Bleistifte

Merkur

Am heu­ti­gen Mitt­woch, dem bei den alten Römern nach deren Gott Mer­kur „dies Mer­cu­rii“ („Tag des Mer­kur”) genann­ten Wochen­tag, ein schnel­ler Blick auf einen Radier­gummi, der eben­falls den Namen des Göt­ter­bo­ten trägt.

Radierer Mercur Record 60

Den gelb­wei­ßen, 30 × 19 × 6 mm klei­nen und 9 g leich­ten Radie­rer mit blauem Auf­druck schmückt außer dem Namen der mytho­lo­gi­schen Gestalt deren Kon­ter­fei inklu­sive des typi­schen, geflü­gel­ten Helms in einer ver­ein­fach­ten und für mich reiz­vol­len Form. Dar­un­ter fin­den sich die Schrift­züge „RECORD 60“ und „BRAZIL“.

Radierer Mercur Record 60

Weni­ger reiz­voll hin­ge­gen ist seine Radier­leis­tung. Trotz der schmir­geln­den Bei­men­gung (wohl Glas- oder Bims­mehl), mit der er ziem­lich abrei­bend zu Werke geht, ver­mag er den Gra­phit von ein­fa­chem Standard-Papier nicht voll­stän­dig zu ent­fer­nen, hin­ter­lässt jedoch beacht­li­che Radier­reste und geht so eher als Krü­mel­kö­nig durch.

Radierer Mercur Record 60

Die Pro­dukt­seite des bra­si­lia­ni­schen Her­stel­lers zeigt den „Record 60“ in ande­rem Design; ich ver­mute daher, dass es sich bei oben gezeig­tem Stück, das ich in einem klei­nen Ort an der nie­der­län­di­schen Nord­see­küste erstan­den habe, um ein älte­res Exem­plar gehan­delt hat.

Gedanken zu Graphit

Johann Wolf­gang Goe­the (1749–1832), der immer Notiz­buch und Blei­stift mit sich führte, schrieb in „Dich­tung und Wahr­heit“ (1821–1831):

Ich war so gewohnt, mir ein Lied­chen vor­zu­sa­gen, ohne es wie­der zusam­men fin­den zu kön­nen, daß ich eini­ge­mal an den Pult rannte und mir nicht die Zeit nahm, einen quer lie­gen­den Bogen zurecht zu rücken, son­dern das Gedicht von Anfang bis zu Ende, ohne mich von der Stelle zu rüh­ren, in der Dia­go­nale her­un­ter­schrieb. In eben die­sem Sinne griff ich weit lie­ber zu dem Blei­stift, wel­cher wil­li­ger die Züge her­gab: denn es war mir eini­ge­mal begeg­net, daß das Schnar­ren und Sprit­zen der Feder mich aus mei­nem nacht­wand­le­ri­schen Dich­ten auf­weckte, mich zer­streute und ein klei­nes Pro­dukt in der Geburt erstickte.

Die Feder gibt es heute nicht mehr, doch ihr läs­ti­ges „Schnar­ren und Sprit­zen“ hat in den Wid­rig­kei­ten der Text­ver­ar­bei­tung ein moder­nes Pen­dant: Uner­wünschte Auto­ma­tis­men und andere unge­be­tene Hel­fer drän­geln sich rabiat zwi­schen Papier und Gedan­ken, und die Not­wen­dig­keit, häu­fig aus einer nicht sel­ten unüber­schau­ba­ren Viel­falt an Optio­nen wäh­len zu müs­sen, zer­stü­ckelt die Aufmerksamkeit.

Zahl­rei­che Ablen­kun­gen nicht nur in Form text­ge­stal­te­ri­scher Mög­lich­kei­ten, die jeder­zeit ver­füg­bar und nie voll­stän­dig vom eigent­li­chen Inhalt getrennt sind, stel­len die Dis­zi­plin der Schrei­ben­den arg auf die Probe. Hinzu kommt die tech­nisch per­fekte Reprä­sen­ta­tion selbst roher Texte und Bil­der, die bereits am Bild­schirm für den Ein­druck des Fer­ti­gen sorgt und auf dem Papier beim Ein­satz des kor­ri­gie­ren­den Rot­stifts hemmt.

Der ange­nehm zurück­hal­tende Blei­stift ist ganz bestimmt keine Alter­na­tive zur digi­ta­len Feder, aber frei von den oben auf­ge­führ­ten Stö­run­gen, Zer­streu­un­gen und Täu­schun­gen und damit für mich eine wohl­tu­ende Abwechs­lung und Ergän­zung. Die Beschrän­kun­gen die­ses schlich­ten Schreib­werk­zeugs emp­finde ich nicht als sol­che, son­dern als befrei­end und ziel­füh­rend, sor­gen sie doch dafür, dass es kaum an unse­ren Gedan­ken arbei­tet1. Und so greife ich immer wie­der sehr gern zum Blei­stift, der in den mehr als vier­hun­dert Jah­ren sei­ner Geschichte schon einige Auf­zeich­nungs­sys­teme hat kom­men und gehen sehen.

Schwan-STABILO Opera 285

  1. Bereits Fried­rich Nietz­sche wusste: „Die Werk­zeuge arbei­ten mit an unse­ren Gedan­ken“.

Höllenmaschine

Kurbelspitzmaschine iPoint Classact von Westcott

So sieht sie also aus, die vor gut sie­ben Mona­ten auf der Paper­world vor­ge­stellte und nun end­lich erhält­li­che Kur­bel­spitz­ma­schine iPoint Clas­sact von West­cott, hier­zu­lande ver­trie­ben durch die ACME United Europe GmbH.

Dop­pel­ter Frä­ser, Fuß mit Saug­napf, Auf­nahme für Stifte mit acht Durch­mes­sern von 5 bis 11,5 Mil­li­me­tern – auf den gründ­li­chen Test bin ich sehr gespannt.

Nach­trag vom 10.5.13: Der Link zur Pro­dukt­seite funk­tio­niert nicht mehr, und eine Su­che nach dem Spit­zer auf der Web­site des Her­stel­lers lie­fert keine Ergeb­nisse. Wurde das Gerät wie­der aus dem Sor­ti­ment genommen?

Markiges Marketing (8)

„Cullinan”-Bleistifte von Brevillier & Urban

Vom Betrach­ter ab- und einem gel­ben Blei­stift zuge­wandt zeigt der reife, unter­setzte Herr mit Brille, gerö­te­tem Gesicht und vor­neh­mer, auf die Stifte in sei­ner Brust­ta­sche farb­lich abge­stimm­ter Klei­dung deut­lich seine Prio­ri­tä­ten: Sein Ken­ner­blick durch die run­den Glä­ser gilt nur dem Cullinan-Bleistift von Bre­villier & Urban, den er jedem ande­ren vorzieht.

Die öster­rei­chi­sche Schreib­wa­ren­fa­brik Bre­villier & Urban (heute Bre­villier Urban & Sachs GmbH & Co. KG, Wien) ent­stand im Jahr 1925, als die 1800 von Ignaz Urban eröff­nete Schmiede und die 1823 durch Carl Wil­helm von Bre­villier gegrün­dete Schrau­ben­fa­brik die ehe­ma­li­gen Zeus-Werke in Graz über­nah­men. 1983 kam Brevillier-Urban in die Kirchdorfer-Gruppe, die 2006 die Kirch­dor­fer Schreib­wa­ren­hol­ding mit Brevillier-Urban sowie deren Toch­terfirmen Jolly Arts & Crafts (China) und Hemus­Mark (Bul­ga­rien) grün­dete; 2007 erwarb Koh-I-Noor den Mehr­heits­an­teil an letz­te­rer. Die bekann­teste Marke von Brevillier-Urban, „Jolly“ aus dem Jahr 1965, ist seit 2007 Teil von Imarco, zu der auch die Hein­rich Sachs KG, die Öster­rei­chi­sche Kuvert­in­dus­trie und Creta­co­lor gehö­ren. Bre­villier Urban & Sachs fer­tigt in Graz und Hirm.

Wann es den Blei­stift gab, für den diese 34 × 37 mm große Rekla­me­marke gewor­ben hat, weiß ich nicht. Erwäh­nens­wert in die­sem Zusam­men­hang ist viel­leicht noch, dass der größte jemals gefun­dene Roh­dia­mant „Cul­linan“ hieß. War Ent­schei­dung des Her­stel­lers, seine Blei­stifte nach die­sem zu benen­nen, viel­leicht eine Reak­tion auf L. & C. Hardt­muth, deren Pro­dukte den Namen des bekann­tes­ten Dia­man­ten „Koh-I-Noor“ trugen?

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Lotus

Faber-Castell Lotus

In dem Über­ra­schungs­päck­chen, das mir den STABILO pen­cil 88 brachte, fan­den sich auch zwei Exem­plare des Faber-Castell Lotus der Härte B. Aus der sehr knap­pen Beschrif­tung, die auch das Kür­zel „SV“ für „Secu­ral­ver­fah­ren“ ent­hält, sticht der in einem deko­ra­ti­ven Font aus­ge­führte Name des Blei­stifts hervor.

Faber-Castell Lotus

Der Stift mit metal­lisch wir­ken­der, blau-violetter Lackie­rung, matt­schwar­zer End­kappe und einem Prä­ge­druck in gebro­che­nem oder nach­ge­dun­kel­tem Weiß ist wohl­tu­end unauf­fäl­lig und die Mine von recht ordent­li­cher Qualität.

Faber-Castell Lotus

Das war schon alles, was ich zu die­sem für mich anspre­chen­den und heute nicht mehr er­hältlichen, aber wohl noch nicht ganz so alten Blei­stift sagen wollte.

Hereinspaziert!

Ange­sichts des ste­tig zuneh­men­den Anteils an altem Geraf­fel his­to­ri­schen Blei­stif­tera­bi­lien in die­sem Web­log habe ich mich dazu ent­schlos­sen, mei­ner geschätz­ten Leser­schaft eine kom­for­ta­ble Mög­lich­keit des Zugriffs auf die­sen musea­len Teil des Inhalts (Web-Zwonull-Neudeutsch: „Con­tent“) anzudienen.

Hereinspaziert!

Blei­stift­ge­schicht­li­ches ist daher ab sofort mit dem Ter­mi­nus „Museum“ ver­schlag­wor­tet, so dass ein Maus­klick auf die­sen Begriff unter­halb eines damit gekenn­zeich­ne­ten Bei­trags alle Aus­stel­lung­s­tü­cke nebst erklä­ren­der Text­ta­fel in umge­kehr­ter zeit­li­cher Rei­hen­folge ihrer Ein­stel­lung in die Kol­lek­tion liefert.

Im Kon­trast zu ihren Pen­dants aus Stein ist diese Gale­rie mit Blei- und Farb­stif­ten und deren Parapher­na­lien sowohl täg­lich als auch rund um die Uhr geöff­net und kos­tet kei­nen Ein­tritt. – Das Feh­len von Muse­ums­café und -shop bitte ich zu entschuldigen.

Nach­trag vom 4.10.09: Eine große Zahl ande­rer Kost­bar­kei­ten bie­tet The Museum of For­got­ten Art Sup­plies.

Nach­trag vom 10.6.11: Ähn­li­ches zeigt auch das Museum of Obso­lete Draf­ting Technol­ogy.

L. & C. Hardtmuth 1516

Teil eines kürz­lich erstan­de­nen Aller­leis waren zwei unge­wöhn­li­che his­to­ri­sche Blei­stifte von L. & C. Hardt­muth, auch bekannt unter Koh-I-Noor.

L. & C. Hardtmuth 1516

Diese Stü­cke mit sehr ähn­li­cher und inzwi­schen ris­si­ger Lackie­rung unter­schei­den sich in der Dicke und der Gestal­tung, haben jedoch die glei­che Modell­num­mer (bei einem ist sie nahezu voll­stän­dig abge­grif­fen, mit einer Lupe aber pro­blem­los erkenn­bar). Das Alter die­ser Stifte kenne ich ebenso wenig wie deren ursprüng­li­che Länge. Der Auf­druck des 5,5 mm dicken Exem­plars ist nicht mehr kom­plett, und der dün­nere mit dem Durch­mes­ser von 4,5 mm wirkt nicht wie werk­sei­tig ange­spitzt; sie dürf­ten also län­ger gewe­sen sein.

L. & C. Hardtmuth 1516

Neben der Num­mer, dem Här­te­grad, dem spä­te­ren Fir­men­na­men „KOH-I-NOOR“ und dem des Her­stel­lers tra­gen die Blei­stifte drei Andre­as­kreuze mit jeweils vier Punk­ten, die mir bereits beim LYRA 2801 auf­ge­fal­len sind und für deren Ver­wen­dung im Blei­stift­kon­text ich noch keine Erklä­rung habe (mög­li­cher­weise dien­ten sie aus­schließ­lich der Dekoration).

L. & C. Hardtmuth 1516

Die Form der Enden las­sen ver­mu­ten, dass beide Stifte – wie diese sehr dün­nen von J.J. Reh­bach – für die Unter­brin­gung im Notiz­buch oder Kalen­der gedacht waren, bie­ten sie doch den Fin­gern beim Her­aus­zie­hen guten Halt; der wie eine Tel­ler­kap­sel geformte Auf­satz ver­hin­dert zudem das Durch­rut­schen. Beim dafür ver­wen­de­ten Mate­rial könnte es sich um Kunst­stoff han­deln, doch da bin ich mir auf­grund der Bear­bei­tungs­spu­ren nicht sicher.

L. & C. Hardtmuth 1516

Laut Kenn­zeich­nung und dem Schreib­ge­fühl haben die Minen bei­der Stifte die Härte HB, wobei die des dicke­ren im direk­ten Ver­gleich ein klein wenig krat­zi­ger wirkt.

L. & C. Hardtmuth 1516

Mit gefal­len diese Blei­stifte, und gäbe es diese heute noch oder wie­der, würde ich sie kaufen.

Speerspitze

Aus dem Blei­stift ein recht gefähr­lich wir­ken­des Gerät macht diese his­to­ri­sche Metall­kappe von J.S. STAEDTLER.

Alte Bleistiftkappe von J.S. STAEDTLER

Sie ist sehr sorg­fäl­tig gefer­tigt und trägt auf dem klem­men­den Ring eine Prä­gung mit dem Vier­tel­mond sowie dem Schrift­zug „J.S. STAEDTLER – BAVARIA“. Trotz des Alters der Kappe, das ich auf 50 Jahre schätze, kann ich keine Kor­ro­sion oder andere Spu­ren der Alte­rung, son­dern nur kleine gebrauchs­be­dingte Krat­zer erkennen.

Alte Bleistiftkappe von J.S. STAEDTLER

Sechs Zen­ti­me­ter Blei­stift­ver­gan­gen­heit in einer für mich äußerst reiz­vol­len Form!

Nach­trag vom 10.11.09: 1920 bot STAEDTLER einen Blei­stift­ver­län­ge­rer an, des­sen Ende die glei­che Form hatte wie diese Metall­kappe und als Brief­öff­ner gedacht war. – Der Kata­log von 1919 führte Ver­län­ge­rer und Kappe jedoch noch nicht auf.

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