Bei meinem Bemühen, das Holz des aktuellen Faber-Castell 9000 zu identifizieren, bin ich auf einige bemerkenswerte Details gestoßen.
In „Vom Baum zum Bleistift“ stellt Faber-Castell die in Brasilien angebaute Karibische Kiefer (genauer: die Varietät Pinus caribaea hondurensis) vor, und die hat mich an die in Henry Petroskis Buch „Der Bleistift“ erwähnte brasilianische Pinie erinnert. Im Kapitel „Findet man einen besseren Bleistift oder macht man ihn?“ geht es um den komplizierten Prozess der Bleistiftherstellung im späten 20. Jahrhundert, der ein hochmodernes und weltumspannendes System voraussetzt. Zu Beginn wird auf Vielzahl und Herkunft der Rohstoffe eines deutschen oder amerikanischen Bleistifts eingegangen:
Der Holzkörper wird sehr wahrscheinlich aus dem Holz der Kalifornischen Flußzeder (Inszentzeder) oder der brasilianischen Pinie gemacht sein, der Ring möglicherweise aus Messing oder Aluminium aus dem amerikanischen Westen, und der Radiergummi ist vielleicht eine Mischung aus südamerikanischem Gummi und italienischem Bimsstein.
Und was steht im Original? In „The Pencil“ heißt es unter „Does One Find or Make a Better Pencil?“ auf Seite 67:
The wooden case would most likely be made of western incense cedar from California, the ferrule possibly of brass or aluminum from the American West, and the eraser perhaps of a mixture of South African rubber and Italien pumice stone.
Die brasilianische Pinie ist also im Original gar nicht vorhanden, sondern wurde – wie soll ich sagen? – hineinübersetzt.
Doch was genau ist mit der „brasilianischen Pinie“ gemeint? Ist dies vielleicht eine etwas saloppe Bezeichnung des in Brasilien angebauten Baums? Die weitere Suche hat mich zu einer alten Ausgabe des Warenkundehandbuchs von Faber-Castell (2010) geführt, und darin liest man auf Seite 8 unter „Holz und Brettchen“:
Das qualitativ hochwertigste Holz für Blei- und Farbstifte liefert die kalifornische Zeder und die brasilianische Pinie, die in FABER-CASTELL eigenen Plantagen angebaut wird. Zedernholz ist fast astfrei, langfaserig und hat (aufgrund der geringen jahreszeitlichen Schwankungen in Kalifornien) einen gleichmäßigen Wuchs. Deshalb ist es leicht und sauber spitzbar, was für einen Qualitätsstift wichtig ist.
In diesem Jahr erschien eine neue Ausgabe dieses Warenkundehandbuchs, in dem auf Seite 41 unter „Aus hochwertigem Holz“ steht:
Das qualitativ hochwertigste Holz für Blei- und Buntstifte liefert die Kalifornische Zeder.
Zedernholz ist fast astfrei, langfaserig und hat, aufgrund der geringen jahreszeitlichen Schwankungen in Kalifornien, einen gleichmäßigen Wuchs. Deshalb lässt es sich leicht und sauber spitzen, was für einen Qualitätsstift wichtig ist.
Wo ist die brasilianische Pinie geblieben? Und warum nennt man stattdessen nicht die Karibische Kiefer?
Natürlich habe ich Faber-Castell nach dem Holz des 9000 gefragt, aber noch keine Antwort bekommen. Das Unternehmen kann allerdings mehrere Gründe haben, diese Details nicht zu nennen: Es ist ein Firmeninternum, und außerdem ist es so einfacher, ein anderes Holz zu nutzen, falls es Probleme bei der Versorgung geben sollte (z. B. durch einen Brand in der Plantage oder Verzögerungen beim Transport). Zudem ist es sicher eine Herausforderung für das Marketing, ein anderes Holz überzeugend zu bewerben, nachdem man jahrzehntelang die Zeder als die beste Wahl verkauft hat und diese weiterhin für andere höherpreisige Produkte nutzt.
Faber-Castell 9000 3B (aktuelle Variante) mit M+R Pollux
Ganz gleich, welches Holz das ist: Ich bin geneigt zu sagen, dass es die beste Alternative zur Weihrauch-Zeder ist, die mir bis jetzt untergekommen ist, denn es lässt sich fast ebenso leicht und sauber spitzen.
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