Museum
Uchida Polymer HB
Die Mine des holzgefassten Bleistifts besteht seit gut 220 Jahren aus Graphit und Ton. Diese bewährte Mischung bietet jedoch bei sehr dünnen Minen nicht die Bruchfestigkeit, wie man sie z. B. für mechanische Bleistifte braucht. Erfolg bei der Suche nach Alternativen hatte das japanische Unternehmen Pentel, das 1960 die 0,9-mm-Feinmine auf den Markt brachte, für die statt Ton Polymere als Bindemittel eingesetzt werden. Dieses Verfahren wurde ständig weiterentwickelt und macht sogar Minen mit einem Durchmesser von nur 0,2 Millimetern möglich.
Pentel verband später beide Welten und stellte 1986 den Holzbleistift Pentel Black Polymer 999 mit einer 2 Millimeter starken Polymermine1 vor. Dieser Bleistift, der bis 2011 erhältlich war, gibt mir bis heute Rätsel auf, denn ich weiß nach wie vor nicht, wer ihn hergestellt hat2. Doch es gab diese besondere Mine auch für Fallminenstifte, und zwar von Uchida, einem der beiden größten japanischen Anbieter von Zeichenzubehör3.
Das Etui mit der Artikelnummer 826-04094 enthält sechs 120 mm lange Minen mit einer kleinen transparenten Kunststoffhülse am Ende, die verhindert, dass die Mine bei geöffneter Klemmzange herausfällt5; dazu findet sich auf der Rückseite des Etuis ein erklärender Text6.
Ist es wirklich eine Polymermine wie im Pentel Black Polymer 999? Ja, denn sie hat die gleichen Eigenschaften: Sie gleitet außerordentlich leicht, hat eine saubere Abgabe, schwärzt hervorragend, ist sehr gut radierbar und zeigt auch das typische leichte Haften. Es überrascht aber, dass sie erheblich weicher ist als ihr holzgefasstes Pendant, ja sogar weicher als 2B7.
Mit einem Mitsubishi/uni Hi-uni (vermutl. 1980er Jahre) und dem Minenspitzer Tortoise
Es bleiben allerdings Fragen: Wer hat diese Minen hergestellt? Wann waren sie erhältlich?
- Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es hier um die gebrannte Polymermine geht (in Fachkreisen auch „abgeleitete Polymermine“ genannt). Die ungebrannte findet man z. B. in den extrudierten Bleistiften von STAEDTLER aus „Upcycled Wood“ (ursprünglich WOPEX, später Noris Eco).↩
- Von Pentel kam vielleicht die Mine (da habe ich widersprüchliche Informationen), nicht aber die Holzfassung, denn soweit ich weiß, hatte Pentel nie eine Holzbleistiftfertigung. – Pentel bot damals noch andere Bleistifte mit Polymermine an, die sich interessanterweise in der Rezeptur unterschieden. Mit dem Eyeball Olen Mark Sheet, dem Kutsuwa Orenpitsu und dem Kutsuwa Hokusign sind auch heute noch Holzbleistifte mit Polymermine erhältlich.↩
- Der andere ist Drapas.↩
- Über diese konnte ich herausfinden, dass diese Minen auch in 3H (-0413), 2H (-0412), H (-0411), F (-0410) und B (-0408) angeboten wurden. Gab es noch weitere?↩
- Siehe dazu „Kunst und Technik“.↩
- Unter dem Aufkleber steht „UCHIDA YOKO CO., LTD.“↩
- Ich habe leider keine weicheren Grade des Pentel Black Polymer 999 und kann daher keine weiteren Vergleiche vornehmen.↩
Gebrauchsspuren
Vor langer Zeit, als die Jahreszahlen noch mit „19“ anfingen und ich nur eine Handvoll Schreibgeräte hatte, war der Druckbleistift MARS-MICROGRAPH 770 151 von STAEDTLER mein ständiger Begleiter.
Gekauft habe ich ihn zusammen mit der 0,3- und der 0,7-mm-Variante für das technische Zeichnen, doch er wurde schnell zu meinem bevorzugten Schreibgerät und blieb es auch für die darauffolgenden 19 Jahre. Dies hat natürlich Spuren hinterlassen.
Die Spitze und der Griff sind teilweise korrodiert und der Prägedruck2 ist fast vollständig abgerieben. Auch der Blauton hat gelitten3 und ist nur noch im Härtegradfenster zu erahnen. Schleifspuren am Drücker zeugen von häufiger Betätigung, doch die Mechanik funktioniert noch so gut wie am ersten Tag.
Vor etwa 20 Jahren habe ich den MICROGRAPH in den wohlverdienten Ruhestand geschickt und mich anderen Modellen zugewandt. Als ich kürzlich ein neues Exemplar4 bekommen konnte, bot sich die Gelegenheit für diese Gegenüberstellung.
- Er war der erste Druckbleistift von STAEDTLER mit gerändeltem Metall-Griffstück und Härtegradindikator. – Die Modellnummer 770 gab es erstmals 1969 beim Druckbleistift MARS-770. Der MARS-MIRCOGRAPH 770 1x kam 1978 in vier Strichstärken auf den Markt und war bis 1990 erhältlich, wobei zunächst alle Varianten den gleichen blauen Schaft und eine gerade Spitze hatten. Später erhielt jede Strichstärke ihren eigenen Blauton (0,5: Marsblau), und in einer weiteren Änderung wurde die Spitze etwas kürzer und bekam einen Absatz; dies ist die hier gezeigte Version. – Quelle: „STAEDTLER ID guide 1969-2022“. bei Knockology.↩
- Dem aufmerksamen Beobachter wird aufgefallen sein, dass der Prägedruck beim neuen Exemplar etwas weiter links sitzt als beim alten. Dafür habe ich keine Erklärung; ich will nicht ausschließen, dass es bei der dritten Generation dieses Druckbleistifts zu weiteren Änderungen – in diesem Fall bei der Position der Kennzeichnung – kam.↩
- Aber es geht noch schlimmer: Hin und wieder sieht man die 0,3-mm-Variante, deren Hellblau zu einem blassen Türkis geworden ist.↩
- Genauer: „NOS“, also „new old stock“, wie es gerne heißt.↩
Manormus, das denkende Lineal
Aus dem Museum für veraltete Zeichentechnik: Der Manormus.
Das – so die Angabe auf dem Utensil – „Universal-Gerät für Lineaturen Netze Tabellen Schraffuren Beschriftungen“ wurde für das Zeichnen von Linien mit gleichmäßigen, definierten Abständen genutzt. Dazu steckte man den Bleistift in eines der 140 Löcher1 und führte den Manormus an der Zeichenschiene oder dem Lineal entlang.
Die waagrechten Hilfslinien galten für die acht genormten Schriftgrößen nach DIN, wobei drei verschiedene Zeilenabstände zur Auswahl standen. Für jede Schriftgröße gab es ein Lochsystem, und bei der Wahl der richtigen Federstrichbreite halfen zwei senkrechte parallele Linien sowie die Nummern der Redis- und ATO-Federn2.
Die linke Kante diente dem Zeichnen von Hilfslinien im Winkel von 75° für schräge Schrift. – Zusätzlich gab es Schablonen für einige im Maschinenbau gebräuchliche Zeichen.
Die Gestaltung der vierseitigen Anleitung finde ich sehr ansprechend, vor allem wegen der roten Zwischenüberschriften, die in der Signal von Walter Wege aus dem Jahr 1931 gesetzt sind3. – Manormus4 und Anleitung kamen in einem braunen Umschlag, den ich leider nicht habe. Das Alter dieses Exemplars schätze ich auf etwa 50 bis 60 Jahre5.
Ein Hilfsmittel mit sehr ähnlicher Zielsetzung ist der vor gut 100 Jahren erfundene Ames Lettering Guide, dessen Besonderheit eine drehbare Scheibe ist6; er wird auch heute noch gerne von Kalligraphen genutzt (siehe z. B. „Guidelines in a breeze: The Ames Lettering Guide for Calligraphers“).
- Diese Löcher waren konisch und verjüngten sich nach unten auf einen Durchmesser von gut 1 mm.↩
- Soweit ich weiß, war „ATO“ die Bezeichnung der Bandzugfedern von Heintze & Blanckertz, dem ersten deutschen Hersteller von Schreibfedern.↩
- Eine Digitalisierung der Signal erschien vor einigen Wochen als FDI Lettograph.↩
- Wie der Hersteller auf „das denkende Lineal“ kommt, ist mir rätselhaft.↩
- Es gab mindestens eine ältere, aber identisch ausgeführte Variante mit einer ausführlicheren Anleitung, die mehr ins Detail ging und auch Schriftmuster enthielt.↩
- Zum Erfinder siehe „Creator: O.A. Olson, Ames Lettering Guide Inventor“.↩
Vier Stifte
Auf einem Briefumschlag von STAEDTLER aus dem Jahr 1935 findet sich diese reizvolle Illustration.
Besonders gut gefällt mir der Einsatz der Schraffuren für die Darstellung der vier Stifte1 in diesem nur 55 × 65 mm kleinen Druck. – Damals auch anzutreffen waren drei Stifte, meist stilisiert und als Teil einer Wappen-ähnlichen Grafik.
- Der zweite von rechts könnte der Lumograph sein, der zunächst nur eine schwarze Tauchkappe hatte und in dieser Zeit den weißen Zierring bekam.↩
STAEDTLER CIRCOFIX und ein besonderes Zubehör
Heute geht es zurück in die Zeit, in der es Zirkel nicht nur für Schüler und in bunten Varianten gab, sondern auch für den professionellen Gebrauch. Eines der Spitzenmodelle der späten 1980er und frühen 1990er Jahre war der MARS TECHNICO 5551 von STAEDTLER, für den umfangreiches Zubehör angeboten wurde. Dazu gehörten die Druckbleistifteinsätze der Reihe CIRCOFIX, die im Tuschezeichneradapter2 Platz fanden und im Gegensatz zum geklemmten 2-mm-Minenstück das Zeichnen in normgerechten Linienbreiten ermöglichten. Diese Einsätze gab es für Feinminen (0,3/0,5/0,7 mm) und als Fallminenstift (2 mm)3.
Sie waren auch im Sortiment der Mitbewerber zu finden, doch STAEDTLER gab ihnen ein besonderes Zubehör mit, das ich noch bei keinem anderen Hersteller gesehen habe.
Es war ein 91 mm langer und gut 10 mm dicker Kunststoffschaft, der auf den Druckbleistifteinsatz aufgeschraubt wurde und ihn so zu einem Druckbleistift machte.
Durch eine seitliche Aussparung konnte man den Drücker für den Minenvorschub betätigen. Das finde ich sehr pfiffig! – Soweit ich weiß, gab es diesen Schaft nur als Teil größerer Zirkelkästen, die auch Druckbleistifteinsätze enthielten, aber nicht einzeln.
Den CIRCOFIX4 gab es in mindestens zwei Generationen. Die ältere hat einen konischen Drücker, der die Kennzeichnung „W.Germany“ trägt, und die neuere einen zylindrischen mit „Germany“; den Schriftzug „GERMANY“ auf dem Schaft hat man offenbar noch während der ersten Variante wegfallen lassen.
Die späteren Druckbleistifteinsätze waren wesentlich dünner und aus Metall5; heute gibt es sie meines Wissens nur noch vom japanischen Hersteller Uchida. – Weitere Details zu dieser speziellen Produktgattung bietet der sehr gute Beitrag „Mechanical Pencil Month – Day 14: Compass inserts“ im Weblog Graphography.
Nachtrag vom 27.6.25: Der Verlängerungsschaft (so die korrekte Bezeichnung) hatte die Artikelnummer 556 91 und war von 1987 bis 1996 erhältlich.
- Das Nachfolgemodell war der Mars professional 555 (ohne „Technico“), der etwas anders gestaltet war und abknickbare Schenkel sowie eine andere, leichter zu bedienende Schnellverstellung mit Drucktasten hatte.↩
- Der hier gezeigte MARS TECHNICO 555 (im Set mit der Art.-Nr. 555 30 SK) hatte einen integrierten Adapter; andere Ausführungen verfügten über einen separaten Adapter mit geschlitztem 4-mm-Zapfen. – Es gab auch Zapfen mit 3 und 3,5 mm Durchmesser, und heute noch erhältlich sind Universaladapter mit Klemmschraube und Wechselzapfen für alle drei Durchmesser.↩
- Zu sehen unter „Kleine Kreise“.↩
- Kurioserweise führt das DPMAregister diesen Namen nicht auf, auch nicht als gelöscht. Wurde er etwa nicht eingetragen?↩
- Zu sehen unter „Mini-Mechanik“.↩
Dreh-, Schiebe-, Teleskopbleistifte und ihre Reparatur
Mit einem besonderen Teil der Bleistiftwelt beschäftigt sich Winfried Neu aus Karlsruhe, denn sein Interesse gilt alten mechanischen Bleistiften. Dazu hat er eine 40-seitige Arbeit mit dem Titel „Dreh-, Schiebe-, Teleskopbleistifte und ihre Reparatur“ verfasst, in der er sein umfangreiches Wissen teilt.
Die Arbeit beginnt mit der präzisen Klassifizierung der unterschiedlichen Varianten, der eine detaillierte Beschreibung der möglichen Defekte sowie deren Diagnose und Behebung folgen. Viele Abbildungen erleichtern das Verständnis der speziellen Materie, und kurze Ausflüge in die Kulturgeschichte bieten zusätzliche Einblicke. Zahlreiche praktische Tipps, eine Übersicht des benötigten Materials und der Werkzeuge sowie Literaturhinweise schließen das Dokument ab.
Für mich war diese Arbeit ein Augenöffner. Der Erfindungsreichtum und die Komplexität dieser Stifte haben mich überrascht, und auch wenn so manches aus heutiger Sicht umständlich und übertrieben aufwändig wirken mag, so sind diese Stifte doch der Ursprung der heutigen mechanischen Bleistifte und immer noch reizvoll.
Ich finde das Thema und dessen Behandlung beeindruckend und freue mich über die Sorgfalt und die Liebe zum Detail, aber auch über die Wertschätzung des Autors für die Handwerkskunst der damaligen Zeit. Wer Interesse hat, kann die Arbeit als PDF-Datei bei Herrn Neu per E-Mail anfordern. Danke an Herrn Neu für diese Arbeit und dafür, dass er sie kostenlos abgibt!
CAPTAIN STAEDTLER (4)
Meine Suche nach dem Ursprung von CAPTAIN STAEDTLER dauert an, doch kürzlich fiel mir etwas Bemerkenswertes auf.
Der Superheld von STAEDTLER UK warb für Faserschreiber und Farbstifte in insgesamt acht Anzeigen im Comic-Stil, die vom 19. August bis zum 30. Dezember 1978 im Magazin „2000 A.D.“ erschienen. Hier sein erster Auftritt.
Der Vollständigkeit halber sei der ungewöhnliche, an eine Zeitung erinnernde Titel dieser Ausgabe von „2000 A.D.“ gezeigt.
Den als „Special Offer“ angebotenen „superb 3-D Captain Staedtler badge“ konnte ich vor einiger Zeit bekommen.
Kurz danach bin ich auf eBay über diesen Anstecker von Captain Britain gestolpert.
Die Ähnlichkeit der beiden Anstecker1 ist verblüffend. Captain Britain wurde von Chris Claremont und Herb Trimpe erdacht, von letzterem gezeichnet und trat erstmals 1976 auf. Gibt es eine Verbindung oder beschränken sich die Gemeinsamkeiten auf die Anstecker?
Danke an Paul von kylezcomics für das Fotos des „Captain Britain“-Ansteckers!
- Ein Kommentator unter „My mysterious Captain Britain badge“ meint, der „Captain Britain“-Anstecker käme von Monogram Products, Largo, USA.↩