Museum
Markiges Marketing (2)
Ebenso wie LYRA haben noch andere Schreibgeräte-Hersteller mit Reklamemarken für sich geworben, darunter auch Johann Faber aus Nürnberg, dessen „ACME“-Bleistiftspitzer hier auf 54 × 54 mm grafisch durchaus reizvoll angepriesen wird. – Die erste Variante dieses aus drei Teilen (Korpus, zweiseitig geschliffenes Messer und Rändelschraube) bestehenden Spitzers kam laut Leonhard Dingwerths „Kleiner Anspitzer-Fibel“ um 1905 auf den Markt; der Gebrauch des englisches Wortes „acme“ auf dem deutschen Markt der damaligen Zeit überrascht mich jedoch.
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Memorandum
Zwei recht dünne, kurze Bleistifte mit ungewöhnlicher und heute nicht mehr üblicher Metallkappe: Der „MEMORANDUM“ von J.J. Rehbach sowie der „J.D.F.“ GRANTHA DIARY.
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Die in Deutschland hergestellten Stifte sind knapp 5,5 mm dick und haben eine etwa 2,5 mm starke Mine. Sie sind 9,5 bzw. 13 cm lang, und da sie so aussehen, als wären sie nach der Herstellung noch nie gespitzt worden, kamen sie offenbar auch so kurz in den Handel.
Ihr auffälligstes Merkmal ist jedoch die vergleichsweise lange, aufgepresste Metallkappe, die beide Stifte ziert und eine scheibenförmige Verdickung aufweist. Letztere ist 1 mm bzw. 0,5 mm dick und hat einen Durchmesser von etwa 9 mm.
Laut Georg Büttners Bleistiftseiten wurde das zuvor als „Schlüssel-Bleistiftfabrik“ bekannte im Regensburg ansässige Unternehmen (daher das auch hier noch genutzte Logo mit den gekreuzten Schlüsseln) 1934 durch Pensel & Sohn übernommen und unter dem Namen „J.J. Rehbach“ weitergeführt; wenige Jahre nach einer weiteren Übernahme Mitte der 1970er Jahre durch Haubold stellte man die Bleistiftproduktion ein. Das Alter des „Memorandum“ schätze ich auf 60 bis 70 Jahre.
Zum vielleicht ebenso alten „GRANTHA DIARY“ kann ich leider gar nichts sagen; auch ist mir das Kürzel „J.D.F.“ fremd. Der Wikipedia-Eintrag zur sog. „Grantha-Schrift“ gibt für das Sanskrit-Wort „grantha“ die Übersetzungen „Buch“ sowie „Manuskript“ an, was gewollt sein und angesichts des Zusatzes „DIARY“ einen Hinweis auf die Verwendung dieses Stifts geben könnte.
Der „GRANTHA DIARY“ schreibt sehr hart und lässt sich nicht so gut radieren, während der „MEMORANDUM“ einem Bleistift der Härte HB nahekommt. – Ich vermute, dass diese Stifte für den Gebrauch mit einem Notiz- oder Tagebuch gedacht waren und die besondere Form der Metallkappe ein Herausrutschen aus einer am Buch angebrachten Schlaufe oder Lasche verhindern sollte.
Nachtrag vom 28.3.09: Ein Kenner der Materie teilte mir gestern mit, dass es sich bei diesen Stiften um Taschenbleistifte und bei den Metallteilen um sog. Tellerkapseln handelt. Diese Taschenbleistifte waren für den Gebrauch mit und den Transport im Rücken von Kalendern und Notizbüchern vorgesehen (daher auch ihre geringe Länge); die Tellerkapsel verhinderte dabei das Durchrutschen des eingesteckten Stiftes. Das Kürzel „J.D.F.“ könnte für den Hersteller stehen, der diesen Bleistift zusammen mit seinen Produkten angeboten hat. – Vielen Dank an G. B. für diese interessante Information!
Alligator
Viel zu schön, um nicht im Detail gezeigt zu werden: Der kleine Alligator auf dem runden, schwarz lackierten Bleistift “ALLIGATOR” № 2 von Johann Faber1.
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Leider weiß ich überhaupt nichts über die Geschichte dieses wohl sehr alten Bleistifts, aber laut Bob Truby’s Brand Name Pencils muss es zumindest noch einen Kopierstift dieses Namens, jedoch ohne Grafik gegeben haben. – Neben dem Schwan auf den Stiften von STABILO, der bereits 1875 als Markenzeichen eingeführt wurde, gibt es heute noch die Libelle bei Tombow. Darüber hinaus kenne ich nur einen weiteren Bleistift mit Tier, nämlich den „Kiddi Black Elefant“ von STAEDTLER, doch dieser ist seit geraumer Zeit nicht mehr erhältlich.
Da der Alligator in der westlichen Kulturgeschichte eine eher untergeordnete Rolle spielt, vermute ich, dass er hier lediglich der Dekoration dient, doch diese Aufgabe erfüllt es in meinen Augen auf eine sehr nette und attraktive Weise.
- Georg Büttners Bleistiftseiten zufolge ging Johann Faber, der sein Unternehmen 1876 gegründet hat, im Jahr 1932 eine Zusammenarbeit mit A.W. Faber-Castell ein und wurde zehn Jahre später von diesem übernommen.↵
Spitzen anno dazumal
Bereits vor einiger Zeit stieß ich bei einem gründlichen Tauchgang in der Elektrobucht auf dieses Trio historischer Spitzer, deren Alter ich auf 70 bis 80 Jahre schätze.
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Alle drei arbeiten mit Rasierklingen, die vielleicht bereits ausgetauscht wurden, und weisen nur geringfügige konstruktive Unterschiede auf. Die recht großen Öffnungen erlauben das Spitzen von Stiften mit Durchmessern bis 12 mm; mit etwa 45 × 35 × 20 mm und 29 bis 34 Gramm sind sie vergleichsweise groß und schwer.
Das Modell „Norola“ ist mit „D.R.G.M.“ (Deutsches Reichs-Gebrauchsmuster), „D.R.W.“ (Deutsches Registriertes Warenzeichen) sowie „B. B.“ gekennzeichnet und stammt somit wohl aus Deutschland, während es sich bei der enthaltenen Klinge um eine Gilette 2351 mit englischem Aufdruck handelt.
„Made in Switzerland“ und „Patented“ ist der „UNICUM“, in dessen Innern sich eine in Deutschland hergestellte Klinge mit dem unterhaltsamen Namen „Servus Extra“ verbirgt. Auffällig ist hier der Einsatz, der den zu spitzenden Stift führen soll und so gut verriegelt ist, dass er sich heute nicht mehr lösen lässt.
Von der Produktbezeichnung her mein Favorit ist „SPETSO“, der dritte in der Runde. Eine schnelle Suche hat „spets“ als schwedisches Wort für „spitz“ hervorgebracht, und so wäre womöglich „Spitzo“ eine passende Übersetzung des Produktnamens (gäbe es ein so benanntes Modell auch heute noch, würde ich es umgehend kaufen). Für den Schnitt verantwortlich ist die Klinge „GUNNARS BLÅ“, „SVENSK TILLVERKNING“, also ein Produkt aus Schweden. – Das Design ähnelt sehr dem des „UNICUM“, sogar der Schriftzug wirkt wie aus gleichem Hause.
Was diese drei Spitzer (falls man sie überhaupt als solche bezeichnen darf) mit den Bleistiften anstellen, ist jedoch überhaupt nicht lustig – die Ergebnisse lassen den Erfolg des Spitzmessers in einem ganz neuen Licht und die aktuellen Spitzer als Wunderwerke der Technik erscheinen. Leider werkeln diese Schredder auch mit neuen Rasierklingen nicht besser, und so kann ich kaum glauben, dass sie jemals ihren Zweck richtig erfüllt haben. Aus heutiger Sicht gehen sie sicher eher als Fehlkonstruktionen durch, doch als Sammel- und historische Anschauungsobjekte eignen sie sich allemal.
Nachtrag vom 19.3.09: Die „Kleine Anspitzer-Fibel“ von Leonhard Dingwerth führt sowohl den „Norola“ als auch den „Unicum“ auf. Ersterer wurde 1931 von der Firma Fusor GmbH, Berlin, auf den Markt gebracht, und letzterer stammt von der Injecta AG in Teufenthal in der Schweiz, die ihn Anfang der 30er Jahre bis in die 50er Jahre hinein produziert hat.
Sirius Bleistift Nr. 2
Ein ungewöhnliches und sehr interessantes Geschenk meiner besseren Hälfte: Ein Dutzend des Sirius Bleistift Nr. 2, hergestellt von der VEB Leipziger Pianofortefabrik Abt. Bleistifte in Böhlitz-Ehrenberg bei Leipzig.
Die VEB Leipziger Pianofortefabrik in Böhlitz-Ehrenberg1 entstand 1945 aus der Enteignung der 1910/11 gegründeten Ludwig Hupfeld AG. Wie das Staatsarchiv Leipzig informiert, wurde die Pianofortefabrik 1967 mit drei weiteren Betrieben in der VEB Deutsche Piano-Union Leipzig zusammengeführt; 1985 kamen weitere 18 Betriebe hinzu2. Nun gab es diese volkseigenen Betriebe aber erst ab 1949, dem Jahr der DDR-Gründung, und auch danach waren manche Firmen zunächst Genossenschaften; die Bleistifte dürften also 42 bis 60 Jahre alt sein. Die Banderole macht dazu leider keine Angaben; auf der Rückseite findet sich lediglich die noch nicht mal einen Millimeter hohe Kennzeichnung „III/18/194“.
Die vier oder gar mehr Jahrzehnte haben ein paar Spuren an den Bleistiften hinterlassen: Die Radierer sind hart und unbenutzbar geworden, der goldfarbene Prägedruck hat sich teilweise abgelöst und der rote Lack zeigt einige Risse. Keines der Exemplare ist jedoch verworfen, und gemessen am Alter sind die Stifte insgesamt gut erhalten.
Die sechseckigen Stifte mit dem Durchmesser von 7,5 mm und 2,3 mm dicker Mine tragen die Kennzeichnung „|| [PF-Logo] || Sirius BLEISTIFT NR. 2 * 614“. Sie zeigen recht hohe Fertigungstoleranzen sowohl in der Länge als auch bei der Anbringung von Zwinge und Radierer. Kürzester und längster Bleistift in diesem Dutzend unterscheiden in der Länge um 2 mm und die Position der Zwinge variiert um 3 mm; auch sitzt die Mine nicht immer ganz zentrisch.
Sirius Bleistift Nr. 2 gespitzt mit der „Granate“ von Möbius+Ruppert (oben) und dem Tischspitzer Carl Decade DE-100 (unten)
Auch Holz und Mine sind gut durch die Jahre gekommen, denn ersteres lässt sich gut spitzen und letztere schreibt sauber ohne zu kratzen. Die Radierbarkeit (getestet mit dem uni Mark Sheet Eraser und dem Tombow Mono One) ist sehr gut.
Das kleine Logo, ein Flügel mit aufgeklapptem Deckel, ziert die Banderole sowie (in vereinfachter Form) die Bleistifte und gefällt mir – ebenso wie der „Sirius“-Schriftzug – außerordentlich gut.
Ich weiß nicht, wie dieser Bleistift in das Lieferprogramm eines Klavierherstellers gelangte. Wurde der „Sirius“ aus den Resten des Holzes gefertigt, das für die Instrumente zum Einsatz kam, oder zählte er als Zubehör, z. B. für Anmerkungen an den Noten? Erst habe ich vermutet, dass sein Ursprung in der sog. Konsumgüterproduktion der ehemaligen DDR liegt, als in der Planwirtschaft auch produktfremde Firmen zur zusätzlichen Produktion von Konsumgütern aufgefordert wurden, aber diese begann ja erst Anfang der 70er Jahre. Und: Welche Informationen sind in der Kennzeichnung „III/18/194“ auf der Banderole codiert?
Nachtrag vom 18.3.09: Auf Georg Büttners Bleistiftseiten heißt es zur TURM-Bleistiftfabrik in Böhlitz-Ehrenberg: „In der Leipziger Pianoforte Fabrik (LPF) von Ludwig Hupfeld wurden nach 1945 neben Möbeln und Sportgeräten auch Bleistifte hergestellt. Wie lange dort produziert wurde ist nicht bekannt.“ Zu sehen sind auch zwei Bleistiftschachteln von etwa 1950.
Nachtrag vom 1.6.09: Unter „Spurensuche“ gibt es ein paar Details zu der Vorgeschichte dieses Bleistifts und der Bleistiftproduktion in Böhlitz-Ehrenberg.
- Seit 1999 Stadtteil von Leipzig.↵
- Laut Wikipedia übernahm die Carl A. Pfeiffer GmbH & Co. KG, Leonberg, nach der Wende das Unternehmen und verkauft seitdem die in Leipzig gefertigten Klaviere und Flügel unter den Markennamen Hupfeld und Rönisch. Letzterer knüpft an die im Jahr 1948 gegründete Klavierfabrik des Dresdeners Carl Rönisch an, die 1918 in der Ludwig Hupfeld AG aufging.↵
EX-EXB
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Wahrscheinlich über 70 Jahre und fast 8800 km Luftlinie liegen zwischen diesen beiden Bleistiften, die sich äußerlich verblüffend ähnlich sind. Auch wenn der Gedanke an eine Produktkopie naheliegt, so möchte ich nicht darüber spekulieren, sondern mich nur mit den Stiften selbst beschäftigen.
Die in den 30er Jahren übliche Bezeichnung EX-EXB („Extra Extra Black”) für den besonders weichen Bleistift wurde in den 70ern nach EE und zwischen 1996 und 2001 nach 8B geändert; der nächsthärtere Grad war EXB (EB, 7B). Viele bedauern das Verschwinden des EE-Bleistifts und sehen im 8B nicht nur eine Änderung des Namens, sondern auch des Minenmaterials. Der Härtegrad EE, der meines Wissens nur noch bei STAEDTLER Thailand erhältlich ist, genießt daher einen besonderen Ruf.
Während sowohl der Chung Hwa 111 von China First Pencil als auch der STAEDTLER Mars Lumograph 2886 die Standardlänge von etwa 17,5 cm haben, so sind sie mit ihrem Durchmesser von gut 9 mm vergleichsweise dick.
Der Aufdruck des Mars Lumograph ist schlicht, der des Chung Hwa hingegen ausführlich und zweisprachig. Die Abkürzung „DRP“ auf dem Lumograph verweist auf eine Eintragung beim 1919 eingerichteten Reichspatentamt, das 1945 seine Tätigkeit eingestellt hat.
Links: STAEDTLER Mars Lumograph 2886, rechts: Chung Hwa 111
Bei genauerem Blick offenbaren sich jedoch Unterschiede zwischen diesen beiden Stiften. Die Mine des gespitzt angebotenen Mars Lumograph ist knapp 4,5 mm dick und damit 0,5 mm dicker als die des Chung Hwa, der ungespitzt in den Handel kommt (kam?).
STAEDTLER Mars Lumograph 2886 mit M+R 602
Im Messing-Doppelspitzer M+R 602 von Möbius+Ruppert machen beide eine gute Figur, wobei die sieben Jahrzehnte dem Holz des Mars Lumograph offenbar nichts anhaben konnten.
Chung Hwa 111 mit M+R 602
Noch größere Unterschiede zeigen sich im Gebrauch: Der Mars Lumograph 2886 ist rauer und deutlich schwärzer als der Chung Hwa, der dafür leichter über das Papier gleitet und sich auch wesentlich besser radieren lässt; letzterer ähnelt eher dem aktuellen Mars Lumograph 4B. – Der noch erhältliche Mars Lumograph EE schwärzt jedoch noch besser als sein 70 Jahre alter Vorgänger.
Weitere Details zum Härtegrad EE gibt es unter „The hunt for the EE grade pencil“ und „Staedtler Mars Lumograph EE update“ bei pencil talk.
Vielen Dank an Sabine für den Chung Hwa 111 EX-EXB!
Markiges Marketing (1)
Wahrscheinlich gut 90 Jahre alt ist diese etwa 55 × 44 mm große Reklamemarke, mit der das traditionsreiche Unternehmen LYRA für sich geworben hat. Laut Günter Schweigers Virtuellem Reklamemarken-Museum dienten diese Marken, deren Geschichte sich bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen lässt, ursprünglich dem Versiegeln von Briefen, sprachen jedoch auch bald Sammler an und waren in ihrer Blütezeit von 1900 bis 1914 ein beliebtes Werbemittel.
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