4. Seine Dienst­mütze ist jedoch bei wei­tem nicht so schick, und die Ehre, im Unicode-Standard ver­ewigt zu wer­den, wurde ihm auch nicht zuteil.
  5. Ein groß­ar­ti­ger Ver­lag, den ich gar nicht oft genug loben kann.

Ein besonderer Zweifarbenstift

Nicht zum Schrei­ben, son­dern zur Metall­be­ar­bei­tung gedacht war die­ser ganz beson­dere Zwei­far­ben­stift des genia­len Erfin­ders Daniel Düsen­trieb1.

Ein ganz besonderer Zweifarbenstift

Ein ganz besonderer Zweifarbenstift

Ein ganz besonderer Zweifarbenstift

Ein ganz besonderer Zweifarbenstift

Ein ganz besonderer Zweifarbenstift

Rot zum Tren­nen, blau zum Zusam­men­fü­gen des Metalls – eine gran­diose Idee2.

Danke an Sascha für den Hin­weis auf die­sen Comic, Mat­thias für hilf­rei­che Details und Walt Dis­ney Deutsch­land für die Geneh­mi­gung zur Ver­öf­fent­li­chung. – Al­le Bil­der: © Disney.

  1. Diese Erfin­dung tauchte zum ers­ten Mal in der Geschichte „Phan­to­mias ist phä­no­me­nal“ auf, erschie­nen 1977 im Lus­ti­gen Taschen­buch „Phan­to­mias fliegt wie­der!“ (Nr. 44). – Der hier ge­zeigte Scan stammt aus der Neu­auf­lage mit dem Titel „Phan­to­mias ist wie­der da!“ (1998); dort heißt die Geschichte „Sieg auf der gan­zen Linie“.
  2. Einen zwei­ten, kür­ze­ren Auf­tritt hatte der Zwei­far­ben­stift – dann aller­dings Rot-Grün – in „Das Drei-Türme-Kastell“, ver­öf­fent­licht 1978 im Lus­ti­gen Taschen­buch „Phan­to­mias gegen Phanto­mime“ (Nr. 57). In der gleich­na­mi­gen Neu­auf­lage von 1998 trägt die Geschichte den Titel „Spuk im Drei­tür­me­kas­tell“.

Einfache Werkzeuge

Einfache Werkzeuge

Als ich ges­tern Abend auf diese drei Dinge1 schaute, sin­nierte ich: „Schön, diese ein­fa­chen Werk­zeuge.” Aber ich dachte auch an die Mate­ria­lien und die Tech­ni­ken zu ihrer Beschaf­fung und Bearbei­tung, die Mess- und Prüf­ver­fah­ren, den Trans­port und die Lage­rung, die Jahr­hunderte, die es gedau­ert hat, bis man eine solch hohe Qua­li­tät fer­ti­gen konnte, und vor allem an die vie­len Men­schen, deren Ideen und Arbeit in die­sen klar gestal­te­ten, funk­tio­nel­len Gegen­ständen stecken.

Ein­fa­che Werk­zeuge? Kommt auf die Sicht­weise an.

  1. Lineal RUMOLD 6½ 20 aus Birn­baum­holz mit Celluloid-Facetten, Messing-Spitzer Möbius+Rup­pert 600 und Blei­stift STAEDTLER Noris 120 B.

Der Bleistift als Beweisstück

Es gibt einige Geschich­ten, in denen der Blei­stift eine wich­tige Rolle spielt, doch so detail­liert wie in Arthur Conan Doyles „Die drei Stu­den­ten“1 wird er wohl nur sel­ten beschrie­ben. Auf sei­ner Suche nach einem Stu­den­ten, der eine Abschrift der gehei­men Unter­la­gen für eine am nächs­ten Tag statt­fin­den­den Prü­fung ange­fer­tigt haben soll, fin­det Sher­lock Hol­mes einige Split­ter, die beim Spit­zen mit einen Mes­ser ange­fal­len sind, und begut­ach­tet diese.

„Er arbei­tete jeden­falls mit sol­cher Hast, daß die Spitze sei­nes Blei­stifts abbrach und er ihn neu anspit­zen mußte, wie sie ja schon bemerkt haben. Sehen Sie sich das an, Wat­son. Das ist kein gewöhn­li­cher Blei­stift. Grö­ßer als üblich, mit wei­cher Mine, außen dun­kel­blau, der Name des Her­stel­lers in sil­ber­nen Let­tern auf­ge­druckt, und das Stück, das ihm übrig­blieb, ist nur noch etwa vier Zentime­ter lang. Suchen Sie so einen Blei­stift­stum­mel, Mr. Soa­mes, und Sie haben den Schul­di­gen gefun­den. Wenn ich Ihnen noch ver­rate, daß er ein gro­ßes und ziem­lich stump­fes Mes­ser besitzt, haben Sie noch einen Anhaltspunkt.“

Die Fülle die­ser Infor­ma­tio­nen über­wäl­tigte Mr. Soa­mes sicht­lich. „In den an­deren Punk­ten kann ich Ihnen fol­gen“, sagte er, „aber woher wis­sen Sie, wie lang …“

Hol­mes hielt uns einen Split­ter ent­ge­gen, auf dem die Buch­sta­ben NN stan­den, dahin­ter war noch etwas unbe­druckte Flä­che zu sehen. „Klar?“

„Ich fürchte, ich sehe immer noch nicht …“

„Wat­son, ich war wohl doch unge­recht zu Ihnen. Es gibt noch mehr. Also, was könnte die­ses NN denn hei­ßen? Jeden­falls steht es am Ende eines Wor­tes. Ihnen dürfte bekannt sein, daß der größte Her­stel­ler von Blei­stif­ten Johann Faber ist. Dann ist von die­sem Blei­stift jetzt höchs­tens noch so viel übrig, wie hin­ter dem ‚Johann‘ kommt.“ Er blickte flach über die Tisch­flä­che. „Ich hatte gehofft, er hätte auf so dün­nes Papier geschrie­ben, daß sich ein Teil auf die polierte Tisch­flä­che durch­drückte. Aber ich sehe nichts dergleichen.

Danke an Tho­mas H für sei­nen Hin­weis auf diese Geschichte!

  1. Arthur Conan Doyle: Die drei Stu­den­ten (The Adven­ture of the Three Stu­dents, erschie­nen 1904 als Ein­zel­er­zäh­lung und 1905 im Band „The Return of Sher­lock Hol­mes“).
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