STAEDTLER
Vor 25 Jahren
Aus dem Altpapier: Eine Auswahl holzgefasster Stifte von STAEDTLER im Katalog eines Anbieters für Grafikbedarf aus dem Jahr 1987.
Detail
Bei der Betrachtung des STAEDTLER Mars Lumograph 02886 6B ist mir etwas aufgefallen, was ich noch an keinem holzgefassten Bleistift gesehen habe.
Die 3,3 mm dicke Mine ist gerillt.
Über den Zweck dieses Profils kann ich nur spekulieren. Sollte es die Minenoberfläche vergrößern und damit die Verleimung unterstützen? Oder wollte man mit einem zusätzlichen Formschluss den Halt der Mine im Holz verbessern?
Diese Rillen kannte ich bisher nur von Minen für Fallminenstifte, wo sie dem besseren Halt in der Zwinge dienten. – Unten zwei Lumograph 1904 von STAEDTLER aus den 1940er Jahren. Das Zwingchen (hier fest angebracht, später abziehbar) gab es bei STAEDTLER bis 1991; es verhinderte das Herausfallen der Mine.
Nachtrag vom 18.7.12: Ein Leser vermutet, dass man vielleicht mangelbedingt Fallminen in Holz gefasst hat.
Nachtrag vom 28.8.12: Mein Leser Carlos hat mich auf die Abflachungen an der Spitze angesprochen; diese stammen vom Fräser des Kurbelspitzers (hier: der Westcott iPoint Classact).
J.S. STAEDTLER Mars Lumograph 02886
Vergraben in einem Allerlei alter Blei- und Kopierstifte: Ein originalverpacktes Dutzend und einige lose J.S. STAEDTLER Mars Lumograph 02886 im Härtegrad 6B.
Die Variante des auf der Verpackung abgebildeten Marskopfes war von 1925 bis 1952 in Gebrauch. Da STAEDTLER meines Wissens während des zweiten Weltkriegs nicht lackiert hat, gehe ich davon aus, dass die Bleistifte aus den frühen 1940er Jahren stammen, also etwa 70 Jahre alt sind. Der Zustand der Stifte ist indes hervorragend – kein Exemplar ist verzogen oder weist andere dem Gebrauch oder dem Aussehen abträgliche Merkmale auf.
Der Karton trägt die Kennzeichnungen „N/1309“ und „ZULASSUNGS-Nr. 3I Sch 004“. Für diese Angaben und die Null vor der Artikelnummer habe ich keine Erklärung. – Am Rande: 1963 wurde die Richtung der Beschriftung umgekehrt und 1967 von der 2886 auf die 100 umgestellt.
Der schwarze Prägedruck enthält den 1887 als Warenzeichen angemeldeten Viertelmond sowie die bis in die 1960er Jahre hinein genutzte Kombination aus dem astronomischen Zeichen für den Planeten Mars und den beiden Mars-Monden Phobos und Deimos.
Die Verarbeitung ist sehr gut, und wenn man genau hinschaut, erkennt man längslaufende Rillen in der Mine, wie sie auch mal bei Fallminen üblich waren; ich vermute, sie sollten die Verleimung, d. h. den Halt der Mine im Holz verbessern (mehr dazu hier).
Das Holz mit seiner Maserung und der rötlichen Färbung ist eine Pracht, und beim Spitzen war ich überrascht: Mir ist noch kein Bleistift untergekommen, der so intensiv und angenehm nach Zeder duftet! (Gespitzt habe ich den 02886 übrigens mit dem iPoint Classact von Westcott.)
Der 02886 hat einen Durchmesser von 8,8 mm (Schlüsselweite 8 mm) und eine 3,3 mm dicke Mine mit sauberer Abgabe und kräftiger Schwärzung. Sie ist fettiger als die im Vergleich beinahe kreidig wirkende des Faber-Castell 9000 Jumbo 6B. Zudem fällt auf, dass sie leichter gleitet und mehr glänzt, sich aber etwas schlechter radieren lässt; dies könnte für feineren Graphit, eine höhere Minendichte und eine stärkere Imprägnierung sprechen.
Ein beeindruckender Bleistift!
J.S. STAEDTLER 1919 (8)
Ich schaue gerne ganz genau hin und heute auf den Titel des Katalogs von J.S. STAEDTLER aus dem Jahr 1919, der hier schon mehrmals im Mittelpunkt stand. Diesmal geht es jedoch nicht um die Produkte, sondern um die Gestaltung.
Gesetzt wurden diese Seite und große Teile des Katalogs in der Behrens Antiqua, die der Künstler Peter Behrens um 1902 entworfen hat und laut MyFonts bei der Gießerei Rudhard in Offenbach erhältlich war. (Als Anbieter einer digitalen Variante wird Solotype genannt, aber dieser fehlen u. a. die Textziffern und die Ligaturen; zudem ist sie vergleichsweise kantig.)
Die Behrens Antiqua und ihre Verwendung in diesem Katalog gefallen mir außerordentlich gut. Hier zum Beispiel hat man zur besseren Lesbarkeit statt des versalen I ein J genommen.
Einige Versalien haben Unterlängen.
Textziffern tragen zur Attraktivität bei.
Gut möglich, dass die Jugendstil-Ornamente auch von Peter Behrens stammen.
Die Blattmitte ziert eine Abbildung des bis Ende 1988 genutzten Staedtler-Werkes in der Nürnberger Innenstadt. Ein Großteil wurde abgerissen, doch im ehemaligen Verwaltungsgebäude befindet sich heute das Finanzamt.
Ungewöhnlich sind auch die Anführungszeichen und der Bindestrich.
Die Form des G finde ich besonders bemerkenswert.
Schön: Die fi-Ligatur.
Das Genetiv-s war damals noch nicht verpönt. – Die Jahreszahl 1662 hat bereits zu einigen rechtlichen Streitereien geführt, doch an der ersten urkundlichen Erwähnung des Friedrich Staedtler, einem Vorfahren Johann Sebastian Staedtlers, ist nicht zu rütteln. – Hier zu sehen: Eine ch-Ligatur.
Unter dem 1900 angemeldeten Markennamen „Mars“ liefen die Spitzenprodukte des Sortiments.
Das kleine g hat es ebenfalls in sich.
Eine ft-Ligatur gab es offenbar nicht.
Der kleine Mond, diesmal recht detailliert und gar nicht so klein, ist selbstverständlich mit von der Partie.
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Dieses war der fünfte Streich, …
… doch der sechste – nein, das war das fünfte Jahr dieses Weblogs, und das sechste hat gerade begonnen!
Danke an meine Leser für ihr Interesse und ihre Teilnahme an diesem bunten Durcheinander, das inzwischen 829 Beiträge mit über 2200 Fotos und 3631 Kommentaren umfasst. Weiter geht’s!
Gelb 2.0
So ganz klar ist nicht, woher die Popularität der gelben Farbe für Bleistifte im englischsprachigen Raum, vor allem aber in den USA kommt. Manche Quellen nennen als Ursprung den Fund hervorragenden Graphits in südsibirischen Berg Batugol nahe China im Jahre 1874; andere führen den gelben Diamanten Koh-I-Noor an, nach dem L. & C. Hardtmuth im ausgehenden 19. Jahrhundert ihren besten Bleistift benannten und so diese Farbe mit hoher Qualität verbanden. Doch wie auch immer: Die in den USA bekannten und beliebten Bleistifte wie Eberhard Faber Mongol, Dixon Ticonderoga und General’s Semi-Hex waren und sind gelb lackiert.
Dieser Vorliebe gerecht wird auch STAEDTLER mit einer besonderen Variante des WOPEX, die in Nürnberg für den britischen und den US-Markt gefertigt wird. Außer in der Schaftfarbe und im Radiertip, einem weiteren charakteristischen Merkmal amerikanischer Bleistifte1, unterscheidet sich der gelbe WOPEX zudem in seiner glatteren Oberfläche von den hier erhältlichen Ausführungen. Ich finde ihn ansprechend!
- Ich wünschte, es gäbe neben dem Noris 122 noch ein, zwei weitere Bleistifte mit Radiertip im Sortiment von STAEDTLER. Einen Mars ergosoft oder einen Lumograph mit Radiertip – das wär’s! (Letzteren gab es ja schon einmal, wie diese Anzeige aus den 50er Jahren zeigt.)↩
Schritt für Schritt
Den Klassiker Mars Lumograph 1001 von STAEDTLER kennt wohl fast jeder, doch wer weiß schon, wie seine Lackierung entsteht?
Zur Erinnerung: Graphit, Ton und Wasser werden gemischt, in Stränge gepresst, auf Stiftlänge gebracht, gebrannt und in Paraffin getaucht. Die so gefertigten Minen kommen mit Leim2 zwischen zwei genutete Brettchen; aus diesem Leimling fräst man dann die Rohbleistifte3.
Dieser Rohbleistift (hier aus Zeder) geht dreimal in die Durchstoßlackierung. Er wird dazu in einen mit Lack gefüllten Behälter geschossen und verlässt ihn lackiert.
Es folgt eine Schicht eines hochglänzenden, transparenten Lacks.
Im nächsten Schritt bekommt der Stift seine Folienprägung – Kennzeichnung, Strichcode, EAN und Artikelnummer – sowie die Blindprägung (rechts neben „Lumograph“).
Anschließend wird das Ende, auf den die Tauchkappe kommt, verrundet („geschärfelt”).
Nach dem ersten Tauchgang, in dem auf Länge der Kappe Isolierlack aufgebracht wird, kommt ein zweiter mit weißem Lack, …
… ein dritter mit schwarzem, der knapp über den Rand geht, …
… und ein vierter ebenfalls mit schwarzem Lack. Ein Überzug mit hochglänzendem, transparentem Lack4 vervollständigt die Tauchkappe.
Die Härtegrad-Kennzeichnung wird angebracht.
Zum Schluss wird der Stift gespitzt5. Fertig!
Diese Muster stammen aus dem Unterrichtsset, das STAEDTLER auf der Paperworld 2011 vorgestellt hat. Vielen Dank an STAEDTLER für das Set!6
- Er kam am 1. August 1930 als Nachfolger des MARS 1225 unter den Namen MARS-LUMOGRAPH 2886 auf den Markt; 1967 wurde er in den Mars Lumograph 100 umbenannt.↩
- Genaugenommen sind es bei STAEDTLER zwei Klebstoffe, und zwar einer für Mine-Holz und ein anderer für Holz-Holz, da beide Verbindungen unterschiedliche Ansprüche an den Klebstoff stellen.↩
- Apropos Rohbleistift: Ein solcher hochwertiger wäre eines Thoreaus würdig gewesen und hätte sich in diesem Set zweifellos besser gemacht als der in jeder Hinsicht minderwertige Bleistift unbekannter Herkunft, mit dem Diogenes des 150. Todestages des Schriftstellers und Bleistiftherstellers zu gedenken versucht hat.↩
- Wer sich einen Stift genau anschaut, kann den Rand dieses Lacks knapp unterhalb des weißen Rings erkennen.↩
- Soll der Bleistift ungespitzt verkauft werden (z. B. in Japan), wird das Ende nur gesäubert.↩
- Ich mag Fußnoten und hoffe, einige meiner Leser auch.↩