Bleistifte
Spiel am Sonntag
In ihrem hervorragenden Buch „Living Out Loud – Activities to Fuel a Creative Life“ gibt die Autorin und Illustratorin Keri Smith zahlreiche interessante Anregungen und auch konkrete Anleitungen zum kreativen (Aus-)Leben. Ich mag ihren Stil sehr, ebenso ihre Art, sich die Umwelt und alltägliche Dinge zu erschließen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen.
Unter dem Stichwort „Originalität“ zitiert sie einen früheren Lehrer und eine Aufgabe von ihm:
Write down as many uses as you can think of for a pencil.
Weiter schreibt sie:
Try to get to 100.
Oha! Na, ich mach‘ mal einen Anfang:
- Schreib- und Zeichengerät (bestimmungsgemäßer Gebrauch)
- Essstäbchen
- Lineal
- Hilfe zum Kratzen auf dem Rücken
- Trommelstock
- Material für ein Kunstobjekt
- Beißholz
- Lesezeichen
- Rührstab
- Achse für Waage (z. B. mit Lineal)
- Werbeträger
- Sammelobjekt
- Tauschgegenstand
- Hilfsmittel zum Straffen des Bandes in einer Audiokassette
- Feuerholz
- Türfeststeller
- Wurfgeschoss
- Ausstellungsobjekt
- Taktstock
- Sicherung der Hochsteckfrisur
- Pflanzholz
- Hilfe zum Blättern (nur Bleistifte mit Radierer)
- Wegweiser/Richtungszeiger
- Wählhilfe beim Wählscheibentelefon
- Zeigestock
- Erkennungsmerkmal
- Forschungsobjekt in der Technik- und Kulturgeschichte
- Locher-Ersatz
- Schmuckstück (z. B. Stummel als Brosche)
- Hilfsmittel zur Verschlüsselung (Skytala; nur Bleistifte ungewöhnlichen Durchmessers)
- Stab für Sonnenuhr
- Zahlungsmittel
- Gesprächsauslöser
- Handelsware
- Verschluss eines geeigneten Etuis
- Sportgerät (Weitwurf, Spinning)
- Maßstab/Lehre
- Stichwaffe
- Kerbholz
- Wickelkern (z. B. für Kordel)
Was könnte man dieser Liste noch hinzufügen?
Maped Technic 600
Zunächst nur ein Zufallsfund, dann aber eine kleine Entdeckung war der Radierer „Technic 600“ des französischen Herstellers Maped, der ihn in der Rubrik „Technical drafting“ führt und mit „Erasers designed for optimum efficiency“ bewirbt.
Er ist 61 × 21 × 12 mm groß, knapp 25 g schwer und kommt im funktionell gestalteten Pappschuber sowie mit Klarsichtfolie geschützt bereits für etwa 20 Euro-Cent in die Hände all jener Bleischreiber, die sauber radieren wollen. – Übrigens wurden hier mit der Eurostile (Aldo Novarese, 1962; „600“) und der Serpentine (Dick Jensen, 1972; „Technic“) gleich zwei nach wie vor sehr populäre, technisch-dynamische Display-Fonts verwendet, und der Pfeil aus dem Dingbats-Zeichensatz von Hermann Zapf (1978) passt meiner Ansicht nach sehr gut dazu.
In 13 Sprachen und obendrein mit Symbolen informiert die Bedruckung der Hülle über die saubere Arbeitsweise des „Technic 600“, wobei mich die Formulierung „Löscht ohne Rückstände“ schon etwas überrascht hat. Doch der Hersteller hat recht – das Teil putzt ordentlich was weg, ohne selber ein Reinigungskommando notwendig zu machen.
Fazit: Gut und günstig!
Rüssel und Radierer (1)
Ob klein und schwarz oder grau und groß, als schlanker Schattenspender oder kultureller Stützpfeiler – den liebenswürdigen und in zahlreichen Varianten auftretenden Rüsseltieren fühle ich mich nicht nur als langjähriger Bürger Rüsselsheims aufs Engste verbunden, und so ist es mir ein sehr großes Vergnügen, hier und heute gleich drei weiteren gemütlichen, gedächtnisstarken und zudem gegen den Graphit antretenden Dickhäutern sowohl Auslauf als auch die verdiente Aufmerksamkeit verschaffen zu dürfen.
Aus dem Gehege des traditionsreichen und in Tschechien ansässigen Herstellers Koh-I-Noor stammt der erste aus dem Trio. Schlicht mit „300/40“ benannt macht er dem Graphit den Garaus, und was dem mit 8 × 23 × 37 mm recht kleinen Kerl an körperlicher Größe fehlt, gleicht er durch den Einsatz des ihm beigegebenen Schleifmittels mehr als aus.
Groß und weich war der Radiergummi „Elefant“, für den sein Erzeuger Ferd. Marx & Co. in Hannover vor etwa 90 Jahren mit dieser attraktiven Reklamemarke warb. Eine imposante Gestalt, mit der sich wohl selbst ein harter Bleistift nur äußerst ungern angelegt hätte!
Dieser elastische, 35 mm große Akrobat schwingt im Rahmen der Aktion „Fans of Earth“ des Anbieters Brunnen seine Hufe und nimmt mit seiner hohen Gelenkigkeit zweifellos eine Sonderstellung unter den gerüsselten Radierern ein. Woher jedoch sein überraschter Blick herrührt, wollte er mir bisher nicht verraten.
Rüssel und Radierer | nächste →
LYRA 664
Ein in mehrfacher Hinsicht auffälliger und ungewöhnlicher Bleistift ist der 664 STENO von LYRA, der bis Mitte der 90er Jahre im Programm des fränkischen Herstellers war und noch heute manchmal in Restekisten anzutreffen ist.
Der in einem dem Leucht-Orange ähnlichen Farbton lackierte, runde und 17,5 cm lange 664 STENO ist mit 7 mm etwas dünner als ein Standard-Bleistift, hat aber ebenso wie dieser eine 2 mm dicke Mine. Die 2 cm lange Tauchkappe in gebrochenem Weiß deutet darauf hin, dass es sich hier um die erste Variante dieses Bleistifts handelt, denn zwischen 1991 und 1994 fiel sie weg. – Vorläufer des 664 war der bis in die 70er Jahre hinein angebotene LYRATO 665 mit goldfarbener Tauchkappe, den es in den Härtegraden HB, B und 2B gab; parallel zum 664 – zumindest von 1973 bis 1995 – führte LYRA den Orlow STENO 6331 mit goldfarbenem Käppchen und breitem schwarzen Ring in den Härten HB, B und 2B.
Der Folienprägedruck in stark kontrastierendem Metallic-Blau macht mit einer Ausnahme nur die notwendigsten Angaben. Neben dem Herstellungsland, der Nummer, dem Namen des Herstellers und dessen Sinnbild findet sich die Funktion des Stifts in Kurzschrift, d. h. in stenografischer Schreibung.
Die lange Geschichte der Stenografie geht bis ins erste vorchristliche Jahrhundert zurück und brachte 1924 mit der Deutschen Einheitskurzschrift den ersten deutschen Standard hervor; verbunden mit diesem sind Stenografieblock und -bleistift. Zur stenografischen Technik kann ich leider gar nichts sagen, und so beschränke ich mich auf ein paar Beispiele von meinem Vater, der diese faszinierende Kunst auf beneidenswerte Weise beherrscht.
Diesen Schriftzug zeigt auch der Aufdruck des LYRA 664 STENO.
Kleine Notiz am Rande: Warum sind Stenografie-Bleistifte eigentlich rund? Das Profil des hexagonalen Bleistifts wirkt in den haltenden Fingern wie eine Rastung und sorgt damit für bevorzugte Positionen in der Hand. Die in der Stenografie notwendigen Unterschiede in der Strichstärke machen es jedoch erforderlich, dass der Stift geringfügig axial gedreht werden und auch danach noch komfortabel gehalten werden kann. Ein runder Bleistift erfüllt diese Forderung am besten und strapaziert die Hand bei längerem Gebrauch weniger als ein sechsflächiger. Zum leichteren Schreiben der Verstärkungen haben Steno-Bleistifte oft eine etwas weichere Mine, die etwa der Härte B entspricht. – Heute noch erhältliche Steno-Bleistifte sind der STAEDTLER Mars stenofix (HB) und der Faber-Castell 9008 Steno (HB, B und 2B). Daneben gibt es Steno-Füllfederhalter wie den Pelikan P470, dessen besonders elastische Feder ebenfalls die benötigte Modulation erlaubt.
Der Aufdruck des insgesamt gut verarbeiteten 664 nennt keinen Härtegrad, doch LYRA sagte mir, dass es B war. Die Mine ist sehr gut, bruchstabil und hat eine saubere Abgabe; das Holz lässt sich im Handspitzer und mit dem Kurbelspitzer gut spitzen.
Mehr zu Steno-Bleistiften gibt es bei pencil talk unter „Steno pencils: pencils with a job“ und „Another Steno Pencil – the Hardtmuth Steno 550“.
Danke an LYRA für die Informationen zum 664 STENO!
Nachtrag vom 19.10.10: Leider hat Pelikan den Stenofüllfederhalter P470 bereits Mitte 2009 aus dem Sortiment genommen.
Klippkram
Klein, praktisch und hochwertig ist dieses praktische Zubehör, das 7 bis 14 mm dicke Stifte an Notizbüchern und anderem hält.
Die stramme Feder mit glatten Kanten klemmt zuverlässig an allem, was nicht dicker als drei Millimeter ist, und die gut verarbeitete, zu einem Ring geformte Flachspirale nimmt das Schreibgerät auf, ohne es zu verkratzen (im Bild der Bleistift Cretacolor 150 an einem Notizbuch von Hightide).
Der Stifthalter kostet gut 2 Euro und ist auch in Ausführungen für zwei und drei Stifte erhältlich.
Spitzer spitzen (4)
Einen interessanten Fund machte kürzlich Pencil Anna, eine sehr aufmerksame Leserin meines Weblogs, in einer Filiale der Drogerie-Kette Müller, und überraschte mich mit diesem zum Wochenende: Ein Dreifach-Behälterspitzer der Marke „TIKO“.
Aufgefallen war ihr an dem Modell der längste Schacht, und wie es sich zeigte, verbirgt sich darin ein Langkonus-Spitzer, auf den auch der kleine, in die Dose eingelegte Zettel hinweist. Die beiden anderen Schächte sind für Blei- und Farbstifte mit 6 bis 8 sowie 9 bis 12 mm Durchmesser vorgesehen.
Das Gerät trägt neben einzelner Ziffern drei aussagekräftige Kennzeichnungen. Am Einsatz finden sich „H.K. REG.NO. 0600172.1M005“ sowie „P.R.C. DESIGN NO. 200630051822.0“ und auf der Komponente für den Langkonus „TIKO“. Es fällt auf, dass der Doppelspitzer über geriffelte Griffmulden verfügt, also möglicherweise auch einzeln angeboten wird. Der Vergleich des Langkonus-Spitzers mit dem des „Paper and more“-Doppel-Behälterspitzers zeigt die exakte Überstimmung von Klinge, Schrauben und Befestigung – kein Wunder, hat der von REWE angebotene doch ebenfalls den Schriftzug „TIKO“. Bereits eine kurze Suche führt zur Wella Plastic Manufactory Limited, wo nicht nur diese beiden, sondern noch zahlreiche andere Spitzer und verwandte Produkte aufgeführt werden (darunter eine Kurbelspitzmaschine, in deren Spänebebehälter ein einfacher Handspitzer sitzt). Weitere Details liefert die globale Artikelidentnummer (GTIN, ehemals EAN) auf dem am Boden des Spitzers angebrachten Aufkleber; die Suche nach dieser im GEPIR (Global GS1 Electronic Party Information Registry) führt zu VALORO, einem Anbieter von Schreibwaren und Schulbedarf in Zirndorf. – Aber genug dazu und zurück zur Funktion des Geräts.
Der Langkonus-Spitzer im TIKO liefert am STABILO Opera 285 eine sehr saubere Spitze und hat in meinen gründlichen Tests die Mine nicht ein einziges Mal abgebrochen. Der Griff zur Messschraube bestätigt das Spitzergebnis des TIKO noch auf eine andere Weise, denn mit einer durchschnittlichen Dicke des Spans von 0,26 mm geht er vergleichsweise sparsam zu Werke.
Auch im direkten Vergleich mit dem KUM 400-5L und dem Carl Decade DE-100 macht der TIKO eine sehr gute Figur und kann überzeugen. Da man die gerade einmal 35 × 15 × 11 mm große Komponente sogar separat nutzen kann, bekommt man mit dem TIKO zudem den mit Abstand kleinsten Langkonus-Spitzer, der mir bisher untergekommen ist.
Die beiden anderen Schächte bieten das von den üblichen Spitzern bekannte Ergebnis und halten sich mit einem Spitzwinkel von 22° (Langkonus: etwa 17°) an die vom ISZ, dem Industrieverband Schreiben, Zeichen und Kreatives Gestalten e. V. mit Sitz in Nürnberg, ausgesprochenen Empfehlung.
Vielen Dank an Pencil Anna für diesen Spitzer!
← vorherige | Spitzer spitzen | nächste →