Mai 2015
Bleistifthölzer (2)
Wer sich mit Bleistifthölzern beschäftigt, stößt recht schnell auf das Buch „Fleta Minor. The Laws of Art and Nature, in Knowing, Judging, Assaying, Fining, Refining and Inlarging the Bodies of confin’d Metals“ von Sir John Pettus, erstmals erschienen 1683 in London, denn dieses enthält die älteste bekannte Erwähnung der Zeder als Bleistiftholz.
Henry Petroski zitiert Pettus in seinem Buch „Der Bleistift“ (1995):
Es gibt auch ein Mineral Blei, das wir Black Lead nennen, etwas Ähnliches wie Antimon, aber nicht so glänzend oder hart …; in letzter Zeit wird es in Holzkörper aus Kiefer oder Zeder auf sonderbare Art hineingeformt und dann als trockene Bleistifte verkauft, als etwas Nützlicheres als Feder und Tinte.
(Petroski nennt als Quelle zwar nur „ein Buch über Metallurgie“, doch diese Bezeichnung und die Jahreszahl 1683 sprechen für „Fleta Minor“, denn der zweite Teil von Pettus‘ Buch ist ein Lexikon der Metallurgie.)
Dr. Eduard Schwanhäußer führt in „Die Nürnberger Bleistiftindustrie und ihre Arbeiter in Vergangenheit und Gegenwart“ (1895) ebenfalls „Fleta Minor“ als die älteste ihm bekannte Quelle auf, in der das Zedernholz zum Zwecke der Bleistiftherstellung erwähnt wird; die Kiefer spricht er in diesem Zusammenhang allerdings nicht an.
Im englischen Original „The Pencil“ (1989) von Petroski heißt es jedoch:
There is also mineral lead, which we call black lead, something like antimony, but not so shining or solid […]; and of late, it is curiously formed into cases of deal or cedar, and so solid as dry pencils, something more useful than pen and ink.
Hier der Abschnitt aus dem Buch von Pettus (Ausgabe von 1686):
„Deal“ heißt meines Wissens „Nadelholz“, wurde aber in „Der Bleistift“ mit „Kiefer“ übersetzt.
Petroski zitiert auch John Beckmann, der in seinem Buch „A History of Inventions and Discoveries“ (Band 4, 3. Auflage 1817) das von Pettus genannte „deal“ als „fir“, also Tanne, identifiziert. John Beckmann (eigentlich Johann Beckmann) war Professor der Ökonomie zu Göttingen, und „A History …“ war eine Übersetzung seiner „Beyträge zur Geschichte der Erfindungen“, in deren Band 5 aus dem Jahr 1805 ebenfalls von Tanne die Rede ist.
So wird man weiter recherchieren müssen, um zu erfahren, ob man zu Pettus‘ Zeiten Tanne oder Kiefer (oder vielleicht beide) benutzt hat und welche Arten damals zum Einsatz kamen.
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Unofficial Rotring
Bereits seit Januar online ist das Weblog „unofficialroting“. Der Schwerpunkt liegt auf Tuschezeichnern, doch auch Druckbleistifte, Füllfederhalter, Zeichengerät und Zubehör gibt es zu sehen. Mich sprechen die großartigen Fotos und die detaillierten Informationen sehr an, und so werde ich dieses Weblog mit Interesse verfolgen. – Danke an Taking note!
Beobachten
Manchmal bin ich schon ein wenig genervt, wenn sich Kisho zum wiederholten Male während eines Spaziergangs hinsetzt, etwas beobachtet und nicht weitergehen möchte. Doch dann hocke ich mich neben ihn, schaue auch und denke, dass man das eigentlich viel öfter machen müsste.
„The new 5700 D“
Als „[t]he finest pencil sharpener ever made for draftsmen“ bewarb J.S. STAEDTLER Inc. in Hackensack, New Jersey (USA), den damals neuen Kurbelspitzer 5700 D, dessen besonderes Leistungsmerkmal darin bestand, die Mine auf einer Länge von gut 6 bis 19 mm freizulegen1. Damit wurden dann auch Spitzen wie die hier und da gezeigten möglich. – Die Vorderseite dieses Faltblatts, das aus einer Blechdose stammt und etwa 60 Jahre alt sein dürfte, machte Reklame für den Farbstift MARS-LUMOCHROM, der mit einer gefährlichen Spitze auftrat.
Danke an Sola für dieses Faltblatt!
- Soweit ich weiß, gab es noch einen 5700 (also ohne „D“), der das nicht konnte und zudem nur drei statt sechs Backen in der Stifthalterung hatte. – Ein Kommentator bei pencils and other things berichtet, dass der 5700 D außerdem den Minendurchmesser auf 1,5 mm verringert.↩
Kurz notiert
- Ein außergewöhnlicher Fallminenstift ist der minimalistische PENXO, denn er besteht nur aus einem einzigen Teil. Das Kickstarter-Projekt läuft noch bis Mitte Juni, doch bereits jetzt wurde das Zwanzigfache (!) des Finanzierungsziels erreicht. – Danke an Matthias für den Hinweis!
- Videos zur Bleistiftgeschichte und -herstellung gibt es viele, doch „How pencils are made today“ von Derwent in England ist ein besonderes, da es auch einen kurzen Blick auf Keswick und Borrowdale bietet, also auf den Landstrich, wo man vor etwa 450 Jahren den erster Graphit gefunden hat. Der Einblick in die Produktion bei Derwent ist ebenfalls interessant. – Danke an Sean für den Hinweis!
- Auch Faber-Castell hat sich mit der Herstellung eines Verbundwerkstoffs u. a. für Stiftumhüllungen beschäftigt, wie das Patent DE19936002 aus dem Jahr 1999 belegt. Dieses Patent ist erloschen, doch das spätere europäische EP1072645 ist noch in Kraft1. – Danke an Wowter für den Hinweis!
- Am 8. April habe ich bedauert, dass mir Brevillier Urban & Sachs nicht auf meine Anfrage zur Weymouth-Kiefer des Öko-Schulstift von JOLLY geantwortet hat. Zwei Wochen später kam doch noch eine Antwort, in der mir mitgeteilt wurde, dass die Weymouth-Kiefer für den aktuellen ÖKO-Schulstift und die Kinderfest-Bunstifte Classic und Delta tatsächlich aus dem Odenwald stamme2 und die Verpackung oder der Beileger dieser Stifte den Hinweis „Heimische Holzart“ trage. Neben der Weymouth-Kiefer verarbeite man, so Brevillier Urban & Sachs weiter, auch Linde aus unterschiedlichen Anbaugebieten, z. B. aus Russland, den baltischen Staaten oder dem Nordosten Chinas, wo das Klima für die Linde perfekt sei. – Danke an Brevillier Urban & Sachs für diese Details!
- Ein älteres Patent für eine „Ummantelung für Farb-, Blei- und Kosmetikminen“ (1998), das eine „Ummantelung für Farb-, Blei- und Kosmetikminen“ aus biologisch abbaubaren Polymeren beschreibt und auch die Co-Extrusion erwähnt, ist ebenfalls noch in Kraft.↩
- Etwa vom Sägewerk Monnheimer in Grasellenbach?↩
Granate 1901
Ein weiteres Detail aus der Geschichte des Spitzerklassikers: Das „Waarenzeichenblatt“, herausgegeben vom Kaiserlichen Patentamt, gab in der Ausgabe vom März 1901 die Anmeldung und die Eintragung des Warenzeichens „Granate“ für die Schreibwaren-Großhandlung Möller & Breitscheid in Köln bekannt.
Möller & Breitscheid hatte bereits am 27. Januar 1900 den Namen „Granate“ angemeldet, musste aber zunächst eine Ablehnung hinnehmen, da „das Wort mithin eine Angabe über die Beschaffenheit der Waare enthalte und daher dem Verkehr freigehalten werden müsse“1. Erst die Aufhebung dieser Entscheidung am 13. November 1900 machte die Eintragung möglich, die dann am 4. Februar 1901 unter der Nummer 47683 vorgenommen wurde. – Eine weitere (erneute?) Eintragung des Warenzeichens „Granate“ fand am 14. Februar 1939 statt.
Geht man davon aus, dass sich die damalige „Granate“ nicht wesentlich von der des Jahres 1913 unterscheidet, so hat der heute von Möbius+Ruppert unter der Artikelnummer 604 angebotene Spitzer eine mindestens 115-jährige Geschichte.
Danke an das DPMA für die Scans!
- Quelle: Chemiker-Zeitung vom 18. Mai 1901.↩
Granate 1901
Ein interessantes Detail zur Geschichte des als „Granate“ bekannten Bleistiftspitzers findet sich in der Chemiker-Zeitung vom 18. Mai 1901.
In der Rubrik „Entscheidung in Waarenzeichensachen“ heißt es:
II. Beschwerde-Abtheilung I des Patentamtes.
[…]
2. Die Eintragung des Wortes „Granate“ für Bleistiftspitzer war von der Abtheilung für Waarenzeichen abgelehnt worden, weil Bleistiftspitzer in Form einer Granate, wenn auch ausschliesslich von der Anmelderin herrührend, seit Jahren im Verkehr seien, das Wort mithin eine Angabe „über die Beschaffenheit“ der Waare enthalte und daher dem Verkehr freigehalten werden müsse. Die Beschwerde-Abtheilung I (Entsch. vom 13. November 1900) hob diese Entscheidung auf, weil die Form einer Granate keine sachliche Beziehung zu einem Bleistiftspitzer habe, und weil ferner die Form einer Granate im freien Verkehr nicht allgemein üblich für Bleistiftspitzer sei.
Die „Granate“ war also bereits vor 1900 auf dem Markt1, und schon damals wollte man sich den Namen schützen lassen; möglich wurde das jedoch erst durch die hier erwähnte Aufhebung der Entscheidung, den Eintrag abzulehnen. Wer die Anmelderin war, bleibt hier leider offen, aber es könnte die Vertriebsfirma Möller & Breitscheid gewesen sein, denn diese wurde am 1. Mai 1869 gegründet und hat die „Granate“ sehr lange angeboten2.
Unklar ist, ob daraufhin ein Warenzeichen eingetragen wurde, also bereits vor der Registrierung für Möller & Breitscheid im Jahr 1939 ein Schutz bestand, doch ein Eintrag im Buch „German Tool and Blade Makers. A guide to manufacturers and distributors, their trademarks and brand names“ von John Walter (Nevill Publishing 2012) könnte dafür sprechen:
GRANATE (1901, no. 47683)
Möller & Breitscheid, Köln a. Rh.
Registry class: 9b
Style: block
Die Quelle für diese Information kenne ich allerdings nicht, und auf meine Anfrage beim Autor habe ich bedauerlicherweise keine Antwort erhalten.
- Ich gehe davon aus, dass es sich bei dem in der Chemiker-Zeitung genannten Spitzer nicht um einen anderen mit zufällig gleichem Namen handelt.↩
- Im „Handbuch für Papier und Bürobedarf“ von Dipl.-Hdl. Franz Karl Reckert aus dem Jahr 1949 heißt es, die „Granate“ wäre vor etwa 60 Jahren, also um 1889 auf den Markt gekommen.↩