Pentel Black Polymer 999
Die Bleistiftmine, wie wir sie heute kennen, hat der Franzose Nicolas-Jacques Conté im Jahr 1795 erfunden1. Er war der erste, der den Graphit mit Ton und Wasser mischte, daraus die Minen presste und diese dann brannte2. Damit wurde es auch möglich, den Härtegrad zu steuern – je höher der Graphitanteil, desto weicher die Mine.
Gut 150 Jahre danach suchte man nach einem Verfahren, um sehr dünne, bruchstabile Minen für mechanische Bleistifte herzustellen. Erfolg hatte schließlich das im Jahr 1946 gegründete japanische Unternehmen Dai-Nihon Bungu Kabushiki Kaisha, das sich später den Namen Pentel gab und 1960 die Polymermine auf den Markt brachte3. Diese Mine, die als Bindemittel Polymere4 statt Ton enthält, wird ebenfalls gebrannt, wobei ein Teil der Polymere karbonisiert5, d. h. in Kohle umgewandelt wird, was zur Schwärzung beiträgt6.
Neben ihrer hohen Bruchfestigkeit hat die Polymermine noch weitere Vorteile gegenüber der keramischen, denn sie gleitet leichter, schreibt sauberer, ist sparsamer und schwärzt stärker. Sie wird inzwischen von allen großen Herstellern angeboten und ist in den Durchmessern von 0,2 bis 1,3 mm und den Härtegraden 4H bis 4B erhältlich.
19867 brachte Pentel eine Besonderheit auf den Markt, und zwar den holzgefassten Bleistift Black Polymer 999 mit einer 2 mm starken Polymermine. Dieser Bleistift wurde offiziell nur in Japan verkauft und ist hierzulande kaum bekannt. Es gab ihn 25 Jahre; 2011 endete die Produktion.
Der Black Polymer 999 war in mindestens fünf Varianten erhältlich:
- PBP 999, erste Ausführung (CB100; schwarzer Lack, matt; JIS-Logo8) 1986–?
- PBP 999, zweite Ausführung (CB100; schwarzer Lack, matt; Barcode und GTIN) ?–2011 (4B–2H)
- PBP 999 (CB1; türkiser Lack, glänzend; Namensfeld, Hiragana/Kanji9, Farbcodierung10) ?–2011 (2B–HB)
- PBP 999α (CB200; schwarzer Lack, glänzend; JIS-Logo, graue Kunststoffkappe) 1987–2000
- PBP 999α (CB201; Klarlack, glänzend; JIS-Logo, braune Kunststoffkappe) 1989–?
Im Gegensatz zu den ersten drei haben die α-Varianten einen Tauchring und die Härtegrad-Angabe auf allen statt nur auf zwei Flächen. (Den Craft Design Technology item 1711 könnte man trotz seines abweichenden Namens als sechste Variante bezeichnen, denn auch dieser hatte eine Polymermine und kam von Pentel12.) – Im Folgenden ein näherer Blick auf die zweite Variante.
Der Black Polymer 999 ist 7,8 mm dick13 und 177 mm lang. Sein Holz (Weihrauch-Zeder) lässt sich sehr gut spitzen, ist aber nicht von der besten Qualität, denn manchmal reißt es im Handspitzer trotz scharfem Messer leicht aus. Durch die bruchfeste Mine lässt sich sogar der Black Polymer 999 2B14 im Faber-Castell Janus 4048 problemlos in Form bringen.
Leider ist das Finish nur mittelmäßig: Der matte, recht dünne Lack zeigt einige Unregelmäßigkeiten und wird durch den Gebrauch des Stifts glänzend. Auch der silberfarbene Prägedruck könnte besser sein; in manchen Fällen hat er kleine Lücken (die Verarbeitungsqualität der α- und der türkisen Variante ist deutlich höher, wobei letztere den besten Eindruck macht). Das ist schade, denn mir gefällt die Gestaltung, besonders wegen „BLACK POLYMER“ in der Eurostile von Aldo Novarese (1962) und „999“ in Dot-Matrix-Optik15.
Die Gradation ist ungewöhnlich. Während HB, B und 2B subjektiv etwa dem jeweils nächstweicheren Grad beim STAEDTLER Mars Lumograph 100 entsprechen (also B, 2B und 3B), so ist der Black Polymer 999 H für einen japanischen Bleistift vergleichsweise hart und eher mit dem STAEDTLER Mars Lumograph 100 H vergleichbar.
Aus dem Pentel-Katalog des Jahres 2008
Die Schreibeigenschaften sind hervorragend: Die imprägnierte16, außerordentlich bruchstabile Mine gleitet sehr leicht, hat eine saubere Abgabe, schwärzt hervorragend und ist sehr gut radierbar. Auch im Verbrauch schlägt die Polymermine die keramische; ich habe den Eindruck, als würde sie etwa 1,3- bis 1,5-mal so lange halten. So behält der Bleistift auch seine Spitze länger.
Die Wischfestigkeit kann ich nur schwer beurteilen, hängt sie doch vom Härtegrad, dem Schreibdruck, dem Papier und dem Andruck beim Wischen ab. Pentel Japan gab damals an, dass die Partikel im Black Polymer 999 gleichmäßiger geformt seien und daher besser am Papier haften, aber ich habe nicht den Eindruck, als sei die Mine wischfester als die anderer hochwertiger Bleistifte. – Bei weicheren Graden und glatten Papieren kann man das ganz leichte und für die Polymermine typische Anhaften der Mine spüren, aber das stört mich nicht.
Da Pentel meines Wissens keine eigene Holzbleistiftfertigung hatte, habe ich versucht herauszufinden, wer den Black Polymer 999 hergestellt hat. Zwei mit dem japanischen Schreibwarenmarkt sehr Vertraute haben mir bestätigt, dass der Stift nicht von Pentel stammt, doch bei der Mine waren sie sich uneins – der eine meinte, sie käme von Pentel, und der andere gab an, dass sie von einem Zulieferer stamme. Dies muss aber kein Widerspruch sein, denn in dieser Besprechung ist zu sehen, dass sich die Minen der ersten und der zweiten Variante unterscheiden. Es wäre also gut möglich, dass die Produktion zwischendurch gewechselt hat; wer beteiligt war, weiß ich jedoch leider bis heute nicht.
Zurzeit gibt es mindesten drei holzgefasste Bleistifte mit Polymermine, und zwar den Eyeball Olen Mark Sheet, den Kutsuwa Orenpitsu und den Kutsuwa Hokusign. Man sagte mir, dass Kutsuwa die Bleistifte nicht selber herstelle, aber Eyeball eine Fertigung habe. Eyeball gehört zur Oriental Sangyo Co., Ltd., die 1953 als Oriental Pencil Co., Ltd. gegründet wurde. Dieses Unternehmen stellt Kohlenstoffprodukte und Graphitpulver her und seit 1961 auch Bleistift- und Farbminen (Oriental ist zudem Teil der Tokai Carbon Co., Ltd.). Es spricht also einiges dafür, Oriental Sangyo Minen für Eyeball herstellt und Eyeball Bleistifte an Kutsuwa liefert.– Es fällt auf, dass sich unter der farbigen Lackierung des Hokusign und des Orenpitsu ein silberner Lack findet, der dem des Olen Mark Sheet bemerkenswert ähnlich ist (aber das muss nichts heißen).
Der Pentel Black Polymer 999 ist heute nur noch sehr schwer zu bekommen (und wenn, dann nicht selten für das zehnfache seines ursprünglichen Preises oder im Fall des 999α für wesentlich mehr), doch die oben genannten Bleistifte von Eyeball und Kutsuwa sind würdige Nachfolger.
- Zuweilen wird auch der Österreicher Joseph Hardthmuth als Erfinder genannt, doch er hatte die Idee wohl erst drei Jahre nach Conté.↵
- Weil in diesen Minen der Ton das Gerüst bildet, spricht man auch von keramischer Bindung.↵
- Dies ist zumindest die am weitesten verbreitete Darstellung, doch es gibt auch andere. So heißt es in „Drawing Instruments 1580–1980“ von Maya Hambly (Sotheby’s Publications 1988):
The most recent development in special drawing pencils is a plastic ‘polymer’ combined with graphite to produce very fine leads, only 0.3, 0.5, 0.7 and 0.9 mm thick. Originally developed by Faber-Castell in the 1950s this process was soon taken over by a Japanes firm, now known as Pentel, who specialize in a range of fine leads supplied for small automatic-feed clutch pencils. There are several versions available, all of which are made with leads in metric thickness to correspond to the ink line thickness produced by technical pens. The fine line pencils do not require sharpening and are suitable for use on tracing paper and polyester drawing film.
Ich habe Faber-Castell darauf angesprochen, aber noch keine Antwort erhalten. – In „Der Bleistift“ von Henry Petroski (Birkhäuser 1995) findet sich:
Über sechzig Millionen mechanische Bleistifte wurden jedes Jahr abgesetzt, und der allerneueste Verkaufsschlager war der Bleistift mit einer noch feineren «feinlinigen» Mine mit einem Durchmesser von 0,5 Millimetern – eine Errungenschaft, die es bei Zeichenbleistiften schon seit 1961 gab. Viele der superdünnen Bleistiftminen kamen bald aus Japan, wobei einige einen Durchmesser von nur 0,3 mm hatten, aber inzwischen beherrschen die traditionellen deutschen Bleistifthersteller ebenfalls diese Technologie. Ende der siebziger Jahre war Faber-Castell in Stein bei Nürnberg das einzige Unternehmen außerhalb Japans, das die neuartigen Minen in Großserie und nach eigener Rezeptur herstellen konnte. Da keramische Minen nicht stabil genug sind, um so fein gemacht zu werden, waren die neuen Minen nur durch die Beimischung von Plastik in einem Polymerisationsverfahren möglich.
Aber: Der von mir hervorgehobene Satz ist im englischen Original „The Pencil“ nicht vorhanden! – Pentel begann mit Minen im Durchmesser von 0,9 mm und bot im selben Jahr, also 1960, den ersten Druckbleistift dafür an. STAEDTLER folgte 1967 mit der Herstellung von Feinminen und 1969 mit der von Druckbleistiften.↵ - In diesem Fall PVC.↵
- Hier bin ich mir nicht sicher; möglicherweise wird auch der gesamte Polymeranteil karbonisiert.↵
- Neben den gebrannten Polymerminen auf synthetischer (PVC) und natürlicher Basis (Cellulose, Lignin) gib es noch ungebrannte wie z. B. im EPCON-Bleistift und im STAEDTLER WOPEX (heute: Noris eco). – Sowohl das EPCON- als auch das WOPEX-Patent führen Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) auf.↵
- Diese Jahreszahl kann falsch sein, denn ich habe auch mal von August 1987 gehört.↵
- Japanese Industrial Standards. – Diese Variante des Logos wurde bis August 2008 genutzt.↵
- かきかた えんぴつ, „kakikata enpitsu“, grob übersetzt „Schreiblern-Bleistift“ (mit diesem Bleistift richtete man sich an Kinder). – Zur Bedeutung der Kanji-Zeichen kann ich leider nichts sagen.↵
- HB – gelb, B – dunkelrot, 2B – rosa.↵
- Nicht zu verwechseln mit dem Nachfolger Craft Design Technology item 32, der eine keramische Mine hatte und von Camel hergestellt wurde.↵
- Pentel gab damals an, die Technologie des Black Polymer 999 auch in den Bleistiften ECB, TUFF und Mark Sheet genutzt zu haben. Den ECB und den TUFF kenne ich nicht, doch die Mine des Mark Sheet unterscheidet sich deutlich von der des Black Polymer 999 und wirkt auf mich wie eine keramische. – Möglicherweise hat man auch das keramische und das Polymerverfahren kombiniert.↵
- Schlüsselweite 7 mm.↵
- Weichere Grade habe ich nicht. – Interessant zu wissen wäre, ob die Minen der Grade 3B und 4B auch 2 mm dick sind.↵
- Ich wüsste gerne, ob es mit der Zahl 999 eine besondere Bewandtnis hat.↵
- Ob eine Mine imprägniert ist, kann man leicht feststellen: Man trennt dazu ein Stück Mine aus dem Holz, befreit es von Holz- und Klebstoffresten und hält es in eine Feuerzeugflamme. Bei einer imprägnierten Mine sieht man, wie die Imprägnierung flüssig wird, bevor sie verdampf bzw. verbrennt. Bei einer nicht imprägnierten Mine sieht man kein Wachs schmelzen, sondern nur eine rußige Flamme.↵