Holzbleistifte

Spiel am Sonntag

In ihrem her­vor­ra­gen­den Buch „Living Out Loud – Acti­vi­ties to Fuel a Crea­tive Life“ gibt die Autorin und Illus­tra­to­rin Keri Smith zahl­rei­che inter­es­sante Anre­gun­gen und auch kon­krete Anlei­tun­gen zum krea­ti­ven (Aus-)Leben. Ich mag ihren Stil sehr, ebenso ihre Art, sich die Umwelt und all­täg­li­che Dinge zu erschlie­ßen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

Unter dem Stich­wort „Ori­gi­na­li­tät“ zitiert sie einen frü­he­ren Leh­rer und eine Auf­gabe von ihm:

Write down as many uses as you can think of for a pencil.

Wei­ter schreibt sie:

Try to get to 100.

Oha! Na, ich mach‘ mal einen Anfang:

  1. Schreib- und Zei­chen­ge­rät (bestim­mungs­ge­mä­ßer Gebrauch)
  2. Ess­stäb­chen
  3. Lineal
  4. Hilfe zum Krat­zen auf dem Rücken
  5. Trom­mel­stock
  6. Mate­rial für ein Kunstobjekt
  7. Beiß­holz
  8. Lese­zei­chen
  9. Rühr­stab
  10. Achse für Waage (z. B. mit Lineal)
  11. Wer­be­trä­ger
  12. Sam­mel­ob­jekt
  13. Tausch­ge­gen­stand
  14. Hilfs­mit­tel zum Straf­fen des Ban­des in einer Audiokassette
  15. Feu­er­holz
  16. Tür­fest­stel­ler
  17. Wurf­ge­schoss
  18. Aus­stel­lungs­ob­jekt
  19. Takt­stock
  20. Siche­rung der Hochsteckfrisur
  21. Pflanz­holz
  22. Hilfe zum Blät­tern (nur Blei­stifte mit Radierer)
  23. Wegweiser/​Richtungszeiger
  24. Wähl­hilfe beim Wählscheibentelefon
  25. Zei­ge­stock
  26. Erken­nungs­merk­mal
  27. For­schungs­ob­jekt in der Technik- und Kulturgeschichte
  28. Locher-​Ersatz
  29. Schmuck­stück (z. B. Stum­mel als Brosche)
  30. Hilfs­mit­tel zur Ver­schlüs­se­lung (Sky­tala; nur Blei­stifte unge­wöhn­li­chen Durchmessers)
  31. Stab für Sonnenuhr
  32. Zah­lungs­mit­tel
  33. Gesprächs­aus­lö­ser
  34. Han­dels­ware
  35. Ver­schluss eines geeig­ne­ten Etuis
  36. Sport­ge­rät (Weit­wurf, Spinning)
  37. Maßstab/​Lehre
  38. Stich­waffe
  39. Kerb­holz
  40. Wickel­kern (z. B. für Kordel)

Was könnte man die­ser Liste noch hinzufügen?

LYRA 664

Ein in mehr­fa­cher Hin­sicht auf­fäl­li­ger und unge­wöhn­li­cher Blei­stift ist der 664 STENO von LYRA, der bis Mitte der 90er Jahre im Pro­gramm des frän­ki­schen Her­stel­lers war und noch heute manch­mal in Res­te­kis­ten anzu­tref­fen ist.

LYRA 664 STENO

Der in einem dem Leucht-​Orange ähn­li­chen Farb­ton lackierte, runde und 17,5 cm lange 664 STENO ist mit 7 mm etwas dün­ner als ein Standard-​Bleistift, hat aber ebenso wie die­ser eine 2 mm dicke Mine. Die 2 cm lange Tauch­kappe in gebro­che­nem Weiß deu­tet dar­auf hin, dass es sich hier um die erste Vari­ante die­ses Blei­stifts han­delt, denn zwi­schen 1991 und 1994 fiel sie weg. – Vor­läu­fer des 664 war der bis in die 70er Jahre hin­ein ange­bo­tene LYRATO 665 mit gold­far­be­ner Tauch­kappe, den es in den Här­te­gra­den HB, B und 2B gab; par­al­lel zum 664 – zumin­dest von 1973 bis 1995 – führte LYRA den Orlow STENO 6331 mit gold­far­be­nem Käpp­chen und brei­tem schwar­zen Ring in den Här­ten HB, B und 2B.

LYRA 664 STENO

Der Foli­en­prä­ge­druck in stark kon­tras­tie­ren­dem Metallic-​Blau macht mit einer Aus­nahme nur die not­wen­digs­ten Anga­ben. Neben dem Her­stel­lungs­land, der Num­mer, dem Namen des Her­stel­lers und des­sen Sinn­bild fin­det sich die Funk­tion des Stifts in Kurz­schrift, d. h. in ste­no­gra­fi­scher Schreibung.

LYRA 664 STENO

Die lange Geschichte der Ste­no­gra­fie geht bis ins erste vor­christ­li­che Jahr­hun­dert zurück und brachte 1924 mit der Deut­schen Ein­heits­kurz­schrift den ers­ten deut­schen Stan­dard her­vor; ver­bun­den mit die­sem sind Ste­no­gra­fie­block und -blei­stift. Zur ste­no­gra­fi­schen Tech­nik kann ich lei­der gar nichts sagen, und so beschränke ich mich auf ein paar Bei­spiele von mei­nem Vater, der diese fas­zi­nie­rende Kunst auf benei­dens­werte Weise beherrscht.

Die Wörter „Steno” und „Stift” in stenografischer Schreibweise

Die Wör­ter „Steno“ und „Stift“ in ste­no­gra­fi­scher Schreibweise

Das Wort „Stenostift” in stenografischer Schreibweise

„Sten­o­stift“

Die­sen Schrift­zug zeigt auch der Auf­druck des LYRA 664 STENO.

LYRA 664 STENO

Kleine Notiz am Rande: Warum sind Stenografie-​Bleistifte eigent­lich rund? Das Pro­fil des hexa­go­na­len Blei­stifts wirkt in den hal­ten­den Fin­gern wie eine Ras­tung und sorgt damit für bevor­zugte Posi­tio­nen in der Hand. Die in der Ste­no­gra­fie not­wen­di­gen Unter­schiede in der Strich­stärke machen es jedoch erfor­der­lich, dass der Stift gering­fü­gig axial gedreht wer­den und auch danach noch kom­for­ta­bel gehal­ten wer­den kann. Ein run­der Blei­stift erfüllt diese For­de­rung am bes­ten und stra­pa­ziert die Hand bei län­ge­rem Gebrauch weni­ger als ein sechs­flä­chi­ger. Zum leich­te­ren Schrei­ben der Ver­stär­kun­gen haben Steno-​Bleistifte oft eine etwas wei­chere Mine, die etwa der Härte B ent­spricht. – Heute noch erhält­li­che Steno-​Bleistifte sind der STAEDTLER Mars steno­fix (HB) und der Faber-​Castell 9008 Steno (HB, B und 2B). Dane­ben gibt es Steno-​Füllfederhalter wie den Peli­kan P470, des­sen beson­ders elas­ti­sche Feder eben­falls die benö­tigte Modu­la­tion erlaubt.

LYRA 664 STENO

Spit­zen: links ab Werk, rechts mit dem Carl Decade DE-​100 gespitzt

Der Auf­druck des ins­ge­samt gut ver­ar­bei­te­ten 664 nennt kei­nen Här­te­grad, doch LYRA sagte mir, dass es B war. Die Mine ist sehr gut, bruch­sta­bil und hat eine sau­bere Abgabe; das Holz lässt sich im Hand­spit­zer und mit dem Kur­bel­spit­zer gut spitzen.

Das Wort „Bleistift” in stenografischer Schreibweise

„Blei­stift“

Mehr zu Steno-​Bleistiften gibt es bei pen­cil talk unter „Steno pen­cils: pen­cils with a job“ und „Ano­ther Steno Pen­cil – the Hardt­muth Steno 550“.

Danke an LYRA für die Infor­ma­tio­nen zum 664 STENO!

Nach­trag vom 19.10.10: Lei­der hat Peli­kan den Sten­o­füll­fe­der­hal­ter P470 bereits Mitte 2009 aus dem Sor­ti­ment genommen.

Markiges Marketing (9)

„Koh-I-Noor”-Notizstifte von L. & C. Hardtmuth

Mit ent­spann­tem Gesichts­aus­druck und offen­bar zufrie­den führt der vor­nehme Herr am Steh­pult den dicken, lan­gen Blei­stift über das Papier. Seine für das Schrei­ben mit Gra­phit denk­bar unge­eig­ne­ten Hand­krau­sen las­sen ver­mu­ten, dass er nur für eine kurze Notiz am Kathe­der steht, ansons­ten aber schrei­ben lässt und allen­falls für eine Unter­schrift oder zur Erle­di­gung pri­va­ter Kor­re­spon­denz zum Feder­kiel greift.

„Koh-I-Noor”-Notizstifte von L. & C. Hardtmuth (Ausschnitt)

Das mit schwe­ren, leder­ge­bun­de­nen Foli­an­ten gut gefüllte Regal und die weiß­ge­pu­derte (Staats-?)Perücke des rei­fen Herrn könn­ten das auf die­ser etwa 58 × 40 mm gro­ßen und wahr­schein­lich vor 80 oder mehr Jah­ren aus­ge­ge­be­nen Rekla­me­marke des öster­rei­chi­schen Unter­neh­mens L. & C. Hardt­muth gezeigte Büro als eines des 18. Jahr­hun­derts aus­wei­sen; auch die Schreib­fe­der, deren stäh­lerne Vari­ante um 1800 erfun­den wurde, sprä­che dafür.

Die Angabe von Serien- und Bild­num­mer zeigt, dass man sich der gro­ßen Popu­la­ri­tät der Rekla­me­marke als Sam­mel­ob­jekt bewusst war und die­ses Bedürf­nis gezielt stei­gerte, aber auch befriedigte.

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Markiges Marketing (8)

„Cullinan”-Bleistifte von Brevillier & Urban

Vom Betrach­ter ab- und einem gel­ben Blei­stift zuge­wandt zeigt der reife, unter­setzte Herr mit Brille, gerö­te­tem Gesicht und vor­neh­mer, auf die Stifte in sei­ner Brust­ta­sche farb­lich abge­stimm­ter Klei­dung deut­lich seine Prio­ri­tä­ten: Sein Ken­ner­blick durch die run­den Glä­ser gilt nur dem Cullinan-​Bleistift von Bre­villier & Urban, den er jedem ande­ren vorzieht.

Die öster­rei­chi­sche Schreib­wa­ren­fa­brik Bre­villier & Urban (heute Bre­villier Urban & Sachs GmbH & Co. KG, Wien) ent­stand im Jahr 1925, als die 1800 von Ignaz Urban eröff­nete Schmiede und die 1823 durch Carl Wil­helm von Bre­villier gegrün­dete Schrau­ben­fa­brik die ehe­ma­li­gen Zeus-​Werke in Graz über­nah­men. 1983 kam Brevillier-​Urban in die Kirchdorfer-​Gruppe, die 2006 die Kirch­dor­fer Schreib­wa­ren­hol­ding mit Brevillier-​Urban sowie deren Toch­terfirmen Jolly Arts & Crafts (China) und Hemus­Mark (Bul­ga­rien) grün­dete; 2007 erwarb Koh-​I-​Noor den Mehr­heits­an­teil an letz­te­rer. Die bekann­teste Marke von Brevillier-​Urban, „Jolly“ aus dem Jahr 1965, ist seit 2007 Teil von Imarco, zu der auch die Hein­rich Sachs KG, die Öster­rei­chi­sche Kuvert­in­dus­trie und Creta­co­lor gehö­ren. Bre­villier Urban & Sachs fer­tigt in Graz und Hirm.

Wann es den Blei­stift gab, für den diese 34 × 37 mm große Rekla­me­marke gewor­ben hat, weiß ich nicht. Erwäh­nens­wert in die­sem Zusam­men­hang ist viel­leicht noch, dass der größte jemals gefun­dene Roh­dia­mant „Cul­linan“ hieß. War Ent­schei­dung des Her­stel­lers, seine Blei­stifte nach die­sem zu benen­nen, viel­leicht eine Reak­tion auf L. & C. Hardt­muth, deren Pro­dukte den Namen des bekann­tes­ten Dia­man­ten „Koh-​I-​Noor“ trugen?

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Lotus

Faber-Castell Lotus

In dem Über­ra­schungs­päck­chen, das mir den STABILO pen­cil 88 brachte, fan­den sich auch zwei Exem­plare des Faber-​Castell Lotus der Härte B. Aus der sehr knap­pen Beschrif­tung, die auch das Kür­zel „SV“ für „Secu­ral­ver­fah­ren“ ent­hält, sticht der in einem deko­ra­ti­ven Font aus­ge­führte Name des Blei­stifts hervor.

Faber-Castell Lotus

Der Stift mit metal­lisch wir­ken­der, blau-​violetter Lackie­rung, matt­schwar­zer End­kappe und einem Prä­ge­druck in gebro­che­nem oder nach­ge­dun­kel­tem Weiß ist wohl­tu­end unauf­fäl­lig und die Mine von recht ordent­li­cher Qualität.

Faber-Castell Lotus

Das war schon alles, was ich zu die­sem für mich anspre­chen­den und heute nicht mehr er­hältlichen, aber wohl noch nicht ganz so alten Blei­stift sagen wollte.

L. & C. Hardtmuth 1516

Teil eines kürz­lich erstan­de­nen Aller­leis waren zwei unge­wöhn­li­che his­to­ri­sche Blei­stifte von L. & C. Hardt­muth, auch bekannt unter Koh-​I-​Noor.

L. & C. Hardtmuth 1516

Diese Stü­cke mit sehr ähn­li­cher und inzwi­schen ris­si­ger Lackie­rung unter­schei­den sich in der Dicke und der Gestal­tung, haben jedoch die glei­che Modell­num­mer (bei einem ist sie nahezu voll­stän­dig abge­grif­fen, mit einer Lupe aber pro­blem­los erkenn­bar). Das Alter die­ser Stifte kenne ich ebenso wenig wie deren ursprüng­li­che Länge. Der Auf­druck des 5,5 mm dicken Exem­plars ist nicht mehr kom­plett, und der dün­nere mit dem Durch­mes­ser von 4,5 mm wirkt nicht wie werk­sei­tig ange­spitzt; sie dürf­ten also län­ger gewe­sen sein.

L. & C. Hardtmuth 1516

Neben der Num­mer, dem Här­te­grad, dem spä­te­ren Fir­men­na­men „KOH-​I-​NOOR“ und dem des Her­stel­lers tra­gen die Blei­stifte drei Andre­as­kreuze mit jeweils vier Punk­ten, die mir bereits beim LYRA 2801 auf­ge­fal­len sind und für deren Ver­wen­dung im Blei­stift­kon­text ich noch keine Erklä­rung habe (mög­li­cher­weise dien­ten sie aus­schließ­lich der Dekoration).

L. & C. Hardtmuth 1516

Die Form der Enden las­sen ver­mu­ten, dass beide Stifte – wie diese sehr dün­nen von J.J. Reh­bach – für die Unter­brin­gung im Notiz­buch oder Kalen­der gedacht waren, bie­ten sie doch den Fin­gern beim Her­aus­zie­hen guten Halt; der wie eine Tel­ler­kap­sel geformte Auf­satz ver­hin­dert zudem das Durch­rut­schen. Beim dafür ver­wen­de­ten Mate­rial könnte es sich um Kunst­stoff han­deln, doch da bin ich mir auf­grund der Bear­bei­tungs­spu­ren nicht sicher.

L. & C. Hardtmuth 1516

Laut Kenn­zeich­nung und dem Schreib­ge­fühl haben die Minen bei­der Stifte die Härte HB, wobei die des dicke­ren im direk­ten Ver­gleich ein klein wenig krat­zi­ger wirkt.

L. & C. Hardtmuth 1516

Mit gefal­len diese Blei­stifte, und gäbe es diese heute noch oder wie­der, würde ich sie kaufen.

Speerspitze

Aus dem Blei­stift ein recht gefähr­lich wir­ken­des Gerät macht diese his­to­ri­sche Metall­kappe von J.S. STAEDTLER.

Alte Bleistiftkappe von J.S. STAEDTLER

Sie ist sehr sorg­fäl­tig gefer­tigt und trägt auf dem klem­men­den Ring eine Prä­gung mit dem Vier­tel­mond sowie dem Schrift­zug „J.S. STAEDTLER – BAVARIA“. Trotz des Alters der Kappe, das ich auf 50 Jahre schätze, kann ich keine Kor­ro­sion oder andere Spu­ren der Alte­rung, son­dern nur kleine gebrauchs­be­dingte Krat­zer erkennen.

Alte Bleistiftkappe von J.S. STAEDTLER

Sechs Zen­ti­me­ter Blei­stift­ver­gan­gen­heit in einer für mich äußerst reiz­vol­len Form!

Nach­trag vom 10.11.09: 1920 bot STAEDTLER einen Blei­stift­ver­län­ge­rer an, des­sen Ende die glei­che Form hatte wie diese Metall­kappe und als Brief­öff­ner gedacht war. – Der Kata­log von 1919 führte Ver­län­ge­rer und Kappe jedoch noch nicht auf.

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