Das Bleistift-Buch
Unter dem Titel „Das Bleistift-Buch – Kleine Kulturgeschichte eines unterschätzten Alltagsgegenstands“ ist vor kurzem ein weiteres Buch über den Bleistift erschienen, und gestern hatte ich es als Überraschung im Briefkasten.
Das Inhaltsverzeichnis des 240 Seiten starken Buchs klingt vielversprechend: „175 Millimeter schmutzige Wahrheit“, „Geboren im Land der Schafe und der Bratwurst“, „Der Mann im Mond und die Suche nach dem Holz“ und vieles mehr – das macht neugierig, ebenso die 387 Fußnoten, und so freue ich mich auf die Lektüre.
Die Details:
Ulli Tückmantel
Das Bleistift-Buch
Kleine Kulturgeschichte eines unterschätzten Alltagsgegenstands
Paperback, 240 Seiten mit zahlreichen Abbildungen
15,99 €/9,99 (E-Book)
Verlag Books on Demand, Norderstedt
ISBN 978 3 7693 0558 6
Danke an Herrn Tückmantel für das Exemplar!
Nachtrag vom 20.6.25: Ein paar Worte zum Inhalt; wird ggf. erweitert.
Ich hatte mich sehr auf das Buch gefreut. Das Inhaltsverzeichnis klang vielversprechend, und bereits beim ersten Durchblättern fielen mir interessante Details auf. Bei vertrauten Themen freute ich mich darüber, dass der Autor diese um weniger bekannte Aspekte erweitern konnte. Allerdings ging mir schon früh der Gender-Doppelpunkt auf die Nerven1, doch da es immer wieder Informationen gab, die mir neu waren und zum Teil auch humorvoll präsentiert wurden, las ich weiter (was ich bei gegenderten Texten meistens nicht mache).
Auf Seite 55 bin ich gestolpert, denn dort heißt es: „Die Minen werden aus einem Graphit-Lehm-Wachs-Gemisch hergestellt und gebrannt.“ Das ist gleich in zweifacher Hinsicht falsch, denn für die Minen wird kein Lehm (der aus Ton, Kies, Sand und Schluff besteht) verwendet, sondern reiner Ton, und das Wachs kommt erst nach dem Brennen als Imprägnierungsmittel zum Einsatz (den Brennvorgang würde es nicht überstehen). Solche groben Fehler hätte ich in einem Buch über den Bleistift nicht erwartet, und sie lassen mich leider auch an der Korrektheit anderer Angaben zweifeln.
Die literarischen Bezüge waren mir etwas zu viel, aber das liegt vielleicht daran, dass ich keinen engen Bezug zu Literatur habe und sie daher auch nicht bewerten kann. Das Kapitel zu Goethes Bleistift fand ich jedoch ganz informativ und stellenweise recht unterhaltsam (die darin erwähnte Jagdhütte auf dem Berg Kickelhahn bei Ilmenau habe ich übrigens vor nicht allzu langer Zeit besucht).
Ich habe oft in die umfangreichen Fußnoten (hervorragend!) geschaut, und da ich wissen wollte, wie das Buch endet, konnte ich mir nicht verkneifen, das letzte Kapitel zu lesen. Es handelt von einer bewegenden Liebesbeziehung, die sogar die entsetzlichen Gräueltaten der Nationalsozialisten überdauert hat, auch wegen der vielen, mit dem Bleistift verfassten Liebesbriefe. Anhaltend neugierig musste ich kurz zu den Seiten davor blättern und bin auf das Thema Handschrift gestoßen. Dabei ging es auch um einen Antrag im Landtag von Nordrhein-Westfalen, der 2020 von – so das Buch – „AfD-Nazis“ eingereicht wurde.
Eine derart herabwürdigende Bezeichung ist für mich inakzeptabel. Warum stellt der Autor Mitglieder einer demokratisch legitimierten Partei sprachlich auf eine Stufe mit dem Regime, dessen fuchtbare Verbrechen er zudem im darauffolgenden Kapitel thematisiert? Und abgesehen davon, dass man mit einer solchen Polemik und Diffamierung der zweifellos notwendigen Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Politik wohl kaum einen Gefallen tut: Was hat dies mit der Kulturgeschichte des Bleistifts zu tun? Ich habe das Buch erst einmal beiseite gelegt und weiß nicht, ob ich es weiterlesen möchte.
- Ja, ich lehne das Gendern ab. Es ist ein künstlicher, politisch motivierter Eingriff in die Sprache und damit autoritär und bevormundend; zudem ist es unwissenschaftlich und dysfunktional.↩