Nach der Erfindung des Druckstifteinsatzes durch Thomas Doser im Jahr 1975 und dem erfolglosen Versuch von Dr.-Ing. Werner Beisel und Dipl.-Ing. Peter Gütig von 1983, ihn erneut patentieren zu lassen, brachte STAEDTLER 1984 mit dem MARS CIRCOFIX den ersten Druckstifteinsatz auf den Markt.
Zwei Jahre nach der Einführung des MARS CIRCOFIX meldete STAEDTLER ein Gebrauchsmuster (G 8605596.8) und am selben Tag ein Patent (DE 3606717 A1) an, und zwar in beiden Fällen für einen „Mineneinsatz für Zirkel und Schaftverlängerung hierzu“, erfunden von Gerald Grötsch aus Fürth. Die in der Gebrauchsmuster- und der Offenlegungsschrift enthaltenen Zeichnungen sind identisch und zeigen u. a. einen dem bereits patentierten und dem CIRCOFIX sehr ähnlichen Druckstifteinsatz.
Hat man etwa versucht, ihn erneut patentieren zu lassen? Ich vermute nicht, sondern denke eher, dass es STAEDTLER um die Kombination aus diesem Einsatz und einer Verlängerung ging. Punkt 1 der Patentansprüche beschreibt sie (Hervorhebung im Original):
Mineneinsatz für Zirkel, der mindestens eine in einem Gehäuse angeordnete Spannvorrichtung für Minen, ein Betätigungsteil für den Minenvorschub und ein Befestigungsmittel zum lösbaren Befestigen an einem Zirkel aufweist, gekennzeichnet durch eine leicht lösbar mit dem Gehäuseschaft (11), mit einem Befestigungsmittel (13, 13′; 14, 14′) oder mit einem Befestigungsabschnitt (23) des Betätigungsteils (22) verbundene Schaftverlängerung (3, 3′, 3“), die mit Durchbrechungen (31), Stößel (32) oder Schiebern (35) versehen ist, um die Einwirkung auf das Betätigungsteil (22) der Spannvorrichtung für die Mine (41, 42) zu ermöglichen, sofern sie nicht direkt mit dem Betätigungsteil (22) in Wirkverbindung steht.
In der Beschreibung wird auf die Patente von Beisel und Gütig sowie Doser eingegangen und betont, dass diese Mineneinsätze, obwohl meist hochwertig, nur für den vorbestimmten Zweck geeignet, aber aufgrund ihrer geringen Länge nicht handgerecht sind und daher nicht als normale Schreib- und Zeichenstifte genutzt werden können. Diese Erfindung beseitigt diese Nachteile durch die Schaffung eines Mineneinsatzes mit zugehöriger Schaftverlängerung.
Doch wie kann man den Schaft des Druckstifteinsatzes verlängern und weiterhin den Minenvorschub betätigen? Der Erfinder Gerald Grötsch war kreativ, und es macht Freude, die Varianten genauer zu betrachten.
Bei der ersten Variante sitzt ein Rohr auf dem Drücker und bei der zweiten ein längeres auf dem Stift, wobei eine Aussparung die Betätigung des Drückers ermöglicht.
Die dritte und die vierte Variante nutzen ebenfalls ein langes Rohr, wobei die Betätigung des Drückers über einen im Rohr sitzenden und ggf. federbeaufschlagten Schieber bzw. Stößel erfolgt. Weitere Varianten entstehen dadurch, dass das Rohr entweder reibschlüssig befestigt oder aufgeschraubt wird.
Ich könnte mir vorstellen, dass man die Fertigung der beiden letzten Varianten aufgrund des Aufwands erst gar nicht erwogen und sich schon früh für die in meinen Augen sehr pfiffige zweite entschieden hat. Aber was ist mit der ersten? Bevor ich auf diese eingehe, ein kleiner Exkurs.
Exkurs: Schriftartencodes
Patente und Gebrauchsmuster sind durch Schriftartencodes gekennzeichnet. Diese bestehen aus einem Buchstaben und einer Ziffer, wobei der Buchstabe für das Publikationsniveau steht und die Ziffer für die Veröffentlichung. Bis einschließlich 2003 – darunter fallen die hier genannten Patente – bezeichnete A1 die Offenlegungsschrift, B1 und B2 die Auslegeschrift in der Erst- und Zweitveröffentlichung, meist nach einem Prüfungsverfahren, und C1 bis C4 die z. B. nach Einspruch, Beschränkung oder Nachprüfung geänderte Patentschrift in der Erst- bis Viertveröffentlichung. Bei Gebrauchsmustern gab es bis Ende 2003 nur U11.
Zurück zur Verlängerung. So erschien auch das Patent DE 3606717 von STAEDTLER zunächst als Offenlegungsschrift A1 und dann als Patentschrift C2; mit letzterem wurde im Juli 1989 die Patenterteilung veröffentlicht.
War der Druckstifteinsatz in A1 noch wesentlicher Teil der Patentanspruchs, so wird er in C2 nur nebenbei erwähnt:
Die Erfindung betrifft eine Verlängerung für Zirkel-Einsätze, insbesondere für Mineneinsätze für Zirkel.
Was ist passiert?
Im Patentwesen gibt es sogenannte Entgegenhaltungen. Das sind Veröffentlichungen, die allein oder zusammen mit anderen die Neuheit einer Erfindung in Frage stellen, d. h. gegen die Patentfähigkeit einer Erfindung sprechen können und von einem Patentprüfer oder einem, der Einspruch erhebt, entgegengehalten wird. Unter den Entgegenhaltungen in DE 3606717 C2 finden sich das Gebrauchsmuster von Doser sowie das Patent von Beisel und Gütig, was darauf schließen lässt, dass man die Ähnlichkeit des im Patent gezeigten Mineneinsatzes zum patentierten Druckstifteinsatz erkannt hat und die Patentschrift geändert werden musste. So entfiel der Mineneinsatz aus dem Patentanspruch und diente nur noch zur Veranschaulichung der Funktion der Schaftverlängerung.
Doch in C2 fehlt zudem die erste Variante mit dem auf dem Drücker aufgesetzten Rohr. Warum? Eine weitere Entgegenhaltung ist das Patent „Hülsenförmiger Bleistifthalter“ (DE 831655) von Anton Schindler, erteilt 1951.
In der Patentschrift von Schindler wird bemängelt, dass der Bleistiftrest in den üblichen Bleistifthaltern keinen sicheren Halt findet und der Übergang vom Halter zum Bleistift nicht glatt, sondern verdickt ist und dies beim Schreiben stört. Abhilfe soll ein hülsenförmiger Bleistifthalter aus Metall oder Kunststoff schaffen, dessen Enden nach innen konisch verengende Gewindegänge aufweisen, in die der am Ende konisch zugerichtete Bleistiftrest geschraubt wird. So soll der Bleistift sicher gehalten werden, und da der Durchmesser des Halters an den des Bleistifts angepasst ist, gibt es auch keinen störenden Übergang2.
Die erste Variante von STAEDTLER war dieser Erfindung wohl zu ähnlich, so dass sie herausfiel. – Ich bezweifle übrigens, dass diese Lösung alltagstauglich gewesen wäre, da aufgrund der Länge des Rohrs bei der Betätigung des Minenvorschubs die Gefahr des Abknickens und damit der Beschädigung zumindest des Drückers bestand.
So überrascht es nicht, dass die Wahl auf das Rohr mit der Aussparung fiel.
Der – so die Produktbezeichnung – Verlängerungsschaft wurde erstmals im Katalog 1987/88 aufgeführt und hatte die Artikelnummer 556 91.
Es gab ihn einzeln, aber auch zusammen mit dem MARS TECHNICO 555 und in drei Strichstärken (0,3/0,5/0,7) im Set 556 91.
Die letzte Erwähnung des Verlängerungsschafts findet sich im Katalog des Jahres 1996.
Damit verschwand dieses nützliche und elegante Zubehör nach neun Jahren.
Danke an Alan Williams für den Hinweis auf das Gebrauchsmuster und an STAEDTLER für die Scans!
- 2004 entfielen manche Schriftartencodes, und neue kamen hinzu; eine Übersicht geben die Dokumente „Informationen über Patentdokumente des In- und Auslands (IPIA)“ und „Schriftenartencodes bei Patentdokumenten“ des Deutschen Patent- und Markenamtes.↩
- Es wäre interessant zu wissen, ob dieser Verlängerer jemals auf den Markt kam.↩