Zeichen

Die Waage

Eines der bekann­tes­ten Waren­zei­chen aus der Welt der Blei­stifte ist die Waage, die viele Jahr­zehnte die Pro­dukte von A.W. Faber zierte und auch auf dem Blei­stift Cas­tell 9000 anzu­tref­fen war. Doch wel­che Geschichte hat sie?

Die Waage

Blei­stift Cas­tell 9000 (1983)

Die Waage war ursprüng­lich das Mar­ken­zei­chen der Blei­stift­fa­brik J.W. Gutt­knecht in Stein bei Nürn­berg, die 1907 von A.W. Faber über­nom­men wurde1.

J.W. Guttknecht

Fir­men­grün­der war Johann Andreas Gutt­knecht aus Frank­furt, der sich in Stein als Schrei­ner­meis­ter nie­der­ließ und 1769 erst­mals als Blei­stift­ma­cher urkund­lich erwähnt wurde. Im Jahr 1828 über­nahm sein Sohn Johann Wil­helm Gutt­knecht die Firma und gab ihr sei­nen Namen. Er blieb Jung­ge­selle und ver­kaufte er das Unter­neh­men 1865 an die Kauf­leute Elß­mann und Haase, doch diese hat­ten nicht viel Glück – 1893 war die Firma völ­lig ver­schul­det, und Haas beging im sel­ben Jahr Selbst­mord. Eigen­tü­mer waren anschlie­ßend die Baye­ri­sche Hypotheken- und Wech­sel­bank und danach die Kauf­leute Jakob, Eckert und Betz; letz­te­rer wurde 1899 Allein­be­sit­zer und ver­kaufte das Unter­neh­men 1907 an Alex­an­der Graf von Faber-Castell und des­sen Frau Otti­lie2.

Die Waage

Titel des Waren­ka­ta­logs der Blei­stift­fa­brik J.W. Gutt­knecht (19073)

Unklar bleibt für mich, woher die Jah­res­zahl 1750 stammt. – Wie die Unter­la­gen im Deut­schen Patent- und Mar­ken­amt in Mün­chen bele­gen, wurde die Waage im Mai 1875 als Waren­zei­chen für zahl­rei­che Pro­dukte4 von J.W. Gutt­knecht eingetragen.

Die Waage

Quelle: Nach­wei­sung der im Deut­schen Rei­che gesetz­lich geschütz­ten Waa­ren­zei­chen, 1. Band5. – Die Lücke in der Waage ist auch im Original.

Doch warum eine Waage? Wel­chen Bezug zum Hand­werk des Blei­stift­ma­chers hat sie? Ich weiß es nicht, habe aber eine Ver­mu­tung. Wie Dr. Gus­tav Schwan­häu­ßer in sei­ner 1895 als Buch ver­öf­fent­lich­ten Dis­ser­ta­tion „Die Nürn­ber­ger Blei­stift­in­dus­trie und ihre Arbei­ter in Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart“ schreibt, stand bis 1708 noch nicht fest, mit wel­chen Waren­zei­chen6 die Blei­stift­ma­cher ihre Fabri­kate ver­sa­hen und ver­se­hen muss­ten. Abhilfe schaffte das Rugs­amt, die dama­lige Hand­werks­auf­sichts­be­hörde, mit der Fest­le­gung von zwölf Zei­chen im sel­ben Jahr.

Die Waage

Quelle: Dr. Gus­tav Schwan­häu­ßer, Die Nürn­ber­ger Blei­stift­in­dus­trie und ihre Arbei­ter in Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart. Schrag-Verlag, Nürn­berg 1895.

Die bei­den letz­ten Zei­chen stan­den noch bis 1730 zur Ver­fü­gung der Schrei­ner, gin­gen aber im dar­auf­fol­gen­den Jahr in den Besitz der Blei­stift­ma­cher über. Ich halte es für denk­bar, dass die dama­li­gen Blei­stift­ma­cher belie­bige Zei­chen ohne oder mit nur wenig Bezug zum Gewerbe genutzt haben und diese Pra­xis bis in das 19. Jahr­hun­dert wei­ter bestand. – Den heute übli­chen Mar­ken­schutz gab es damals noch nicht. Als die Pro­dukte von A.W. Faber auf­grund ihres gro­ßen Erfol­ges imi­tiert wur­den, reichte Lothar von Faber Anfang der 1870er Jahre eine Peti­tion zum Schutz des Mar­ken­ar­ti­kels beim Deut­schen Reichs­tag ein. Diese führte dazu, dass 1875 ein Gesetz zum Mar­ken­schutz in Kraft trat7; aus die­sem ent­stand unse­rer heu­ti­ger Markenschutz.

Wie die Regis­ter­aus­kunft des DPMA infor­miert, ließ sich A.W. Faber die Waage im April 1914 als Bild­marke eintragen.

Die Waage

Wann genau und auf wel­chem Pro­dukt A.W. Faber sie zum ers­ten Mal genutzt hat, konnte ich aller­dings noch nicht herausfinden.

Die Waage

Ban­de­role der Poly­grade Lead Pen­cils 1205 № 18

Ich finde es bemer­kens­wert, wie viele Vari­an­ten der Waage es über die Jahr­zehnte gab. Waren die Ände­run­gen beab­sich­tigt? Wenn ja, las­sen sich mit ihrer Hilfe Pro­dukte datie­ren? Oder ging man damals ein­fach locke­rer damit um und ach­tete nicht immer auf eine ein­heit­li­che Gestaltung?

Die Waage

Brief­pa­pier (1932)

Sicher machte auch die ver­wen­dete Druck­tech­nik Abwand­lun­gen nötig, denn es las­sen sich z. B. auf Brief­pa­pier feine Details bes­ser wie­der­ge­ben als im Prä­ge­druck. – Hier noch ein paar Vari­an­ten der Waage aus mei­nem Fundus.

Die Waage

Ver­län­ge­rer 45188

Die Waage

Pes­ta­lozzi Krokier-Etui Nr. 7673 (1930er oder 1940er Jahre3)

Die Waage

Blauer Farb­stift „Faber 6“ 2671 (1935–19403)

Die Gestal­tung der Scha­len und den abge­setz­ten Punkt auf dem Kar­ton des blauen Farb­stifts 2671 finde ich sehr ungewöhnlich.

Die Waage

Prä­gung auf dem Titel der Fir­men­mo­no­gra­fie zur A.W. Faber Blei­stift­fa­brik (1934)

Die Waage

Blei­mi­nen 2577 für Klemm­stifte 25418

Wie der fol­gende Aus­schnitt zeigt, waren zuwei­len ver­schie­dene Vari­an­ten neben­ein­an­der zu sehen.

Die Waage

Aus dem Waren­ka­ta­log von 19613

Wei­tere bekannte Mar­ken von A.W. Faber-Castell waren die Wort­marke „Cas­tell“ (1906, der spä­tere Namens­teil), die Kom­bi­na­tion mit sti­li­sier­ter Burg (1906) und das quer­lie­gende Oval mit dem Wap­pen (1950). Die bei­den mit Blei­stif­ten kämp­fen­den Rit­ter wur­den 1906 als Schutz­marke ein­ge­führt9.

Die Waage

Blech­dose Cas­tell 9000 (ver­mutl. späte 1980er oder frühe 1990er Jahre)

Bei der Neu­aus­rich­tung des Unter­neh­mens im Jahr 1993 trennte sich Faber-Castell von der Waage, die 118 Jahre lang nicht nur auf Blei­stif­ten zu sehen war. Sie ist jedoch immer noch auf die Faber-Castell AG eingetragen.

Danke an Faber-Castell für den Scan des Guttknecht-Katalogtitels und das DPMA für den Scan des Waren­zei­chen­ein­trags aus dem Jahr 1875!

Nach­trag vom 2.7.15:

Die Waage

Von einer Ban­de­role grü­ner Farbstifte

Die Waage

Von einer Ban­de­role Goldfaber-Bleistifte

Die frei­schwe­ben­den Waag­scha­len haben etwas, finde ich.

  1. Bis in die 1940er Jahre ver­trieb A.W. Faber-Castell die bil­li­gen Blei­stifts­or­ten unter dem Namen J.W. Gutt­knecht.
  2. Quelle: Ger­hard Hirsch­mann, Stein bei Nürn­berg – Geschichte eines Indus­trie­or­tes. Fran­ken­ver­lag Lorenz Spind­ler, Nürn­berg 1962.
  3. Jah­res­an­gabe von Faber-Castell.
  4. Die Bedeu­tung des Begriffs „Farb­krene“ in die­sem Ein­trag kenne ich nicht.
  5. Her­aus­ge­ge­ben im Auf­trag des Reichs­amts des Innern. Auf­ge­führt wer­den Waren­zei­chen bis Ende 1886. – Ja, „Waa­ren­zei­chen“.
  6. Im his­to­ri­schen Kon­text auch „Schau­zei­chen“ genannt.
  7. Man beachte den Begriff „Schutz-Marke“ unter der im sel­ben Jahr ein­ge­tra­ge­nen Waage von Gutt­knecht.
  8. Das Alter kenne ich nicht.
  9. Quelle: „Faber-Castell since 1761“.

Zeichen der Zeit

Schrift, die sich auf­löst und ver­schwin­det, übt einen beson­de­ren Reiz auf mich aus.

Zeichen der Zeit

Naks­kov (Lol­land, Dänemark)

Zeichen der Zeit

Naks­kov (Lol­land, Dänemark)

Zeichen der Zeit

Per­le­berg (Bran­den­burg, Deutschland)

Zeichen der Zeit

Per­le­berg (Bran­den­burg, Deutschland)

Zeichen der Zeit

Per­le­berg (Bran­den­burg, Deutschland)

Zeichen der Zeit

Per­le­berg (Bran­den­burg, Deutschland)

Zeichen der Zeit

Per­le­berg (Bran­den­burg, Deutschland)

Zeichen der Zeit

Rohr­berg (Sachsen-Anhalt, Deutschland)

Einige Sterne

Meine Freude an „some rocks“ des US-amerikanischen Zeich­ners Ernie Bush­mil­ler hat sich zu einer ange­neh­men Obses­sion ent­wi­ckelt. So halte ich nicht nur Aus­schau nach die­ser For­mation in mei­ner Umge­bung, son­dern freue mich auch über die Vari­an­ten, die Michael Led­dy in sei­nem Web­log Orange Crate Art1 prä­sen­tiert. In sei­ner neu­es­ten nutzt er ein 5000 Jahre altes Pik­to­gramm aus Meso­po­ta­mien, das drei Steine zeigt, „Berg“ bedeu­tet und schließ­lich zum Keil­schrift­zei­chen „kur“ wurde. So wan­deln Nancy und Sluggo nun in „Nancy revi­sed“ auf schrift­his­to­ri­schen Pfaden.

Einige Sterne

Nach­dem mir kürz­lich auf einem Wer­be­pla­kat ein Stern­chen auf­ge­fal­len ist, habe ich etwas über die­ses Zei­chen gele­sen und bin dabei auf den Aste­ris­mus gesto­ßen. Das im Engli­schen „aste­rism“ genannte Satz­zei­chen (Uni­code U+2042) heißt in der Zei­chen­ta­belle von Micro­soft Win­dows „Stern­gruppe“ und besteht ebenso wie „some rocks“ und „kur“ aus drei Ele­menten. Klar, dass ich die­sen Fund nicht unver­ar­bei­tet las­sen konnte:

Einige Sterne

Wäh­rend in die­ser klei­nen Albern­heit die Stern­gruppe als sol­che und – ebenso wie die drei Steine für die Land­schaft – für den Ster­nen­him­mel auf­tritt, kenn­zeich­net sie in der Typo­grafie eine kleine Unter­bre­chung im Text oder weist auf einen Abschnitt hin.

  1. Orange Crate Art fei­ert heute sei­nen zehn­ten Geburts­tag. Happy Bir­th­day! :-)

Wundersame Welt der Waren (28)

Die Haupt­aus­sage mit einem Stern­chen? Die­ses Wer­be­pla­kat von Barilla musste ich mir ge­nauer anschauen.

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Viel­leicht bin ich ja ein zu kri­ti­scher Zeit­ge­nosse, aber für mich ist das Stern­chen nicht po­sitiv kon­no­tiert, da es häu­fig auf Ein­schrän­kun­gen ver­weist. So auch hier:

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Also ent­hält nur eines der vier gezeig­ten Pes­tos fri­sches Basi­li­kum1. Bemer­kens­wert finde ich, dass die Eti­ket­ten von zwei wei­te­ren Pes­tos eben­falls Basi­li­kum zei­gen; die­ses dürfte dem­nach nicht frisch sein (es sei denn, die Eti­ket­ten tra­gen den Hin­weis „Ser­vier­vor­schlag“ und bil­den die Zuta­ten nicht not­wen­di­ger­weise kor­rekt ab). Was dann noch der Zusatz „KEINE KOMPROMISSE“ aus­sa­gen soll, wo doch schon Zuge­ständ­nisse gemacht wur­den, ist mir rät­sel­haft. Aber ich gehöre wohl nicht zur Zielgruppe …

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  1. Genau­ge­nom­men ist Basi­li­kum nur direkt nach der Ernte frisch, aber das nur neben­bei.

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Als gro­ßer Freund des Hin­wei­ses „Hier öff­nen“1 schaue ich mir des­sen unzäh­lige Vari­an­ten gerne genau an. Dabei begegne ich hin und wie­der einem beson­de­ren Exem­plar, so wie die­sem auf der Ver­pa­ckung des jun­gen Gou­das vom Dis­coun­ter Penny.

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Wäh­rend man den Text oft durch einen Pfeil oder einen gebo­ge­nen Ver­pa­ckungs­teil er­gänzt, so gibt es hier eine Hand2 mit Man­schette zu bewun­dern. Auch wenn ich den Dau­men etwas zu lang finde, so gefal­len mir die Idee und die Umsetzung.

Erfreu­lich ist zudem die ff-Ligatur der Haus­schrift Akko, die zeigt, dass man bei der Anfang 2012 begon­ne­nen und in mei­nen Augen geschmack­vol­len Neu­ge­stal­tung des Dis­coun­ters mit Sorg­falt zu Werke ging. – Die Kon­tur der Kuh hat mich natür­lich gleich an eine Art­genossin auf einer Milch­ver­pa­ckung aus dem glei­chen Hause erinnert.

  1. „Hier öff­nen” (im Ori­gi­nal „Open Here – The Art of Ins­truc­tional Design”, 1999) ist auch der Titel eines her­vor­ra­gen­den Buches von Paul Mijk­sen­aar und Piet Wes­ten­dorp, das sich mit der Kunst der Gebrauchs­wei­sung beschäf­tigt und eine Fülle gra­fi­scher Anlei­tun­gen ent­hält.
  2. Nein, lei­der keine Zei­ge­hand.

Nicht ohne

Nicht ohne

Dop­pelte Ver­nei­nun­gen sind nicht ohne, beson­ders dann, wenn – wie hier – die eine Ver­neinung als Text und die andere als Gra­fik daher­kommt. Der Gartenartikel-Hersteller WOLF meint es mit die­sem Zei­chen auf sei­nem Rasen­dün­ger L-PM 300 sicher gut, doch wer dar­über nach­denkt, liest „nicht ohne Moos“ und damit etwas her­aus, was WOLF bestimmt nicht hinein­getan hat.

Danke an Andreas zum Win­kel für den Hin­weis auf die­ses schöne Zeichen!

Anm.: Mög­li­cher­weise im glei­chen Bemü­hen, das beson­dere Merk­mal zu beto­nen, hat Pa­nasonic sei­nen Bat­te­rien den Schutz vor Nicht-Auslaufen ver­passt und damit Gele­gen­heit zur unter­halt­sa­men Fehl­interpretation gegeben.

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The Noun Pro­ject hat sich vor­ge­nom­men, die Kom­mu­ni­ka­tion durch Sym­bole zu verein­fachen. Die Idee ist nicht neu, doch das Vor­ha­ben des Pro­jekts ehr­gei­zig: Man möchte die visu­elle Spra­che der gan­zen Welt in einer ein­zi­gen Daten­bank zusam­men­stel­len, organisie­ren und frei ver­füg­bar machen. Sehr beeindruckend!

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Der Blei­stift im Noun Project

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