Eberhard Faber
Rot und Blau (5)
Der letzte Beitrag zu diesem Thema endete mit weiteren Fragen zur Herkunft des Rot-Blau-Stifts.
1871 wurde Eberhard Faber vor dem United States Custom House1 in New York angehört. Ihm wurde vorgeworfen, inkorrekte Angaben zu den von A.W. Faber aus Deutschland importierten Waren gemacht, d.nbsp;h. einen zu niedrigen Wert angegeben zu haben. Von Sean Malone – er war mit der Unternehmensgeschichte Eberhard Fabers hervorragend vertraut – habe ich folgenden Ausschnitt aus dem Protokoll:
The prices of the Carmine, Blue and Siberian pencils and all the colored pencils vary from time to time, aside from the quantity purchased.
Q. Do you know whether the colored pencils are, in point of fact, made by “A.W. Faber”, or purchased by them?
A. They are purchased by them.
Eberhard Faber hat also ausgesagt, dass die Farbstifte nicht von A.W. Faber hergestellt, sondern zugekauft wurden. (Er erhielt später eine Geldstrafe und musste den Differenzbetrag nachzahlen.) Dies galt dann wohl auch für die Rot-Blau-Stifte.
Doch woher kamen sie?
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- Am United States Custom House (auch New York Custom House) erhob die Zollbehörde der USA die Bundeszölle auf importierte Waren in New York City.↩
Rot und Blau (4)
Zu den Themen, die schon länger auf ihre weitere Bearbeitung warten, gehört die Geschichte des Rot-Blau-Stifts, aber auch verwandter Schreibgeräte. – Die folgenden Dokumente konnte ich von Sean Malone (†7.12.201) bekommen.
Die letzten hier gezeigten Quellen belegen, dass es den Rot-Blau-Stift bereits vor 1869 gab, und ein Warenkatalog von A.W. Faber führte 1874 sogar Rot-Grün-, Rot-Graphit- und Blau-Graphit-Stifte auf. Doch auch letztere waren damals nicht neu, wie dieser Katalog von Eberhard Faber aus dem Jahr 1873 zeigt.
Allerdings werden hier unter der Rubrik „Colored Pencils With Two Colors“ die Kombinationen „Carmine and Black“ und „Blue and Black“ genannt, so dass offen bleibt, ob es sich bei dem Schwarz um eine Farb- oder eine Graphitmine gehandelt hat. – Ich finde es bemerkenswert, dass der Rot-Blau-Stift in drei und den Rot-Grün-Stift in zwei Qualitäten angeboten wurde.
Auch ein mechanischer Rot-Blau-Stift war im Sortiment. – Interessant finde ich den Rot-Schwarz-Stift mit dicker Vierkant-Mine, der Waldarbeitern angedient wurde.
Aus einem Bericht des United States Congress des Jahres 1864 stammt folgende Übersicht, die Rot-Blau-Stifte von Faber aufführt.
1872 gab es einen Großbrand in der Fabrik von Eberhard Faber in New York. Zu den Unterlagen, die das Feuer überstanden, gehört ein Geschäftsbuch aus dem Jahr 1857. (Eberhard Faber leitete ab 1849 zunächst die US-amerikanische Niederlassung von A.W. Faber in New York, bevor er 1861 seine eigene Bleistiftfabrik, ebenfalls in New York, gründete. Alle Dokumente vor 1861 sind also noch A.W. Faber zuzuordnen.) Im November finden sich die Eintragungen „10 Gr. Zinnober & Bleistifte“ und „11 3/4 Gr. Blau und Bleistifte“ (dritte Rubrik, erste und zweite Zeile; für einen Ausschnitt anklicken):
Ebenfalls im November: „8 Gr. Zinnober & Blau Stifte Gold“ (zweite Rubrik, dritte Zeile; für einen Ausschnitt anklicken):
Und im Dezember: „18 Gr. Roth & Blau Stifte 6eckig“ (19. Zeile)2 und „2 1/2 Gr. Blau & Zinnober Stifte“ (letzte Zeile; für Ausschnitte anklicken):
Doch es geht noch weiter zurück, und zwar in den Juli 1856. Das Geschäftsbuch von Eberhard Faber führte in diesem Monat und zum ersten Mal in diesem Jahr „Blue and Carmine“ auf (etwa in der Mitte; für einen Ausschnitt anklicken):
Der Rot-Blau-Stift dürfte also mindestens 166 Jahre alt sein, und die Idee dazu hatte nach eigenen Angaben Lothar vor Faber3.
Doch es bleiben Fragen: Wann kam der erste Rot-Blau-Stift auf den Markt? Als Erfinder des modernen Farbstifts auf Ölkreidebasis gilt Johann Sebastian Staedtler; er hat seine Erfindung im Februar 1834 präsentiert. Wann begann Lothar von Faber mit der Produktion von Farbstiften?
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- Seine hervorragenden Weblogs Contrapuntalism und Blackwing Pages sind glücklicherweise noch online.↩
- Darunter heißt es „9 Gr. Zinnober Stifte roth-Gold“, doch ich bin mir nicht sicher, ob es sich dabei wirklich um Rot-Blau-Stifte handelt oder „roth-Gold“ deren Gestaltung bezeichnen soll.↩
- Lothar von Faber (1817–1896) hat 1839 die 1761 gegründete Bleistiftfabrik A.W. Faber übernommen.↩
„Die Entstehung des Bleistiftes“
Die Broschüre „Die Entstehung des Bleistiftes“ von Eberhard Faber, Neumarkt bei Nürnberg, stellt „Wissenswertes über die Herstellung von Blei-, Kopier- und Farbstiften“ in Wort und Bild dar. Ich finde sie nicht nur wegen der Titelseite sehr ansprechend.
(zum Vergrößern anklicken)
Der zwölfseitige Druck im Format DIN A4 enthält Details, die man als Endkunde auch heute nicht so einfach erfährt; dies und einige Formulierungen sprechen dafür, dass sich Eberhard Faber damit an Händler richtete. Im Mittelpunkt stehen Stifte und Radierer der Marke VAN DYKE, die erstmals 1931 eingetragen wurde1. Angesichts der Gestaltung vermute ich, dass die Broschüre aus den 1940er Jahren stammt.
Bereits die Einleitung ist reizvoll:
Wer sieht es wohl einem Bleistift an, daß zu seiner Herstellung Hunderte von Arbeitsgänge auf sinnreich konstruierten Maschinen und eine unendliche Erfahrung notwendig sind? Welch große Bedeutung kommt doch diesem unscheinbaren Schreibgerät auf allen Gebieten des menschlichen Lebens zu! Für viele Menschen ist der Bleistift unentbehrlicher Freund und ständiger Begleiter.
Auf die Bestandteile geht man gleich zu Beginn ein. So heißt es, dass der in der Bleistiftindustrie verwendete Ton aus Unterfranken kommt; ich gehe davon aus, dass man sich hier auf das Tonwerk der Stadt Klingenberg bezieht.
Beim Graphit wird zwischen dem günstigen, amorphem aus Österreich, Korea und Mexiko und dem höherwertigen, kristallinen aus Bayern („in der Nähe von Passau”), Ceylon und Madagaskar unterschieden. – Mit dem bayerischen Graphit ist zweifellos der von Kropfmühl in Hauzenberg gemeint.
Auch beim Holz ist man recht ausführlich. Neben der Florida- oder Rot-Zeder2 und der kaliformischen Zeder führt man Erle, Linde und Föhre auf. (Linde und Nadelhölzer – vor allem die Kolorado-Tanne und die Weymouth-Kiefer – nutzt man immer noch, die Erle wegen ihrer Härte indes nicht mehr.)
Als „Politur“3 wird Zelluloselack genannt, doch von diesem ist man aufgrund gesundheitlicher Risiken bei der Verarbeitung und schwieriger Entsorgung schon vor einiger Zeit abgekommen.
Bemerkenswert sind die Materialien, mit denen die Stifte „gestempelt“ wurden: Damals waren es Echtgold-, Goldbronze- und Aluminiumbronzefolien.
Bei der Bearbeitung des Graphits ist von „chemisch zerkleinert“ und „chemisch verfeinert“ die Rede; was es damit auf sich hat, verrät die Broschüre jedoch nicht.
Auch auf Bestandteile und die Herstellung von Kopier-, Farbkopier- und Farbminen wird eingegangen. Alle enthalten u. a. das pflanzliche Verdickungsmittel Traganth, das heute hauptsächlich für Lebensmittel verwendet wird.
In der Auflistung der Spezialstifte fielen mir mattschreibende Kopierstifte auf, die bei künstlichem Licht die Augen schonen sollen.
Gegen Ende finden sich Handreichungen zum Verkauf:
Es genügt nicht, dem Kunden kurzerhand einen Stift zu reichen. Zeigen Sie ihm vielmehr alle Muster der auf Lager befindlichen Sorten auf einer hübschen Samtkarte aufgemacht!
Und:
Auch der kleine unscheinbare Bleistift muß mit Lust und Liebe verkauft werden, denn jeder Kunde freut sich, wenn er auch bei einem kleinen Einkauf vom Verkäufer aufmerksam bedient wird.
Natürlich darf der Radierer nicht unerwähnt bleiben, und so erfährt der Leser, dass man „den weltbekannten VAN-DYKE-Radiergummi von Grund auf in eigener Fabrik erzeugt“ und dass „Eberhard Faber als erster Bleistifte kombiniert mit Radiergummi herstellte“4.
Eine Übersicht der Härtegrade und der „Werdegang des Bleistifts“ schließen die Broschüre ab.
Für mich ein schönes Stück Bleistiftgeschichte!
- So ganz klar sind mir die Einträge des DPMA nicht, denn es gibt sowohl „Van Dyke“ (mit Anführungszeichen und in Gemischtschreibung, eingetragen am 9.3.26) als auch VAN DYKE (ohne Anführungszeichen und in Versalien, eingetragen 5.11.1940).↩
- Die Erwähnung der Rot-Zeder überrascht mich, denn ich dachte bisher, dass diese bereits vor etwa 100 Jahren durch die kalifornische Zeder (Weihrauch-Zeder) abgelöst wurde.↩
- Der Begriff „Politur“ geht zurück auf die Zeit vor 1900, als die Spitzenbleistifte einen Schellacküberzug mit Schwermetall-Farben erhielten und von Hand poliert wurden.↩
- Das in diesem Zusammenhang oft genannte Patent von Hyman Lipman aus dem Jahr 1858 beschrieb einen Bleistift, der auf etwa einem Drittel der Länge statt der Graphitmine einen Radierkern enthielt. Dieses Patent wurde später jedoch für ungültig erklärt mit der Begründung, dass Bleistift und Radierer bereits vorher existiert hätten und durch die Kombination von beidem nichts Neues entstanden sei. Am 11.8.1891 erhielt Eberhard Faber das Patent auf die Befestigung eines Radierers an einen Bleistift mithilfe einer Zwinge.↩
Kurz notiert
- Wer 620 Schweizer Franken loswerden und dafür einen Spitzer haben möchte, wird bei Hieronymus fündig. – Danke an Frau Fischer für den Hinweis auf dieses bemerkenswerte Produkt!
- Zum Monatswechsel erschien bei Prestel das Buch „Schreibwaren“; es enthält auch einen Beitrag von mir. – Eine englische Ausgabe („Stationery Fever“) ist ebenfalls erhältlich.
- Aus der Reihe „Tools of the Trade“ des NPR: „Trace The Remarkable History Of The Humble Pencil“. – Danke an Andreas Weinberger und Sean für den Hinweis!
- Ein Rückblick auf die Bleistiftfertigung von Eberhard Faber in New York: „New York Today: Our Past in Pencils“. – Danke an Michael Leddy für den Hinweis!
- Am vergangenen Samstag war ich einen halben Tag auf der Insights X in Nürnberg, der noch recht neuen1 PBS2-Messe in Nürnberg; man hatte mich zu einem Blogger-Treffen eingeladen. Besonders gefreut hat mich das Treffen mit Matthias, mit dem ich seit 2009 in Kontakt stehe, und seiner Familie. Die Zeit war knapp, und wie erwartet habe ich mich hauptsächlich am Stand von STAEDTLER aufgehalten.
Ob es einen Blog-Beitrag zur Insights X geben wird, kann ich noch nicht sagen.
Granate 1892–1895
Bemerkenswerte Details zur Geschichte des als „Granate“ bekannten Handspitzers finden sich im Early Office Museum, wo er ihn in der Rubrik „Small Pencil Sharpeners“ als „American Cartridge Pencil Sharpener“ von Eberhard Faber aufgeführt wird. Es heißt dort, eine Anzeige von 1892 habe damit geworben, dass dieser Messingspitzer zuerst in Europa hergestellt worden wäre. Eberhard Faber habe ihn jedoch verbessert und ihn dann patentieren und in den USA fertigen lassen. Weitere Anzeigen für diesen Spitzer sollen 1905, 1911 und 1933 erschienen sein. Eine Abbildung zeigt den Spitzer mit der Prägung „E. Faber Pat. Appl’d.“1
Im selben Jahr, so das Early Office Museum, soll eine Besprechung des „Standard Pencil Sharpener“, hergestellt von der Connecticut Mfg. Co., Hartford, mit einer ähnlichen Darstellung veröffentlicht worden sein. Das Unternehmen habe angegeben, dass dieser Spitzer, obwohl weitgehend identisch zu dem seit kurzer Zeit erhältlichen, besser gefertigt und in allen Belangen zufriedenstellender sei. Ein gleichartiges Modell soll 1894 als „Peerless Long Bevel Lead Pencil Sharpener“ beworben worden sein.
Eine kurze Suche bei Google Books förderte diesen Eintrag auf Seite 116 des Katalogs Nr. 57 von Montgomery Ward & Co. (1895) zutage:
Die Ähnlichkeit des „Peerless“ zur „Granate“ ist natürlich nicht zu übersehen. – Dem „Handbuch für Papier und Bürobedarf“ von 1949 zufolge kam die „Granate“ vor etwa 60 Jahren, also um 1889 in den Handel; die Angaben im Early Office Museum könnten dazu passen.
Nachtrag vom 9.5.17: Mehr zum „Peerless“, der vermutlich ein im Inland gefertigtes Konkurrenzprodukt zur importierten „Granate“ war, gibt es unter „Granate 1893“.
- Ein direkter Link ist leider nicht möglich. – Ich habe das Early Office Museum nach weiteren Details zur Anzeige von 1892 gefragt, aber leider keine Antwort erhalten.↩
Paperworld 2016 (1)
Vor wenigen Tagen gingen die Paperworld und die zeitgleich stattfindende Creativeworld in Frankfurt/Main zu Ende; hier der erste Teil meiner kurzen und nicht repräsentativen Notizen. – Diesmal nicht vertreten waren u. a. Atoma, Brunnen, Dahle, Haff, Herlitz, Koh- I-Noor, LAMY, Pilot, Plus, Schneider und Schwan-Stabilo.
Der Auftritt von STAEDTLER stand ganz im Zeichen des 50-jährigen Jubiläums von FIMO. Es gab auch einen Aufsteller mit Bleistiften, darunter der Mars Lumograph, doch zu meiner großen Überraschung wurde nicht dessen erweitertes Sortiment präsentiert. – Bei Faber-Castell und Eberhard Faber sind mir keine Neuheiten aufgefallen, ebenso wenig bei KUM.
Neu vom Schweizer Hersteller Caran d’Ache ist der Bleistift GENIUS 353 mit Touchscreen-Tip, den es mit schwarzem und weißem Lack, aber nur in HB gibt. – Der Tip ist nicht abnehmbar.
Zu sehen war auch das im vergangenen August eingeführte Geschenkset „Swiss Wood“ mit einem Bleistift aus Jura-Buche und einem aus Arve nebst Radierer und Magnesium-Spitzer. Letzterer trägt außer „Made in Germany“ auf dem Messer keine Kennzeichnung, doch ich vermute aufgrund der Ähnlichkeit, dass er wie der Spitzer im Technograph-Set von Eisen stammt.
Bei zwei der vier Bleistifte eines Sets der GRAFIK-Serie fielen mir außermittig sitzende Minen auf.
Vorgestellt wurden zudem zwei Sonderausführungen des im Jahr 1930 erstmals erhältlichen Fixpencil, mit dem der Schweizer Architekt Mario Botta gewürdigt wird. Die Sets mit Fixpencil, Graphitmine in B und vier wasservermalbaren Farbminen sind ab April erhältlich.
Die wohl ungewöhnlichsten Bleistifte der diesjährigen Paperworld kommen vom Start-Up Manaomea.
Das Münchener Unternehmen fertigt sie nach eigenem patentierten Verfahren aus Jute, Flachs und anderen Naturfasern sowie Biopolymeren. Die Materialien für die beiden Bleistifte und das Mäppchen stammen meist aus Entwicklungsländern und immer aus Bio-Anbau, und beim gesamten Herstellungsprozess wird auf Fairness und Umweltverträglichkeit geachtet. Die verwendete Technik bietet große Gestaltungsfreiheiten, und so lassen sich Stifte in unterschiedlichen Profilen, Farben und Oberflächen fertigen.
Bei Pentel konnte ich erfahren, dass die Verfügbarkeit der Metallvariante des 0,2-mm-Druckbleistifts Pentel orenz in Deutschland davon abhängt, wie gut die anderen Ausführungen ankommen.
Die großartigen Ecoline-Wasserfarben des niederländischen Anbieters Royal Talens gibt es ab sofort auch als Pinselstift. – Interessantes Detail: Die Farbe in den Pinselstiften ist etwas konzentrierter als die im Glas, damit die Farben zueinander passen. Würde man den Pinselstift nachfüllen (was möglich ist), wäre der Abstrich zu hell.
Im zweiten Teil geht es um DOMS, Viarco und CARL.
„The House That Faber Built“
Sean von Contrapuntalism berichtet von seinem Besuch bei Eberhard Faber. Großartig!