Technik

„Die Entstehung des Bleistiftes“

Die Bro­schüre „Die Ent­ste­hung des Blei­stif­tes“ von Eber­hard Faber, Neu­markt bei Nürn­berg, stellt „Wis­sens­wer­tes über die Her­stel­lung von Blei-, Kopier- und Farb­stif­ten“ in Wort und Bild dar. Ich finde sie nicht nur wegen der Titel­seite sehr ansprechend.

„Die Entstehung des Bleistiftes”

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Der zwölf­sei­tige Druck im For­mat DIN A4 ent­hält Details, die man als End­kunde auch heute nicht so ein­fach erfährt; dies und einige For­mu­lie­run­gen spre­chen dafür, dass sich Eber­hard Faber damit an Händ­ler rich­tete. Im Mit­tel­punkt ste­hen Stifte und Radie­rer der Marke VAN DYKE, die erst­mals 1931 ein­ge­tra­gen wurde1. Ange­sichts der Gestal­tung ver­mute ich, dass die Bro­schüre aus den 1940er Jah­ren stammt.

„Die Entstehung des Bleistiftes”

Bereits die Ein­lei­tung ist reizvoll:

Wer sieht es wohl einem Blei­stift an, daß zu sei­ner Her­stel­lung Hun­derte von Arbeits­gänge auf sinn­reich kon­stru­ier­ten Maschi­nen und eine unend­li­che Erfah­rung not­wen­dig sind? Welch große Bedeu­tung kommt doch die­sem unschein­baren Schreib­ge­rät auf allen Gebie­ten des mensch­li­chen Lebens zu! Für viele Men­schen ist der Blei­stift unent­behr­li­cher Freund und stän­di­ger Begleiter.

Auf die Bestand­teile geht man gleich zu Beginn ein. So heißt es, dass der in der Bleistiftin­dustrie ver­wen­dete Ton aus Unter­fran­ken kommt; ich gehe davon aus, dass man sich hier auf das Ton­werk der Stadt Klin­gen­berg bezieht.

Beim Gra­phit wird zwi­schen dem güns­ti­gen, amor­phem aus Öster­reich, Korea und Mexiko und dem höher­wer­ti­gen, kris­tal­li­nen aus Bay­ern („in der Nähe von Pas­sau”), Cey­lon und Mada­gas­kar unter­schie­den. – Mit dem baye­ri­schen Gra­phit ist zwei­fel­los der von Kropf­mühl in Hau­zen­berg gemeint.

Auch beim Holz ist man recht aus­führ­lich. Neben der Florida- oder Rot-Zeder2 und der kali­formischen Zeder führt man Erle, Linde und Föhre auf. (Linde und Nadel­höl­zer – vor allem die Kolorado-Tanne und die Weymouth-Kiefer – nutzt man immer noch, die Erle wegen ih­rer Härte indes nicht mehr.)

Als „Poli­tur“3 wird Zel­lu­lo­se­lack genannt, doch von die­sem ist man auf­grund gesundheit­licher Risi­ken bei der Ver­ar­bei­tung und schwie­ri­ger Ent­sor­gung schon vor eini­ger Zeit abgekommen.

„Die Entstehung des Bleistiftes”

Bemer­kens­wert sind die Mate­ria­lien, mit denen die Stifte „gestem­pelt“ wur­den: Damals waren es Echtgold-, Goldbronze- und Aluminiumbronzefolien.

Bei der Bear­bei­tung des Gra­phits ist von „che­misch zer­klei­nert“ und „che­misch ver­fei­nert“ die Rede; was es damit auf sich hat, ver­rät die Bro­schüre jedoch nicht.

„Die Entstehung des Bleistiftes”

Auch auf Bestand­teile und die Her­stel­lung von Kopier-, Farbkopier- und Farb­mi­nen wird ein­ge­gan­gen. Alle ent­hal­ten u. a. das pflanz­li­che Ver­di­ckungs­mit­tel Tra­ganth, das heute haupt­sächlich für Lebens­mit­tel ver­wen­det wird.

In der Auf­lis­tung der Spe­zi­al­stifte fie­len mir matt­schrei­bende Kopier­stifte auf, die bei künst­lichem Licht die Augen scho­nen sollen.

„Die Entstehung des Bleistiftes”

Gegen Ende fin­den sich Hand­rei­chun­gen zum Verkauf:

Es genügt nicht, dem Kun­den kur­zer­hand einen Stift zu rei­chen. Zei­gen Sie ihm viel­mehr alle Mus­ter der auf Lager befind­li­chen Sor­ten auf einer hüb­schen Samt­karte aufgemacht!

Und:

Auch der kleine unschein­bare Blei­stift muß mit Lust und Liebe ver­kauft wer­den, denn jeder Kunde freut sich, wenn er auch bei einem klei­nen Ein­kauf vom Ver­käufer auf­merk­sam bedient wird.

Natür­lich darf der Radie­rer nicht uner­wähnt blei­ben, und so erfährt der Leser, dass man „den welt­be­kann­ten VAN-DYKE-Radiergummi von Grund auf in eige­ner Fabrik erzeugt“ und dass „Eber­hard Faber als ers­ter Blei­stifte kom­bi­niert mit Radier­gummi her­stellte“4.

„Die Entstehung des Bleistiftes”

Eine Über­sicht der Här­te­grade und der „Wer­de­gang des Blei­stifts“ schlie­ßen die Bro­schüre ab.

Für mich ein schö­nes Stück Bleistiftgeschichte!

  1. So ganz klar sind mir die Ein­träge des DPMA nicht, denn es gibt sowohl „Van Dyke“ (mit Anfüh­rungszeichen und in Gemischt­schrei­bung, ein­ge­tra­gen am 9.3.26) als auch VAN DYKE (ohne Anfüh­rungs­zei­chen und in Ver­sa­lien, ein­ge­tra­gen 5.11.1940).
  2. Die Erwäh­nung der Rot-Zeder über­rascht mich, denn ich dachte bis­her, dass diese bereits vor etwa 100 Jah­ren durch die kali­for­ni­sche Zeder (Weihrauch-Zeder) abge­löst wurde.
  3. Der Begriff „Poli­tur“ geht zurück auf die Zeit vor 1900, als die Spit­zen­blei­stifte einen Schellack­überzug mit Schwermetall-Farben erhiel­ten und von Hand poliert wur­den.
  4. Das in die­sem Zusam­men­hang oft genannte Patent von Hyman Lip­man aus dem Jahr 1858 beschrieb einen Blei­stift, der auf etwa einem Drit­tel der Länge statt der Gra­phit­mine einen Ra­dierkern ent­hielt. Die­ses Patent wurde spä­ter jedoch für ungül­tig erklärt mit der Begrün­dung, dass Blei­stift und Radie­rer bereits vor­her exis­tiert hät­ten und durch die Kom­bi­na­tion von bei­dem nichts Neues ent­stan­den sei. Am 11.8.1891 erhielt Eber­hard Faber das Patent auf die Befes­ti­gung eines Radie­rers an einen Blei­stift mit­hilfe einer Zwinge.

Wundersame Welt der Waren (34)

Als Bedie­nungs­an­lei­tungs­gern­le­ser finde ich immer wie­der Bemer­kens­wer­tes, so auch kürz­lich in den Sicher­heits­hin­wei­sen zu einem Gerät, das noch nicht genannt sein soll.

Verbote

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Neben der Emp­feh­lung, wäh­rend des Gebrauchs nicht ein­zu­schla­fen, gefällt mir die Formu­lierung „abwei­chende Situa­tio­nen“, die ver­mut­lich durch eine abwei­chende Situa­tion bei der Über­set­zung entstand.

Wer rät, zu wel­chem Gerät diese Hin­weise gehören?

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Endzeit

Die Bedie­nungs­an­lei­tung zur Wasch­ma­schine Grun­dig GWN 26430 infor­miert zur Endzeit-Funktion:

Endzeit

Gut zu wis­sen, dass man vor dem Welt­un­ter­gang noch schnell eine Unter­hose durch­spü­len kann. Doch Vor­sicht: „Nach Ablauf des Count­downs erlö­schen alle End­zeit­an­zei­gen und das aus­ge­wählte Pro­gramm startet.“

Danke an Klapp­kon­tor für den Hin­weis auf diese bemer­kens­werte Funktion!

Kurz notiert

  • Ein außer­ge­wöhn­li­cher Fall­mi­nen­stift ist der mini­ma­lis­ti­sche PENXO, denn er besteht nur aus einem ein­zi­gen Teil. Das Kickstarter-Projekt läuft noch bis Mitte Juni, doch bereits jetzt wurde das Zwan­zig­fa­che (!) des Finan­zie­rungs­ziels erreicht. – Danke an Mat­thias für den Hinweis!
  • Videos zur Blei­stift­ge­schichte und -her­stel­lung gibt es viele, doch „How pen­cils are made today“ von Der­went in Eng­land ist ein beson­de­res, da es auch einen kur­zen Blick auf Kes­wick und Bor­row­dale bie­tet, also auf den Land­strich, wo man vor etwa 450 Jah­ren den ers­ter Gra­phit gefun­den hat. Der Ein­blick in die Pro­duk­tion bei Der­went ist eben­falls inter­es­sant. – Danke an Sean für den Hinweis!
  • Auch Faber-Castell hat sich mit der Her­stel­lung eines Ver­bund­werk­stoffs u. a. für Stift­umhüllungen beschäf­tigt, wie das Patent DE19936002 aus dem Jahr 1999 belegt. Die­ses Patent ist erlo­schen, doch das spä­tere euro­päi­sche EP1072645 ist noch in Kraft1. – Danke an Wow­ter für den Hinweis!
  • Am 8. April habe ich bedau­ert, dass mir Bre­villier Urban & Sachs nicht auf meine Anfra­ge zur Weymouth-Kiefer des Öko-Schulstift von JOLLY geant­wor­tet hat. Zwei Wochen spä­ter kam doch noch eine Ant­wort, in der mir mit­ge­teilt wurde, dass die Weymouth-Kiefer für den aktu­el­len ÖKO-Schulstift und die Kinderfest-Bunstifte Clas­sic und Delta tat­säch­lich aus dem Oden­wald stamme2 und die Ver­pa­ckung oder der Bei­le­ger die­ser Stifte den Hin­weis „Hei­mi­sche Holz­art“ trage. Neben der Weymouth-Kiefer ver­ar­beite man, so Bre­villier Urban & Sachs wei­ter, auch Linde aus unter­schied­li­chen Anbaugebie­ten, z. B. aus Russ­land, den bal­ti­schen Staa­ten oder dem Nord­os­ten Chi­nas, wo das Klima für die Linde per­fekt sei. – Danke an Bre­villier Urban & Sachs für diese Details!
  1. Ein älte­res Patent für eine „Umman­te­lung für Farb-, Blei- und Kos­me­tik­mi­nen“ (1998), das eine „Umman­te­lung für Farb-, Blei- und Kos­me­tik­mi­nen“ aus bio­lo­gisch abbau­ba­ren Poly­me­ren be­schreibt und auch die Co-Extrusion erwähnt, ist eben­falls noch in Kraft.
  2. Etwa vom Säge­werk Monn­hei­mer in Gras­el­len­bach?

Seltsames Muster

Man­che ältere Win­kel­mes­ser wie z. B. die­ses min­des­tens 23 Jahre alte1 Exem­plar2 von Möbius+Ruppert tra­gen außer den Grad­ska­len noch ein selt­sa­mes Mus­ter. Wel­chen Zweck hat dieses?

Seltsames Muster

Die­ser soge­nannte Trans­ver­sal­maß­stab (engl. dia­go­nal scale) dient der prä­zi­sen Län­gen­mes­sung. Wäh­rend die Tei­lung der meis­ten Lineale nur das sichere Able­sen von Mil­li­me­tern erlaubt und man bei Zehn­tel­mil­li­me­tern schät­zen muss (eine sol­che Tei­lung lässt sich kaum noch ver­nünf­tig anbrin­gen), so kön­nen mit die­sem Trans­ver­sal­maß­stab auch letz­tere noch gut abge­le­sen werden.

Seltsames Muster

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Dazu legt man den Maß­stab so an, dass das rechte Ende der abzu­mes­sen­den Stre­cke auf einem Zeh­ner­wert und das linke inner­halb des schräg schraf­fier­ten Bereichs liegt. Anschlie­ßend ver­schiebt man den Maß­stab par­al­lel zur Stre­cke, bis sich das linke Ende unter einem Schnitt­punkt befin­det, und liest an der unte­ren Skala die Mil­li­me­ter ab. Die Zehntel­millimeter erhält man, indem man vom Schnitt­punkt nach links zur senk­rech­ten Skala geht. Die Stre­cke im Bei­spiel ist also 40+7+0,6=47,6 mm lang.

Benutzt wurde der Trans­ver­sal­maß­stab im tech­ni­schen Zeich­nen und – daher auch die An­gabe „1:1000“ – in der Kar­to­gra­fie (da oft zusam­men mit einem Stech­zir­kel). Laut dem Buch „Dra­wing Instru­ments 1580–1980“ von Maya Ham­bly (Sotheby’s Publi­ca­ti­ons 1988) reicht die Geschichte des Trans­ver­sal­maß­stabs bis in das frühe 18. Jahr­hun­dert zurück.

Danke an Herrn Fischer von Möbius+Ruppert für die­sen Halbkreis-Winkelmesser!

  1. Das Logo wurde 1992 geän­dert.
  2. Die­ser Win­kel­mes­ser hatte im Kata­log von 1975 die Arti­kel­num­mer 2109.

Kurz notiert

Vor einer Woche wurde ein für STAEDTLER ein­ge­tra­ge­nes Gebrauchs­mus­ter veröffent­licht. Es beschreibt eine durch Extru­sion zu fer­ti­gende „Mine für Schreib-, Zeichen- und/ oder Mal­ge­räte“ mit Poly­mer­bin­dung, wobei als Bin­de­mit­tel kein Roh­öl­pro­dukt, son­dern Po­lylactid ver­wen­det wird. Poly­l­ac­tid, auch Poly­milch­säure oder PLA, wurde bereits Mitte des 19. Jahr­hun­derts ent­deckt; in den frü­hen 1930er Jah­ren gelang es, ein Ver­fah­ren zur in­dustriellen Pro­duk­tion zu fin­den. Die wich­tigs­ten Ein­satz­ge­biete die­ses haupt­säch­lich aus Mais­stärke und land­wirt­schaft­li­chen Abfall­stof­fen wie Molke her­ge­stell­ten und abbau­ba­ren Poly­mers sind die Ver­pa­ckungs­in­dus­trie und die Medi­zin­tech­nik. – PLA kam wohl schon vor eini­ger Zeit in die Welt des Blei­stifts, denn soweit ich weiß, ist der Behäl­ter des Doppel-Gehäusespitzers Ellip­tic Swing Green Line von Möbius+Ruppert aus die­sem Material.

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