Herstellung

Bleistiftherstellung vor 60 Jahren

Einen sehr inter­es­san­ten Ein­blick in die Pro­duk­tion von J.S. STAEDTLER im Jahr 1950 bie­tet der kürz­lich von STAEDTLER bei Face­book ein­ge­stellte Schwarzweiß-Film „Wie der STAEDTLER-Stift ent­steht“. Im Gegen­satz zu den gezeig­ten Blei­stif­ten ist der gut 15-minütige Strei­fen ganz ohne Ton, was jedoch seine Attrak­ti­vi­tät für mich nicht min­dert. Ein bemer­kens­wer­tes his­to­ri­sches Dokument!

Aus dem Archiv

Die „Neue Züri­cher Zei­tung“ holte in ihrer Online-Ausgabe vor weni­gen Tagen einen Arti­kel aus der Tech­nik­bei­lage vom 28. Novem­ber 1934 her­vor; Anlass für den dama­li­gen, mit „Aus der Blei­stift­fa­bri­ka­tion“ beti­tel­ten Bei­trag war eine Ver­öf­fent­li­chung des zehn Jahre zuvor gegrün­de­ten schwei­ze­ri­schen Unter­neh­mens Caran d’Ache.

Bevor es üblich wurde, den Gra­phit mit Ton zu mischen und zu bren­nen, ver­wen­dete man als Bin­de­mit­tel für den gemah­le­nen Gra­phit neben Schwe­fel – dem 75 Jahre alten Arti­kel zufolge und mir neu – Gum­mit­ra­gant, einen Saft der u. a. in der Gegend des Mit­tel­meers behei­ma­te­ten Strauch­art Astra­l­a­gus. Die­ser zähe, geruch­lose Gummi wurde bereits im 12. Jahr­hun­dert medi­zi­nisch und spä­ter auch tech­nisch genutzt (die gerös­te­ten Boh­nen die­ser Pflanze dien­ten Anfang des 19. Jahr­hun­derts sogar als Kaffeeersatz).

Eben­falls erwäh­nens­wert ist der bis jetzt ein­zige Leser­kom­men­tar dazu bei NZZ Online, der auf den 1958 erschie­ne­nen und 1999 über­ar­bei­te­ten Essay „I, Pen­cil: My Family Tree as told to Leo­nard E. Read“ ver­weist; darin lässt der Autor einen „Mon­gol 482“ von Eber­hard Faber über sich selbst erzählen.

Danke an Frank für den Hin­weis auf die­sen Artikel!

Mine und Mischung

Der zufäl­lige Fund einer mehr als 60 Jahre alten Patent­schrift über die Ver­rin­ge­rung der Licht­durch­läs­sig­keit von Blei­stift­mi­nen zur Ver­bes­se­rung ihrer Licht­paus­fä­hig­keit hat mich neu­gie­rig gemacht und zu einer wei­te­ren Suche motiviert.

Bereits wäh­rend der Lek­türe die­ses Doku­ments kam mir der Wer­be­text zum Blei­stift LYRA Orlow 6300, zitiert in der Jubi­lä­ums­schrift „Mei­len­steine. 150 Jahre Lyra-Orlow“, und der darin ent­hal­tene Ver­weis auf das DRP (Deut­sches Reichs­pa­tent) 746988 in den Sinn; zudem habe ich mich an einige Exem­plare des orlow-techno 6300 HB mit dem Auf­druck „ELIOGRAPH“ in einer mei­ner Schub­la­den erinnert.

Mine und Mischung

Das Deut­sche Patent- und Mar­ken­amt in Mün­chen bie­tet zahl­rei­che Mög­lich­kei­ten der kos­ten­freien Online-Recherche. Eine Abfrage des DEPA­TIS­net nach dem von LYRA genann­ten Patent 746988 lie­fert Details zu einem „Ver­fah­ren zur Her­stel­lung von gebrann­ten Schreib­kör­pern, z. B. Blei­stift­mi­nen, Grif­feln oder Krei­den“ zum Zweck, „die Farb­kraft und Licht­ab­sorp­tion die­ser Schreib­mi­nen zu ver­bes­sern“, erdacht von Dr. Rai­mund Ber­ger aus Nürnberg.

Die­ser Text bezieht sich auf vor­han­dene Kennt­nisse über die Imprä­gnie­rung der Minen mit Farb­kör­pern sowie mit Stof­fen, die ultra­vio­let­tes Licht absor­bie­ren, damit jedoch nur die Ergeb­nisse bestimm­ter Kopier­ver­fah­ren ver­bes­sern hel­fen. Man ging davon aus, dass die optisch wirk­sa­men Zusatz­stoffe haupt­säch­lich auf den Ober­flä­chen der inne­ren Poren und Kapil­la­ren der Mine ver­teilt sein müs­sen, um den Glanz des Abstrichs zu ver­rin­gern und des­sen Licht­ab­sorp­tion zu erhö­ren, und strebte ein Ver­fah­ren an, bei dem sich die mit­tels einer Imprä­gnie­rung zuge­führ­ten Sub­stan­zen durch eine Wär­me­be­hand­lung in che­misch andere Stoffe umwan­deln. Diese Umset­zungs­pro­dukte soll­ten sich in äußerst fei­ner Form in den Hohl­räu­men gleich­mä­ßig abla­gern und so eine opti­male opti­sche Wir­kung erzie­len; zum Ein­satz kamen dabei orga­ni­sche Stoffe wie z. B. Koh­len­hy­drate, die beim Erhit­zen unter Sau­er­stoff­ab­schluss im Minen­in­ne­ren amor­phen Gra­phit bil­de­ten. Die bloße Bei­gabe von letz­te­rem zur Minen­masse (etwa in Form von Ruß) macht schon bei weni­gen Pro­zen­ten die Mine rau­her und min­dert ihre Gleit­fä­hig­keit, doch das genannte Ver­fah­ren bot den Vor­teil, die Glätte des kris­tal­li­nen Gra­phits und mit die­ser die Schreib­qua­li­tät des Blei­stifts zu erhal­ten, den Abstrich schwär­zer sowie mat­ter zu machen und damit Schärfe und Kon­trast von Licht­pau­sen zu steigern.

Unter den fünf ent­ge­gen­ge­hal­te­nen Doku­men­ten fin­det sich auch das Patent 627646 von J.S. STAEDTLER aus dem Jahr 19301, das die Bei­gabe von licht­dich­ten Sudan-Farbstoffen zur Imprä­gnier­masse beschreibt. Dem­nach sol­len bereits eine kleine Menge Sudan­gelb oder Sudan­vio­lett ermög­li­chen, „die Licht­dichte der Mine so zu stei­gern, daß sie Minen­ab­stri­che von hoher Schwarz­wir­kung lie­fert“. Wenige Jahre zuvor ging die Kalle & Co. AG aus Bie­brich am Rhein mit dem Patent 517159 („Ver­fah­ren zur Dar­stel­lung von Tuschen, Zei­chen­stift­mas­sen und dgl. für Lichtp­aus­zwe­cke“) den Übel­stand2 der licht­durch­läs­si­gen Linien von Tusche- und Stift­zeich­nun­gen durch den Zusatz von im Ultra­vio­lett stark absor­bie­ren­der Sub­stan­zen an.

Kon­zep­tio­nell ganz anders ist das US-amerikanische Patent 1504209 („Pen­cil and pro­cess of making the same“) aus dem Jahr 1924, in dem der Erfin­der den Ton mit Holz­staub und ande­ren koh­len­stoff­hal­ti­gen Mate­ria­lien mischte. Diese Stoffe soll­ten beim Bren­nen der Mine zu Kohle wer­den und so die Schwär­zung des Abstrichs erhö­hen; die dabei ent­ste­hen­den und die Mine brü­chig machen­den Hohl­räume wollte er mit Stearin­säure füllen.

Ob die für den Orlow 6300 bewor­be­nen Eigen­schaf­ten auch für den LYRA orlow-techno 6300 gel­ten, kann ich nicht sagen; ein schnel­ler Ver­gleichs­test mit aktu­el­len Blei­stif­ten von STAEDTLER, Tom­bow, Pen­tel und STABILO zeigte zwar die hohe Qua­li­tät und die gute Schwär­zung die­ses Blei­stifts, nicht aber eine erkenn­bar gerin­gere Refle­xion im für das bloße Auge sicht­ba­ren Spek­trum (mit Abstand am mat­tes­ten war der Abstrich des STABILO Micro 288). – Die Wort­marke „ELIOGRAPH“ auf dem LYRA orlow-techno 6300 wurde 1963 ein­ge­tra­gen und 2003 gelöscht. Ihren Ursprung kenne ich nicht; viel­leicht war es eine an „Helio­gra­fie“ oder die ita­lie­ni­sche Über­set­zung für „Licht­pause“, „elio­gra­fica“, ange­lehnte Wortschöpfung.

  1. Es wurde jedoch erst 1936 ver­öf­fent­licht.
  2. Die­ses schöne, mir bis­her unbe­kannte Wort musste ich unbe­dingt aus der Patent­schrift über­neh­men.

Rohstoff (3)

Zedernholz-Brettchen

Auch wenn man die aus Gra­phit und Ton her­ge­stellte Mine auch ohne oder mit einer Hülle aus ande­ren Mate­ria­lien als Holz benut­zen kann, so ist doch letz­te­res für den klas­si­schen Blei­stift unver­zicht­bar. Tra­di­tio­nell greift man dabei auf das Holz der Zeder zurück, weil es sich auf­grund sei­ner gera­den Fase­rung und der gleich­mä­ßi­gen, fei­nen Tex­tur sehr leicht schnei­den lässt und daher für Blei­stifte beson­ders geeig­net ist.

Dr. Edu­ard Schwan­häu­ßer nannte in „Die Nürn­ber­ger Blei­stift­in­dus­trie und ihre Arbei­ter in Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart“ das Buch „Fleta Minor. The laws of art and nature“ (1683) von Sir John Pet­tus als die älteste ihm bekannte Quelle, in der das Zedern­holz zum Zwe­cke der Blei­stift­her­stel­lung erwähnt wird. Für viele Blei­stifte kommt heute ande­res Holz wie Weymouth-Kiefer, Jel­utong und Linde zum Ein­satz, und physikalisch-chemische Ver­fah­ren machen zudem wei­tere Höl­zer für Blei­stifte nutz­bar. An der Bevor­zu­gung der Zeder indes hat sich nichts geän­dert, und so gilt ihre kali­for­ni­sche Vari­ante nach wie vor als erste Wahl für hoch­wer­tige Bleistifte.

Obi­ges Foto zeigt ein Brett­chen aus letz­te­rer im typi­schen For­mat von 184 × 74 × 5 mm, bevor der Füh­rungs­falz sowie die Nuten gefräst und die Minen ein­ge­leimt wer­den; danach wird es mit einem wei­te­ren ebenso bear­bei­te­ten Brett­chen zum soge­nann­ten Sand­wich ver­leimt (gerne hätte ich die Zeder in unbe­ar­bei­te­ter Form vor­ge­stellt, doch lei­der erlaubt das Bud­get die­ses Web­logs noch keine Aus­lands­re­cher­chen). – Übri­gens: Man­che aktu­el­len Blei­stifte sind gering­fü­gig dün­ner als ihre Vor­gän­ger, weil man heute aus einem Sand­wich zehn von ihnen fer­tigt, wäh­rend es frü­her nur neun waren.

Nach­trag vom 9.5.15: Mehr zum Thema unter „Blei­stift­höl­zer (1)“.

Patentschrift Nr. 74853

Einen Hin­weis auf die Sub­stan­zen, die man der Graphit-Ton-Mischung für Blei­stift­mi­nen bei­geben wollte (und viel­leicht auch bei­gege­ben hat), gibt diese Patent­schrift von 19451, auf die ich bei der Suche nach etwas völ­lig ande­rem gesto­ßen bin.

Patentschrift Nr. 74853

Zu Zei­ten der Licht­pause war ein hoher Kon­trast zwi­schen dem Beschreib­ma­te­rial und der Schrift wün­schens­wert. Bei ers­te­rem hatte man die Wahl und griff zu sehr dün­nem oder Trans­pa­rent­pa­pier, doch der Blei­stift bot diese nicht, da sein Här­te­grad den Anteil des die Licht­un­durch­läs­sig­keit bestim­men­den Gra­phits vor­gab. Laut die­ser Patent­schrift bil­det der Ton durch den Brenn­vor­gang einen kera­mi­schen, glas­ähn­li­chen Kör­per, des­sen Abstrich eine für Paus­zwe­cke ungüns­tige Licht­durch­läs­sig­keit aufweist.

Die Erfin­dung bestand darin, der Minen­masse Stoffe zuzu­ge­ben, die das beim Bren­nen des Tons ent­ste­hende Mate­rial licht­un­durch­läs­sig macht und damit des­sen Licht­paus­fä­hig­keit ver­bes­sert. Diese Zusätze soll­ten beim Bren­nen für Glä­ser sor­gen, die die beim Licht­pau­sen genutz­ten Wel­len­län­gen absor­bie­ren; infrage kamen dazu Ver­bin­dun­gen mit Schwer- und Erd­al­ka­li­me­tal­len sowie mit Metal­len der sel­te­nen Erden, die in ganz unter­schied­li­cher Form bei­gege­ben wer­den konn­ten und etwa 4 bis 8 Pro­zent der Gesamt­masse aus­mach­ten. – Wer diese Idee hatte und ob sie es damals bis in die Pro­duk­tion schaffte, konnte ich noch nicht herausfinden.

Ich gehe davon aus, dass die­ser Ver­such längst nicht der ein­zige war, um die Eig­nung der Blei­stift­mine für einen bestimm­ten Zweck durch Bei­men­gun­gen zu ver­bes­sern. Ein Kata­log von LYRA aus den 1950er Jah­ren (wie­der­ge­ge­ben in dem Buch „Mei­len­steine. 150 Jahre Lyra-Orlow“) schreibt zur Spit­zen­sorte Orlow 6300, es sei „durch ein beson­de­res Ver­fah­ren die Reflex­wir­kung des Gra­phits abge­schwächt“ und außer­dem „die Licht­paus­fä­hig­keit der Mine durch ein paten­tier­tes Ver­fah­ren noch wei­ter gestei­gert“ wor­den – gar auf einem dem oben genann­ten ähn­li­chen Weg?

Anm.: Dies ist die 400. Bei­mi­schung in die­sem Weblog.

  1. Kurio­ser­weise ent­hält es nicht den Namen des Patent­in­ha­bers.

Masse für Klasse

Minenmasse für Bleistifte von STAEDTLER

So sieht sie aus, die durch Mischen und Ver­kne­ten der gemah­le­nen Roh­stoffe Gra­phit und Ton sowie Was­ser ent­stan­dene Minen­masse. Der dar­aus gepresste Minen­strang wird in blei­stift­lange Stü­cke geschnit­ten und diese dann vor­ge­trock­net, gebrannt und mit Wachs imprä­gniert; damit sind die Minen fer­tig und für das Ein­lei­men in die genute­ten Brett­chen bereit.

Spurensuche

Vor gut drei Mona­ten habe ich hier den Sirius Blei­stift Nr. 2 der Leip­zi­ger Pia­no­for­te­fa­brik gezeigt und gefragt: Wie kommt ein Blei­stift in das Lie­fer­pro­gramm eines Klavierherstellers?

Sirius Bleistift Nr. 2

Der Besuch in der Ludwig-Hupfeld-Straße im Leip­zi­ger Stadt­teil Böhlitz-Ehrenberg1, dem Stand­ort der ehe­ma­li­gen Pia­no­for­te­fa­brik, war ernüch­ternd, bot er doch nur den Anblick eines gro­ßen, ver­nach­läs­sig­ten Gebäu­des, an dem ein paar neue Beschrif­tun­gen ange­bracht wur­den (dar­un­ter auch die von Rönisch, dem neuen Eigen­tü­mer des Bestands der Leip­zi­ger Piano-Union). Die Reste des alten Fir­men­na­mens am Turm, die wohl noch bis vor eini­ger Zeit zu sehen waren, müs­sen sich in der Zwi­schen­zeit gelöst haben oder ver­bar­gen sich hin­ter dem grü­nen Netz, das den Turm teil­weise umspannte.

Leipzig, ehemalige Pianofortefabrik

Süd­fas­sade der ehe­ma­li­gen Leip­zi­ger Pia­no­for­te­fa­brik im Stadt­teil Böhlitz-Ehrenberg (kmz-Datei)

Eine Anfrage beim Staats­ar­chiv Leip­zig, Teil des säch­si­schen Staats­ar­chivs, das auch online über die ehe­ma­lige VEB Deut­sche Piano-Union Leip­zig im Stadt­teil Böhlitz-Ehrenberg infor­miert, lie­ferte jedoch einige inter­es­sante Details zur dor­ti­gen Bleistiftproduktion.

Spurensuche

Die älteste mir vor­lie­gende Akten­no­tiz stammt vom 2. April 1949. Diese führte einen Pos­ten von 5 Ton­nen Natur­gra­phit einer Firma Bin­der auf, der im Falle sei­ner noch zu bestim­men­den Eig­nung für die Blei­stift­her­stel­lung frei­ge­ge­ben wer­den sollte.

Spurensuche

Eine andere Notiz infor­mierte am 1. Okto­ber 1949 über die Ein­rich­tung der Kos­ten­stelle Nr. 354 für die Blei­stift­fa­bri­ka­tion. Um diese Zeit herum muss man auch schon mit der Pro­duk­tion begon­nen haben, denn eine Mit­tei­lung an die Betriebs­lei­tung vom 2. Dezem­ber 1949 erwähnte Pro­bleme beim Zie­hen der Minen­masse: Bei den durch die nächt­li­che Abküh­lung ungleich­mä­ßi­gen Raum­tem­pe­ra­tu­ren war sie brü­chig, in den Mit­tags­stun­den jedoch ein­wand­frei zu bearbeiten.

Spurensuche

Ein frü­her Hin­weis auf das ver­wen­dete Holz fin­det sich in einer Anwei­sung vom 14. Februar 1950, die zur Ver­mei­dung von unnö­ti­gem Trans­port und Ver­schnitt des ange­lie­fer­ten Erlen­hol­zes zum sofor­ti­gen Aus­sor­tie­ren der unge­eig­ne­ten Boh­len auf­for­derte. In einer Pro­duk­ti­ons­be­spre­chung am sel­ben Tag beklagte man den gro­ßen Ver­schnitt die­ses Erlen­hol­zes, da die­ses gerade für die Blei­stift­fer­ti­gung sehr schlecht geeig­net war.

Spurensuche

Ein Schrei­ben vom 22. Februar 1950 teilte einem mir unbe­kann­ten Emp­fän­ger mit: „Auf Ver­an­las­sung der dama­li­gen DWK haben wir in unse­rem Betrieb eine Fer­ti­gung von Blei-, Kopier- und Bunt­stif­ten ein­ge­rich­tet, die dazu die­nen soll, die Ver­sor­gung von Wirt­schaft und Bevöl­ke­rung der sowje­ti­schen Besat­zungs­zone Deutsch­lands in die­sen Arti­keln sicher­zu­stel­len.“2 Dem Brief als Mus­ter bei­gefügt war ein „LPF-Bleistift, Härte 2, rund, mit run­der Mine, zum Her­stel­ler­ab­ga­be­preis von DM 0,18 das Stück“, der „natur­far­big und geschlif­fen ohne Auf­schrift“ gelie­fert wer­den konnte. Dar­über hin­aus wur­den far­bige, polierte Stifte mit Auf­schrift ange­kün­digt, für die man bereits in weni­gen Mona­ten den dafür not­wen­di­gen Fer­ti­gungs­stand zu haben gedachte. – Damit ist belegt, dass die Blei­stift­her­stel­lung in der Leip­zi­ger Pia­no­for­te­fa­brik lange vor der Kon­sum­gü­ter­pro­duk­tion der 1970er und 1980er Jahre begann.

Spurensuche

In einer Akten­no­tiz vom 7. Juni 1950 wurde um geeig­nete Maß­nah­men ange­sichts des knap­pen Vor­rats an Ceylon-Graphit gebe­ten, da die letzte Lie­fe­rung nicht „mus­ter­ge­treu aus­ge­führt“ wurde. Eine Bespre­chung am dar­auf­fol­gen­den Tag erwähnte die geplante Prü­fung rus­si­schen Gra­phits auf ihre Ver­wend­bar­keit für die Blei­stift­pro­duk­tion; es bestand Aus­sicht, die­sen im Rah­men des Han­dels­ab­kom­mens mit der UdSSR für eine grö­ßere Menge von in der DDR nicht benö­tig­tem Tal­kum zu bekom­men. Ein Anwe­sen­der wies auf die ihm vor­lie­gende Foto­ko­pie eines Schrei­bens der Firma A. W. Faber an die Kropf­mühle hin, in dem A. W. Faber mit­teilt, „dass die von dort bezo­ge­nen Gra­phite (bay­ri­sche) sehr gut wären und dass die Firma Faber in der Lage ist, aus­schließ­lich aus die­sem Gra­phit Blei­stift­mi­nen her­zu­stel­len, so dass sie auf die Ein­fuhr von Ceylon-Graphit ver­zich­ten kann.“ Die direkte Ein­fuhr von Ceylon-Graphit lohnte sich nicht, und der Import über Eng­land schei­terte daran, dass die Bank von Eng­land den für die Bezah­lung bestimm­ten Betrag nicht frei­gab. Die Lösung die­ses Pro­blems sah man schließ­lich darin, dass 1,5 t Ceylon- und 1 t Korea-Graphit vom west­deut­schen Spe­di­teur des Händ­lers in Eng­land über­nom­men und über den west­deut­schen Gra­phit­lie­fe­ran­ten der FEMA nach Leip­zig gelie­fert wer­den soll­ten. Der aktu­elle Graphit-Engpass schien aller­dings über­wun­den, da man noch 1,8 t Flo­cken­gra­phit in Aus­sicht hatte und die­sen nur noch feinst­mah­len las­sen musste. (Anm.: Die VVB FEMA war die 1948 gebil­dete und 1952 auf­ge­löste Ver­ei­ni­gung Volks­ei­ge­ner Betriebe der Indus­trie für feu­er­feste Materialien.)

Spurensuche

Eine Über­sicht vom 20. Juni 1950 nannte Stück­zah­len der Bleistift-Produktion für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Mai 1950: 794.000 geschlif­fen, 700.848 lackiert, 55.440 lackiert II. Wahl und 1.550.288 insgesamt.

Spurensuche

Wie eine wei­tere Akten­no­tiz am 23. Juni 1950 fest­hielt, hat man ver­sucht, aus den vor­han­de­nen Roh­ma­te­ria­lien Blei­stift­mi­nen zu fer­ti­gen, die dem „Mars Lumo­graph“ von J.S. STAEDTLER mög­lichst ähn­lich kom­men, und alle Maß­nah­men dar­auf abge­stellt. Den zur Ver­fü­gung ste­hen­den Stein­gut­ton sah man als Min­de­rung des Pro­dukts im Ver­hält­nis zur STAEDTLER-Mine und kon­zen­trierte sich daher auf den von STAEDTLER ver­wen­de­ten Gra­phit, einer Mischung aus feinst­ge­mah­le­nem makro-kristallinem Ceylon-Graphit und eines amor­phen Gra­phits, wie ihn bei­spiels­weise Mexiko lie­ferte. Man wusste, dass baye­ri­scher Gra­phit zur Her­stel­lung von Blei­stift­mi­nen ver­wen­det wird, und kannte den Qua­li­täts­ruf der Gra­phit­werke Kropf­mühl AG. Ob jedoch für die „Castell“-Bleistifte der Firma A. W. Faber tat­säch­lich nur baye­ri­scher Gra­phit benutzt wurde, konnte man nicht mit Bestimmt­heit sagen.

Spurensuche

Die Ver­su­che, aus­schließ­lich baye­ri­schen Gra­phit zur Minen­her­stel­lung zu nut­zen, began­nen laut die­ser Akten­no­tiz bereits sehr früh, hat­ten jedoch nicht den gewünsch­ten Erfolg (zur Demons­tra­tion lagen Minen die­ses Typs der Notiz bei). Man erwog, statt der gefor­der­ten STAEDTLER-Mine auf eine aus­zu­wei­chen, die dem „Castell“-Stift der Firma A. W. Faber näher­kommt und somit haupt­säch­lich die Ver­wen­dung von baye­ri­schen, mikro-kristallinen Gra­phi­ten erlaubt. Sollte eine tief­schwarze Mine gefor­dert wer­den, so plante man die Ver­wen­dung eines böh­mi­schen, amor­phen Gra­phits anstelle des mexi­ka­ni­schen. – Mit zwei wei­te­ren Noti­zen aus den Mona­ten Juni und Juli 1950, die sich mit der Aus­wer­tung von Zeit­auf­nah­men des Arbeits­gangs „Brett­chen schnei­den“ in der Abtei­lung Blei­stift­um­hül­lung beschäf­tig­ten sowie einen Prä­mi­en­zu­schlag ankün­dig­ten, enden die mir vor­lie­gen­den Unterlagen.

Auch wenn diese Details keine ver­läss­li­chen Rück­schlüsse auf das Alter oder das Mate­rial des Sirius Blei­stift Nr. 2 erlau­ben, so bie­ten sie doch einen klei­nen Ein­blick in seine Vor­ge­schichte und die Blei­stift­pro­duk­tion an die­sem Ort.

  1. Genauer: im jet­zi­gen Leip­zi­ger Stadt­teil, denn Böhlitz-Ehrenberg wurde erst 1999 ein­ge­mein­det.
  2. Die DWK (Deut­sche Wirt­schafts­kom­mis­sion) war die zen­trale deut­sche Ver­wal­tungs­in­stanz in der sowje­ti­schen Besat­zungs­zone vom 4.6.1947 bis zum 7.10.1949.
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