Mensch oder Maschine
Lesenswert: „Der Wert der Handschrift im Computerzeitalter“. – Danke an den zonebattler für den Hinweis!
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Der STAEDTLER WOPEX ist sicher der bisher beste, aber nicht der erste durch Coextrusion gefertigte Bleistift. Bereits 1969 beauftragte der Spielzeughersteller Hasbro, damals Eigentümer der Empire Pencil Company1, die Unternehmensberatung Arthur D. Little mit der Entwicklung eines Kunststoff-Bleistifts; 1975 folgten das Patent und die Markteinführung des „EPCON“ genannten Schreibgeräts.
Irv Arons, ehemaliger Mitarbeiter von Arthur D. Little und Entwickler des Schaftmaterials für den EPCON, war so freundlich, mir einige Exemplare zu überlassen, so dass ich diesen historischen Stift unter die Lupe nehmen und zeigen kann. – Der grüne Stift stammt aus der Frühzeit des EPCON und der leuchtend blaue aus dem Jahr 1986; das Alter des graublauen kenne ich nicht. Alle haben eine polymergebundene Mine2 von Empire. (Soweit ich weiß, war der EPCON-Bleistift in Deutschland nicht erhältlich3, dafür aber Thema des Artikels „Satter Strich“ im Spiegel vom 1. Juni 1981.)
Der EPCON hat Standardmaße, ist aber mit knapp 8 g deutlich schwerer als ein mit Zwinge und Radierer4 ausgestatteter Holzbleistift. Neben den für mich rätselhaften Spuren an drei der ungespitzten Enden fällt auf, dass der EPCON lackiert ist, die äußere Schicht also nicht wie beim WOPEX im Coextrusionsprozess aufgebracht wurde. Der Lack ist glatt und fühlt sich an wie der eines holzgefassten Stifts. Die Angabe des Härtegrads fehlt, doch die Mine dürfte HB sein; der Text auf den Stiften kennzeichnet sie als Sonderauflagen.
Beim (übrigens sehr leichten) Spitzen zeigen sich die typischen Merkmale des extrudierten Bleistifts, denn im folienähnlichen Span hängen die Materialien von Mine und Schaft zusammen. Bei meinen Tests war der Span zudem elektrostatisch geladen und zog die Minenkrümel an.
Das Material ist rötlich und porös, und so ist der EPCON auch nicht ganz so dicht wie der WOPEX und lässt sich im Gegensatz zu diesem im Kurbelspitzer spitzen. – Über die Komponenten des Schafts informieren die Patentdokumente5: 50–75% eines Thermoplasts6, 20–40% faseriger Füllstoff (Holzmehl) und etwa 0,5–10% Metallseife (Aluminiumstearat). Letztere ermöglicht eine niedrigere Prozesstemperatur und erleichtert das Spitzen des Bleistifts. – Zum Vergleich: Der WOPEX enthält 70% Holz7 im Schaft sowie 4–12% Wachs und (als drucksenkende Extrusionshilfe) 0,5–2% Palmöl in der Mine8.
Die feine, frische Spitze des EPCON bricht beim ersten Kontakt mit dem Papier ab, doch dann schreibt der Stift gut. Ein Haften der Mine auf dem Papier, wie man es von anderen extrudierten Bleistiften kennt, ist nicht zu bemerken; er gleitet recht leicht (wenn auch nicht so leicht wie der WOPEX) und hat einen sauberen Abstrich. Schwärzung und Wischfestigkeit sind gut, kommen aber nicht an die des WOPEX heran. Der EPCON ist nur eingeschränkt radierbar; hier und bei der Bruchfestigkeit ist der WOPEX ebenfalls überlegen.
Mir gefällt die Färbung des Schaftmaterials9, erinnert diese doch an die des Holzbleistifts. Die Poren allerdings machen sich in meinen Augen nicht gut; das Geschlossene des WOPEX sieht besser aus. – Charakteristisch für extrudierte Bleistifte ist dieser Bruch, der Nutzer holzgefasster Bleistifte vermutlich überrascht.
Die Empire Pencil Corporation hat es nicht beim extrudierten Bleistift belassen, sondern ihr Sortiment später um ebensolche Farbstifte erweitert. Wann das war, konnte ich nicht herausfinden; die gezeigten Exemplare wurden Ende der 1990er Jahre in Portugal gekauft.
Die runden Farbstifte sind gut 7 mm dick und haben einen 3 mm dicken Kern sowie ein offenes Ende; die ursprüngliche Länge der benutzten Stifte kenne ich nicht. Ihr Schaft wirkt an manchen Stellen etwas feinporiger als der des EPCON, doch das könnte an der Serienstreuung liegen.
Zusätzlich zur weißen Kennzeichnung mit Produktbezeichnung, Logo und Hersteller gibt es die Blindprägung „® EPCON USA“, aber keine Chargenbezeichnung. – „Pedigree“ bezeichnete offenbar eine ganze Reihe, denn es gab auch Bleistifte dieses Namens.
Der Pedigree ist bruchstabil und wischfest, aber kaum radier- und nicht wasservermalbar; er krümelt fast nicht und haftet beim Schreiben nur wenig am Papier.
Diese Farbstifte sind sehr interessant und kämen sicher heute noch gut an.
Passend zum Thema bot sich eine kleine Exkursion durch Patentunterlagen an, aus denen einige Abbildungen gezeigt seien.
Der extrudierte Bleistift ist eine bemerkenswerte Erfindung, die mit dem EPCON begonnen und mit dem WOPEX ihren derzeitigen Höhepunkt, aber bestimmt noch nicht das Ende ihrer Entwicklung erreicht hat. Ich bin gespannt auf das, was die Zukunft bringt!
Vielen Dank an Irv Arons für die EPCON-Bleistifte und Melanie für die Leihgabe der Pedigree-Farbstifte!
Als ich gestern Abend auf diese drei Dinge1 schaute, sinnierte ich: „Schön, diese einfachen Werkzeuge.” Aber ich dachte auch an die Materialien und die Techniken zu ihrer Beschaffung und Bearbeitung, die Mess- und Prüfverfahren, den Transport und die Lagerung, die Jahrhunderte, die es gedauert hat, bis man eine solch hohe Qualität fertigen konnte, und vor allem an die vielen Menschen, deren Ideen und Arbeit in diesen klar gestalteten, funktionellen Gegenständen stecken.
Einfache Werkzeuge? Kommt auf die Sichtweise an.
Seit es den Bleistift gibt, haben sich kreative Köpfe mit seiner Verbesserung beschäftigt, doch nicht alle Ideen konnten sich durchsetzen. Vermutlich nicht über das Konzept hinaus kam diese Idee eines Schreibstifthalters, gezeigt in dem Buch „Bleistifte, Farbstifte, farbige Kreiden und Pastellstifte, Aquarellfarben, Tusche und ihre Herstellung nach bewährten Verfahren“ von August Buchwald, erschienen 1904 in A. Hartleben’s Verlag1.
Schreibstifthalter mit kurzen auswechselbaren Minenstücken von Rudolph Spear in Nürnberg.
Dieser Stift sucht die gewöhnlichen Übelstände der nicht genügenden Befestigung der Minen in der Weise zu vermeiden, daß gegen das hintere Ende des in die Gebrauchslage gebrachten Minenstückes ein am Halter befestigter Zapfen drückt, der mit seiner Spitze in eine entsprechende Höhlung des hinteren Minenendes eingreift. Selbstverständlich kann sich die Höhlung auch am vorderen Zapfenende befinden, in welchem Fall das entsprechend gestaltete hintere Minenende in die Höhlung des Zapfens eingreift. In einem wie im anderen Fall wird hierdurch ein genaues Zentrieren des Minenstückes am Vorderende des Halters und eine feste Verbindung desselben mit dem letzteren erzielt, so daß das lästige Wackeln des Minenstückes mit Sicherheit vermieden ist. Der neue Schreibstifthalter in in Fig. 95 und 96 in einer Ausführungsform veranschaulicht. Der Halter besteht in der Hauptsache aus zwei Teilen, dem etwa die Stärke des Bleistifts aufweisenden Unterteil a, welcher an seinem oberen Ende einen schwächeren Zapfen b trägt, und einer über diesen Zapfen zu steckenden, durch Reibung oder gegebenenfalls mit Hilfe mechanischer Verschlußvorrichtungen festgehaltenen Kapsel c. Die letztere ist am vorderen Ende mit einer Öffnung d versehen, welche so gestaltet und bemessen ist, daß der von unten in dieselbe eingedrückte Bleistift allseitig fest umschlossen wird. Das Einführen des in der Zeichnung in der Gebrauchsstellung gezeichneten Bleistiftes e in den Halter geschieht nun in der …
Hier hat man zunächst den Eindruck, als ginge es dem Erfinder in erster Linie um eine frische Spitze, und fühlt sich an den Perpetual Pencil und den Yoropen erinnert. Die Beschreibung indes macht deutlich, dass der Aufwand hauptsächlich dem sicheren Halt der Mine gilt.
Fig. 95.
Schreibstift mit einer Spitze, die in eine entsprechende Vertiefung des Zapfens greift. (Schnitt.)Fig. 96.
Schreibstift mit Höhlung, in die das entsprechend ugespitzte Ende des Zapfens tritt.
… Weise, daß der Schreibstift mit der Spitze (Schreibseite) nach unten in die zu diesem Zweck abgenommene Kapsel c eingeworfen und letztere sodann auf den Zapfen b aufgesteckt wird, so daß sie mit ihrem unteren Rand c
1 auf dem Unterteil aufsitzt. Die Länge des Zapfens b ist so bemessen, daß beim Aufstecken der Kapsel der Schreibstift mit einem gewissen Druck durch die Öffnung d hindurch geschoben wird, daß er um ein gewisses, für den Gebrauch geeignetes Maß aus der Spitze hervortritt. Um nun die Festigkeit der Verbindung zu erhöhen, ist der Schreibstift an seiner unteren Seite mit einer kleinen Höhlung, in die das entsprechend zugespitzte Ende des Zapfens tritt, oder aber mit einer Spitze, die in eine entsprechende Vertiefung des Zapfens greift, versehen. Zum übrigen können natürlich die einzelnene Teile des beschriebenen Halters auch eine von der Zeichnung abweichende und dem jeweiligen Bedürfnis entsprechende Form und Größe erhalten.
Die bei dem neuen Halter als Schreibstift verwendeten Minenstücke können entweder in einem besonderen Behälter beigegeben oder aber, wie in Fig. 95 angenommen, in den Hohlraum des ausgebohrten Halterteiles untergebracht werden.
Wie schon beim im selben Buch beschriebenen Drehbleistift fehlt leider jedes Detail zur technischen Umsetzung dieser Idee, und ich bezweifle, dass sie sich als alltagstauglich erwiesen hätte. Interessant anzuschauen ist sie jedoch allemal!
Die Mine eines Bleistifts kennt jeder, doch wie sieht es in ihrem Inneren aus? Diese Aufnahmen des Rasterelektronenmikroskops LEO 1530 VP lassen uns in eine verborgene Welt schauen.
Hier die Mine eines STAEDTLER Mars Lumograph 100 HB in unterschiedlichen Vergrößerungen.
Die mäandernde Struktur der Graphit-Ton-Matrix ergibt sich durch den Formgebungsprozess.
Das letzte Bild zeigt eine einzelne Graphitflocke und die schichtenförmige Anordnung der hexagonalen Graphitplättchen.
Vielen Dank an STAEDTLER und das Zentrum für Werkstoffanalytik Lauf für die Aufnahmen und die Genehmigung zur Veröffentlichung!
Anm.: STAEDTLER möge mir nachsehen, dass ich mich mit „Reise in den Stift“ bei dem Titel des hervorragenden und schon oft gezeigten Exponats bedient habe.
Nur selten erfährt der normale Bleischreiber etwas von der Qualitätskontrolle, doch im April 1954 bot die Eagle Pencil Company mit dieser ganzseitigen Anzeige in der „Progressive Architecture“ einen Einblick.
Die Kontrolle begann mit der „Eagle Shading Machine“, die den Bleistift unter reproduzierbaren Bedingungen über das Papier führte. Auf letzteres schaute dann ein Reflektometer, das die Schwärzung bestimmte.
Der Testaufwand, der den 17 Härtegraden des Eagle Turquoise zuteil wurde, war offenbar erheblich, vorausgesetzt, man nutzte die Maschinen nicht nur für werbewirksame Auftritte.
Mich würde interessieren, welche anderen Geräte und Verfahren es damals gab und wie man heute prüft.
Unnötig zu sagen, dass ich die Gestaltung der Anzeige einfach klasse finde.
Nachtrag vom 18.10.11: Welche Gerätschaften die Eagle Pencil Company noch präsentierte, zeigt diese mit „100 Years of Basic Research“ überschriebene Seite aus dem Katalog des Jahres 1956, für deren Scan ich Herbert R. sehr danke. – Bilder zum Vergrößern anklicken.
Ein wenig bizarr mutet dieses Instrumentarium schon an, und ich kann mir nur schwer vorstellen, dass man es tatsächlich zielführend eingesetzt hat.
Sieht aus wie ein Etui mit Wachsmalkreiden für kleine Hände, ist aber Spezialwerkzeug: Der Temperaturmessstift Thermochrom 2815 von Faber-Castell kam immer dann zum Einsatz, wenn man wissen wollte, wie heiß eine Oberfläche ist.
Dazu strich man mit dem Stift auf das Material und wartete kurz auf den Farbumschlag. Glich dieser dem Etikett, war die aufgedruckte Temperatur erreicht.
Die sechs 80 mm langen, 8 mm dicken und wachsigen Stifte mit Papierung deckten den Bereich von 75 bis 200 °C ab; weitere Varianten gab es für Temperaturen bis 670 °C.
Ich vermute, dass dieses Etui aus den frühen 1960er Jahren stammt.