Kultur

Zufallsfund

„Sie such­ten nichts Beson­de­res, doch sie fan­den eini­ges“, hieß es 1557 in „Die Reise der drei Prin­zen von Seren­dip“. Zwei­hun­dert Jahre spä­ter führte diese Geschichte zum eng­lischen Wort „seren­di­pity“ und die­ses dann zum deut­schen „Seren­di­pi­tät“, dem Begriff für den zufäl­li­gen Fund von etwas ursprüng­lich nicht Gesuchtem.

Zufallsfund

Eben­falls auf der Suche und über­rasch­ter als die drei Prin­zen zusam­men war ich, als mir auf Seite 297 des Buches „Chris­tian Mor­gen­sterns Leben und Werk“ von Michael Bauer1 der Spitz­name auf­fiel, den mir ein guter Freund, der zone­batt­ler aus Fürth, vor Jah­ren gege­ben hat.

Zufallsfund

Ich mag sowohl den zone­batt­ler als auch den Mor­gen­stern und ihrer bei­der Neo­lo­gis­men und finde es klasse, dass beide auf die glei­che Wort­schöp­fung kamen! Wel­chen Gedan­ken jedoch Mor­gen­stern dabei hatte, wird wohl für immer ver­bor­gen blei­ben, ebenso der hin­ter „Der blei­stift­wach­sende Wes­ten­ta­sche“ – eine son­der­bare For­mu­lie­rung, die den Blei­stift vor­weg­neh­mend in die Nähe des Lexi­ka­li­kers rückt. Sachen gibt’s …

  1. Ver­lag R. Piper & Co., 2. Auf­lage 1937

DingsBums

Kaum zu glau­ben: Da fin­det man nach 36 Jah­ren einen Stem­pel wie­der, den man als Junge bekom­men hat1. Doch es gibt noch mehr Bemerkenswertes.

DingsBums

Kreu­zer „Dings­Bums“ (1. Serie, 1975)

1975 begann die Kreu­zer Pro­duk­tion & Ver­trieb GmbH2 mit der Her­stel­lung von Stem­peln3, bei denen sich die Farbe im Stem­pel­kör­per befand. Die erste Ziel­gruppe waren Kin­der, zu denen auch ich damals gehörte, und noch im sel­ben Jahr war ich stol­zer Besit­zer des ge­zeigten Geräts, das unter dem tref­fen­den Namen „Dings­Bums“ ange­bo­ten wurde. Die Mo­tive dien­ten der Ver­schö­ne­rung von allem, was nicht schnell genug in Sicher­heit war, und so habe ich oft und gern Gebrauch von die­sem Stem­pel gemacht (jedoch nicht immer zur unein­ge­schränk­ten Freude mei­ner Mitmenschen).

DingsBums

Im dar­auf­fol­gen­den Jahr brachte Kreu­zer die zweite Serie die­ses Uten­sils auf den Markt; hier eine Anzeige für den Ver­kaufs­kar­ton4:

DingsBums

Der Knül­ler ist, dass die­ser Stem­pel auch nach über drei­ein­halb Jahr­zehn­ten noch funktio­niert – die Farbe ist nicht aus­ge­trock­net, der Gummi hat nur geringe Spu­ren und die Rück­stellfeder ist in Ordnung.

Nach­trag vom 29.6.11: Die Stem­pel hie­ßen nur wäh­rend der ers­ten Jahre „Dings­Bums“, danach „Bil­der­stem­pel“, was für den Export bes­ser war (die­ser Arti­kel ging auch nach Eng­land). Die Rück­stell­fe­der diente der leich­te­ren Hand­ha­bung, denn damit konnte der Stem­pel erst posi­tio­niert und dann der Abdruck gemacht wer­den. Bei der zwei­ten Mini-Version des Stem­pels hat man aus Kos­ten­grün­den auf die Feder ver­zich­tet. – Wie der US-amerika­nische Vor­gän­ger hatte die erste Vari­ante eine 2–3 mm dicke Stem­pel­masse, auf der das etwa 1 mm hohe Motiv saß. Diese Stem­pel­masse wurde mit Farbe getränkt und in das Ge­häuse ein­ge­klebt (die­ses Prin­zip nut­zen auch viele aktu­elle Stem­pel). Für die zweite Vari­ante kam eine Mischung aus Kunst­stoff und Farbe zum Ein­satz, die in For­men gegos­sen und poly­me­ri­siert wurde. Diese soge­nannte Mikro­ver­kap­se­lung käme ange­sichts der heute für die Sicher­heit von Spiel­zeug gel­ten­den Voschrif­ten (wie z. B. die EN 71) bei Kin­der­stem­peln nicht mehr in Frage, wird aber noch bei Stem­peln für Erwach­sene und nach­füll­ba­ren Stem­pelkissen genutzt. – Vie­len Dank an Herrn Obor­ski für diese Details!

  1. Es ist beru­hi­gend, dass die wich­tigs­ten Dinge nicht ver­lo­ren gehen.
  2. Bekannt durch den „Blift“ und als OEM für Geha.
  3. 1983 erwei­terte man das Sor­ti­ment um Adress- und Büro­s­tem­pel.
  4. Mir gefällt der Slo­gan „Mehr Tech­nik als Preis“.

Vom Gänsekiel zum iPad

Mit der Geschichte des Schrei­bens befasst sich die Son­der­aus­stel­lung „Vom Gän­se­kiel zum iPad – Schreib­werk­zeuge im Wan­del der Zeit“, die noch bis zum 14. August 2011 im Säch­sischen Indus­trie­mu­seum Chem­nitz zu sehen ist. Die meis­ten Expo­nate stam­men aus der Samm­lung des Dresd­ners Hagen Kreisch, der über 20 Jahre Schreib­zeug und Zube­hör ver­gangener Jahr­hun­derte zusam­men­ge­tra­gen hat. Einen Schwer­punkt der Aus­stel­lung bil­det die Geschichte der Chem­nit­zer Tin­ten­fa­brik Edu­ard Beyer.

Im Blick des Künstlers

Gerührt und sprach­los war ich, als mich mein nicht nur künst­le­risch äußerst fähi­ger Kol­lege Domi­nik vor weni­gen Tagen mit die­ser Zeich­nung von mir überraschte:

Im Blick des Künstlers

Und am Tag dar­auf folgte sogar eine kolo­rierte Version:

Im Blick des Künstlers

Diese gran­dio­sen Werke sind für mich eine rie­sige Freude, und in Kürze bekom­men sie ge­rahmt einen beson­de­ren Platz. Vie­len Dank, Dominik!

Der grüne Bleistift

Der grüne Bleistift

Für den Schrift­stel­ler Erich Käst­ner muss der grüne Blei­stift eine beson­dere Bedeu­tung ge­habt haben, denn im Vor­wort zu sei­nem Kin­der­ro­man „Das flie­gende Klas­sen­zim­mer“ aus dem Jahr 19331 hat er ihn gleich mehr­mals erwähnt.

Damit war alles ent­schie­den. Ich packte schleu­nigst mei­nen Kof­fer, legte den Ten­nis­schlä­ger, den Bade­an­zug, den grü­nen Blei­stift und furcht­bar viel Schreib­papier hin­ein und fragte, als wir schwit­zend und abge­hetzt in der Bahn­hofs­halle stan­den: „Und wohin nun?“

Die Frage war ver­ständ­lich, ver­suchte er doch im August dem Som­mer zu ent­flie­hen, um das pas­sende Umfeld für seine Arbeit an einer Win­ter­ge­schichte zu fin­den. Dem Rat sei­ner Mut­ter fol­gend reiste er an die Zug­spitze – und konnte dort im bes­ten Wet­ter und im Freien ar­beiten. Ein regel­mä­ßi­ger Besu­cher an sei­nem wacke­li­gen Tisch auf einer gro­ßen Wiese war Edu­ard, ein brau­nes Kalb, das ihn abends abholte.

Schließ­lich steckte ich mei­nen grü­nen Blei­stift weg und klopfte Edu­ard das warme glatte Kalb­fell. Und er stupst mich mit den klei­nen Hör­nern, damit ich end­lich auf­stehe. Und dann bum­meln wir gemein­sam über die schöne bunte Wiese nach Hause.

Noch am sel­ben Tag wollte er wei­ter schrei­ben, aber:

Da merkte ich, daß ich mei­nen grü­nen Blei­stift ver­lo­ren hatte. Sicher war er mir auf dem Nach­hau­se­weg aus der Tasche gefal­len. Viel­leicht hatte ihn auch Edu­ard, das bild­hüb­sche Kalb, für einen Gras­halm gehal­ten und ver­schluckt. Jeden­falls saß ich nun in der Gast­stube herum und konnte nicht schrei­ben. Denn es gab im gan­zen Hotel, obwohl es ein piek­fei­nes Hotel ist, weit und breit kei­nen grü­nen Blei­stift, den ich mir hätte bor­gen kön­nen. Toll, was?

Doch die Ret­tung folgte bereits am Tag darauf:

Ich sitze übri­gens, wäh­rend ich diese bei­nahe phi­lo­so­phi­schen Dinge schreibe, wie­der auf mei­ner Holz­bank, vor dem Wackel­tisch, mit­ten in der bun­ten, umfang­rei­chen Wiese. Ich hab mir, gleich am Vor­mit­tag, im Kolonialwaren­geschäft einen grü­nen Blei­stift besorgt.

Damit war die Welt wie­der in Ord­nung und er konnte mit dem Schrei­ben sei­ner Erzäh­lung be­ginnen. – Unklar bleibt, um wel­chen grü­nen Blei­stift es sich gehan­delt hat. War es ein Faber-Castell 9000, ein Schwan Othello 282 oder ein Staedt­ler Luna 349? Aber es wird da­mals wohl noch mehr grüne Blei­stifte gege­ben haben.

Danke an Kai für den Hin­weis auf Erich Käst­ners grü­nen Bleistift!

Anm.: Der Blei­stift im Bild ist übri­gens der A.W. Faber CASTELL 9000 E SPECIAL.

  1. Die Zitate ent­stam­men der Aus­gabe, die 1966 im Kin­der­buch­ver­lag Ber­lin (DDR) erschie­nen ist.
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